Bundespräsident Fischer in der ORF-"Pressestunde"  

erstellt am
14. 07. 08

Heinz Fischer hat Verständnis für Neuwahl
Bundespräsident: Vorsätze konnten nicht eingehalten werden - Regierung habe "unter ihrem Potenzial" gearbeitet
Wien (hofburg) - Bundespräsident Heinz Fischer hat am 14.07. in der ORF-"Pressestunde" Verständnis für das Ende der Großen Koalition geäußert. Erstens hätten die Vorsätze, die sich die Regierung nach der Regierungskrise zu Ostern gesetzt hatte, nicht eingehalten werden können. Und zweitens habe es in der Öffentlichkeit schon "sehr viel Ungeduld und Unzufriedenheit gegeben". Daher habe er Verständnis dafür, wenn man sagt, "versuchen wir es neu, machen wir einen Neustart", so Fischer. "Schuldzuweisungen" mache er keine, denn dies könnte man als Einmischung verstehen. Er wolle das Gemeinsame in den Vordergrund stellen und Brücken bauen, so der Präsident.

Dass er sich noch am 1. Juli klar gegen Neuwahlen ausgesprochen hatte, begründete Heinz Fischer damit, die Aufgabe des Bundespräsidenten sei es, der Regierung Rückhalt zu geben. Er habe sich "peinlich darum bemüht", nicht den Eindruck zu erwecken, er falle der Regierung in den Rücken. Wirklich überraschend sei das Ende der Koalition aber nicht gekommen: "Dass die Stützpfeiler der Koalition immer dünner geworden sind, hat ein Beobachter erkennen können", meinte Heinz Fischer.

Der Bundesregierung attestierte Heinz Fischer, dass diese unter "unter ihrem Potenzial" gearbeitet habe, viele Vorhaben seien stecken geblieben. So habe er etwa Erwartungen im Bereich der Verfassungsreform gehabt. Zwar habe es wichtige Schritte - etwa im Bildungsbereich - gegeben, aber in Summe sei die Regierung "unter den Möglichkeiten" geblieben.

