Stabiles Finanzsystem in Österreich trotz internationaler Finanzmarktturbulenzen   

erstellt am
25. 06. 08

Wien (oenb) - Anlässlich der Generalversammlung des Verbandes österreichischer Banken und Bankiers am 24.06. betonte Dr. Klaus Liebscher, Gouverneur der OeNB und EZB-Ratsmitglied, dass die Stabilität der österreichischen Finanzmärkte weiterhin hoch ist. Er bezog sich dabei einerseits auf den Internationalen Währungsfonds (IWF), der in seinem kürzlichdurchgeführten Follow-up zum Financial Sector Assessment Program (FSAP) im Rahmen der Art. IV Konsultationen zu dem Ergebnis gelangte, dass Österreichs Finanzsystem weiter gestärkt worden und schockresistent sei.Andererseits stützt sich die Einschätzung, dass das Finanzsystem stabil ist, auf aktuelle Daten und Analysen der OeNB.

Trotz der weiterhin nicht bereinigten, internationalen Finanzmarktturbulenzen, so Gouverneur Liebscher, sind die österreichischen Banken ohne gröbere Blessuren davon gekommen. Die vergleichsweise geringe Betroffenheit haben sie ihrem Geschäftsmodell, ihremhohen Einlagenaufkommen, ihrer Ausrichtung auf das weniger zyklische Privatkundengeschäftund nichtzuletztder Konzentration ihrer Aktivitäten auf Österreich sowie Zentral-, Ost- und Südosteuropa zu verdanken. Die von den Auswirkungen der US-Subprime-Krise hervorgerufenen Abwertungen bei strukturierten Kreditprodukten betrugen bei den 30 größten österreichischen Banken im Jahr 2007 rund 1,1 Mrd EUR. Für das erste Quartal 2008 rechnen die in diesem Markt aktiven Großbanken mit einer zusätzlichen Abwertung ihres strukturierten Kreditportfolios um 550 Mio EUR bis 750 Mio EUR. Der Gouverneur gab zu bedenken, dass es sich bei diesen Zahlen überwiegend um Wertberichtigungen aufgrund von Marktwertveränderungen handelt, die wegen der hohen Volatilität der Marktpreise jeweils nur eine Momentaufnahme darstellen.

Auch derIWF anerkennt, dass die österreichischen Banken die Öffnung der Märkte in Zentral-, Ost- und Südosteuropa frühzeitig genutzt haben, was sich in der Folge in erhöhten Erträgen und einer verbesserten Risikostreuung niederschlug. In diesem Zusammenhang verwies der Gouverneur darauf, dass die von Österreichs Banken in dieser Region gehaltenen Vermögenswerte Ende 2007 bereits 26% der konsolidierten Bilanzsumme des gesamten österreichischen Bankensektors ausmachten und dass der entsprechende Anteil am Gewinn vor Steuern fast 43% erreichte. Er erinnerte aber auch daran, dass die überdurchschnittlich hohe Profitabilität derGeschäftsaktivitäten der österreichischen Banken in Zentral-, Ost- und Südosteuropa mit deutlich höheren Risiken verbunden sind, weshalb es unerlässlich ist, dass die Expansion der Banken in diese Region mit einemadäquaten Risikomanagement, ausreichenden Risikovorsorgen und einem entsprechenden Eigenkapitalpolster einhergeht.

Obwohl sich die österreichischen Banken nicht gänzlich von den internationalen Finanzmarktturbulenzen abschotten konnten, gelang es ihnen, laut Gouverneur Liebscher, ihre Geschäftsaktivitäten und ihre Profitabilität im Jahr 2007 nochmals deutlich zu steigern.Im ersten Quartal 2008 hinterließen die Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten aber auchbei ihnen gewisse Spuren. Erstmals seit 2002 kam es beim unkonsolidierten Betriebsergebnis der in Österreich meldepflichtigen Kreditinstitute im Jahresabstand zu einem Rückgang. Vor allem der negative Saldo aus dem Finanzgeschäft und zum Teil auch die deutliche Reduzierung des Saldos aus dem Wertpapierprovisionsgeschäft dürften von den Auswirkungen der Finanzmarktturbulenzen herrühren, führte der Gouverneur aus.

Weiters schnitt Gouverneur Liebscher die Frage an, welche Lehrenaus den jüngsten massiven Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten zu ziehen sind und nannte unter anderem die Weiterentwicklung desRisiko- und Liquiditätsmanagements sowie der internen Anreizstrukturen bei den Banken, die Erhöhung der Transparenz bei strukturierten Produkten und Zweckgesellschaften sowie die Berücksichtigung der Erfahrungen mit illiquiden Märkten bei den Rechnungslegungsstandards und Bewertungsmodellen als notwendige Reaktionen zur Vermeidung ähnlicher Krisen in der Zukunft. Zudem verwies der Gouverneur auf die vom Basel Committee on Banking Supervision veröffentlichten „Priciples for Sound Liquidity Risk Management and Supervision“, welche einen wesentlichen Beitrag zu einem verbesserten Liquiditätsrisikomanagement der Finanzinstitute leisten werden. Besonders hob der Gouverneur hervor, dass auch eine Verhaltensänderung bei den Investoren unumgänglich ist, nämlich eine eingehende Risikoprüfung potenzieller Investments, was die Effizienz der Disziplinierung durch den Markt erhöhen würde.

Im Zusammenhang mit der Finanzmarktaufsicht verwies Gouverneur Liebscher einmal mehr darauf, dass in Österreich die Amtshaftungsregelungen sehr extensiv sind. In dieser Kritik trifft er sich mit dem IWF, der sich ausdrücklich für eine Einschränkung der im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten extensiven österreichischen Amtshaftung im Aufsichtsbereich aussprach. Er plädierte dafür eine Regelung anzustreben, in der die Aufsicht den Status des öffentlichen Interesses einnimmt, womit die Ansprüche Dritter weitgehend ausgeschlossen werden.
 
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