Neue Innenministerin Maria Fekter erstmals im Innenausschuss   

erstellt am
02. 07. 08

"Kein Abschiebestopp bis zur Reparatur des humanitären Bleiberechts"
Wien (pk) - Die neue Innenministerin Maria Fekter hatte am 03.07. ihren ersten Auftritt im Parlament. Noch bevor sie an der parlamentarischen Enquete zum Thema "Medienrecht und Opferschutz" teilnahm, stand sie den Mitgliedern des Innenausschusses des Nationalrats im Rahmen einer so genannten Aktuellen Aussprache Rede und Antwort.

Fekter kündigte dabei unter anderem an, die Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium und dem Parlament "optimieren" zu wollen. Einen Abschiebestopp für Ausländer bis zur vom Verfassungsgerichtshof urgierten Reparatur des humanitären Bleiberechts wird es ihr zufolge nicht geben. Ausdrücklich begrüßte die Innenministerin das Vorhaben ihres Vorgängers Günter Platter, von Zuwanderern bereits im Vorfeld Deutschkenntnisse zu verlangen. Insgesamt ersuchte Fekter um Verständnis dafür, dass sie nach 36 Stunden im Amt noch keine Detailfragen beantworten könne.

Themen der Aussprache waren unter anderem das humanitäre Bleiberecht, das Integrationspaket, die EURO 2008, die Verhaftung von Tierschützern, die Ausweitung der Polizeibefugnisse, die eingetragene Partnerschaft und die Zusammenarbeit zwischen Ministerium und Ausschuss.

Eingeleitet wurde die Diskussion durch Ausschussvorsitzenden und SPÖ-Sicherheitssprecher Rudolf Parnigoni. Er machte auf die notwendige Reparatur des humanitären Bleiberechts aufmerksam und plädierte dafür, im Integrationspaket auch die Stellungnahmen der Sozialpartner und der NGOs zu berücksichtigen. Eine Ausweitung der Deutschkurse für Ausländer kann sich die SPÖ, wie er sagte, durchaus vorstellen, man müsse aber die Frage der Kosten klären. Für eine weitere Ausweitung der Polizeibefugnisse erachtet Parnigoni präzise Rechtsgrundlagen für erforderlich, überdies sprach er sich für eine wesentliche Aufwertung des Rechtsschutzbeauftragten im Innenressort aus.

Großes Lob äußerte Parnigoni für die Leistung der österreichischen Exekutive bei der EURO 2008. An die neue Innenministerin richtete er den Appell, bei Vorhaben des Ressorts die Abgeordneten zeitgerecht einzubinden, damit eine Situation wie im letzten Jahr beim Sicherheitspolizeigesetz künftig vermieden werde.

Seitens der Grünen sprach Abgeordneter Peter Pilz die Notwendigkeit an, im Innenausschuss den Themenkomplex Überwachungsstaat, Polizeibefugnisse und Persönlichkeitsrechte einmal umfassend zu diskutieren, noch dazu, wo, wie er sagte, hier einiges auf die Abgeordneten zukommen werde. Es gebe "Durchlaufausschüsse", wo Regierungsvorhaben lediglich abgenickt würden, und "Arbeitsausschüsse", wo sehr wohl Platz für Diskussion sei, meinte er.

Eine breite Fragenpalette richteten Pilz und seine Fraktionskollegin Brigid Weinzinger bezüglich der Verhaftung von Tierschützern an die Innenministerin. Unter anderem wollten die beiden Abgeordneten wissen, seit wann Polizeispitzel in die Tierschutzszene eingeschleust worden seien, wie viele Telefon- und Internetüberwachungen es gegeben habe und wie hoch Fekter das "Bedrohungspotenzial" der Tierschützer für Österreich einschätze. Von Pilz und Weinzinger wurden darüber hinaus die Bestellung von Franz Lang zum Kabinettschef Fekters und das humanitäre Bleiberecht angeschnitten. Abgeordnete Ulrike Lunacek erkundigte sich bei Fekter, ob sie den Inhalt der Stellungnahme des Innenministeriums zum von Justizministerin Berger vorgeschlagenen Lebenspartnerschaftsgesetz teile.

Abgeordneter Günter Kößl (V) appellierte seinerseits in Richtung Abgeordnetem Pilz, mehr Ernsthaftigkeit im Innenausschuss an den Tag zu legen. Positiv beurteilte er die Arbeit der Exekutive während der EURO 2008. Sein Fraktionskollege Helmut Kukacka (V) brach eine Lanze für Fekters Vorgänger Günter Platter und dessen Beamte. Diese haben seiner Meinung nach im Untersuchungsausschuss alle Vorwürfe "sehr souverän zurückweisen können".

Abgeordneter Gernot Darmann (B) erinnerte daran, dass das BZÖ bereits im Mai 2007 einen gesetzlichen Kriterienkatalog für die Erteilung eines humanitären Bleiberechts beantragt habe. Das BZÖ tritt darin u.a. für einen zumindest fünfjährigen Aufenthalt in Österreich, ausreichende Deutschkenntnisse des Betroffenen und seiner Familienangehörigen, eine Integrationsbestätigung der Wohnsitzgemeinde und gegebenenfalls des Arbeitgebers sowie für die Unbescholtenheit als Kriterien für einen humanitären Aufenthalt ein. Darmanns Fragen betrafen die bevorstehenden Budgetverhandlungen, den Einsatz von mobilen Navigationsgeräten im ländlichen Raum und die öffentliche Zugänglichkeit der geplanten Sexualstraftäterdatei.

Abgeordneter Harald Vilimsky (F) bekräftigte, die Exekutive habe eine "ganz, ganz wundervolle" Arbeit bei der EURO geleistet. Er trat für eine außertourliche Belohnung der eingesetzten Beamten und eine rasche Überstundenzahlung ein. Bei Innenministerin Fekter erkundigte er sich nach dem Anlass für einen Abschiebestopp der Familie Zogaj und dem Erfolg der Grenzkontrollen während der EURO.

Innenministerin Fekter machte geltend, dass neun Monate Zeit seien, um eine verfassungskonforme Lösung für das humanitäre Bleiberecht zu finden. Sie habe Verständnis für die Argumentation des Verfassungsgerichtshofs, dass ein reines Gnadenrecht den rechtsstaatlichen Prinzipien in Österreich widerspreche, sagte sie, gleichzeitig gelte es aber, den zeitlichen Horizont der Verfahren im Auge zu behalten. "Hintennach" noch ein humanitäres Verfahren durchzuführen, komme für sie daher nicht in Frage. Ansonsten gebe es in Bezug auf eine adäquate Lösung kein Denkverbot, betonte Fekter, "selbstverständlich" würden auch die Vorschläge des BZÖ und der Grünen geprüft.

Einen Abschiebestopp bis zur Reparatur des humanitären Aufenthaltrechts wird es nach Darstellung Fekters nicht geben. Was den Fall Zogaj betrifft, sprach sich die Ministerin für eine Familienzusammenführung im Kosovo aus, momentan ist ihr zufolge aber die notwendige Therapie der Mutter ein Abschiebehindernis. Es werde daher derzeit zu keinem Abschiebeverfahren kommen. Die Anzahl der Fälle von humanitärem Aufenthalt bezifferte Fekter mit 1.824 im Jahr 2003, 1.529 im Jahr 2004, 1.016 im Jahr 2005, 403 im Jahr 2006, 545 im Jahr 2007 und 130 in den ersten Monaten im Jahr 2008.

"Gesprächsbereit" zeigte sich Fekter hinsichtlich des Integrationspakets. Integration könne jedenfalls nicht stattfinden, wenn sie von oben verordnet werde, meinte sie. Gleichzeitig begrüßte Fekter den Vorschlag ihres Vorgängers "sehr deutlich", bereits bei der Antragstellung auf Zuwanderung im Ausland den Nachweis von Deutschkenntnissen zu verlangen.

Im Hinblick auf die Schaffung klarer rechtlicher Grundlagen für Online-Durchsuchungen ist Fekter zufolge Justizministerin Berger am Zug. Sie habe keine Probleme damit, auch mit der Überwachung dieser Befugnisse den Rechtsschutzbeauftragten im Innenministerium zu betrauen, skizzierte sie. Der Rechtsschutzbeauftragte habe sich bewährt und werde bereits international kopiert.

Die Zusammenarbeit zwischen Innenministerium und Parlament will Fekter, wie sie betonte, "optimieren". Sie habe bereits als Vorsitzende des Justizausschusses Wert darauf gelegt, keine "unfertigen Regierungsvorlagen" ins Parlament zu bekommen, sowie auf die rechtzeitige Vorlage von Abänderungsanträgen und die Einbindung aller Fraktionen vor den jeweiligen Ausschusssitzung beharrt, konstatierte sie. Das wolle sie als Ministerin für ihren jetzigen Zuständigkeitsbereich ebenso handhaben.

Zur Verhaftung einer Reihe von Tierschützern hielt Fekter fest, sie habe volles Vertrauen in die Justiz bzw. die Staatsanwaltschaft. Als Grund für die Vorgangsweise der Exekutive führte sie an, dass es seit dem Jahr 2006 eine Reihe von Anschlägen und Sachbeschädigungen bei Pharma-, Bekleidungs- und anderen Unternehmen gegeben habe und massive Drohungen gegen dort Beschäftigte ausgesprochen worden seien. Seit 1997 sei ein Schaden von rund 2 Mio. € entstanden. Für weitere Auskünfte sei, so Fekter, das Justizministerium der richtige Ansprechpartner, da die Exekutive nur auf Anordnung der Staatsanwaltschaft tätig sei.

Den EURO-Einsatz bezeichnete Fekter als Erfolg. "Alle Befürchtungen und Schwarzmalereien" seien nicht eingetreten. Die Beamten hätten hervorragend gearbeitet und die 3-D-Philosophie – Dialog, Deeskalation und Durchsetzung – erfolgreich angewandt. Bei 2,4 Millionen Fans, davon eine Million aus dem Ausland, sei es zu lediglich 570 Festnahmen gekommen. Die weitere Bilanz lautet laut Fekter: 37 Zurückschiebungen, 10 Aufenthaltsverbote, 9 Ausweisungen und 10 "Gewalttäter-Treffer". Bei den Grenzkontrollen habe es keine gröberen Vorkommnisse gegeben.

Bei den Budgetverhandlungen werde sie sich für eine Verstärkung des Innenressorts einsetzen, erklärte Fekter. Zudem gehe sie aufgrund der neuen Budgetkriterien – erschwerte Budgetüberschreitungen – von mehr Geld für ihr Ressort aus. Dezidiert wandte sich Fekter dagegen, die geplante Sexualstraftäterdatei öffentlich zugänglich zu machen. Mobile Navigationssysteme seien derzeit in Erprobung. Am Adoptionsrecht will Fekter, wie sie ausführte, grundsätzlich nichts ändern, allerdings soll ein ausdrückliches Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Paare im Sinne der eingetragenen Partnerschaft verankert werden.

Die Bestellung von Franz Lang zu ihrem Kabinettschef begründete Fekter damit, dass sie darauf Wert lege, die besten Leute in der Ressortspitze zu haben.
 
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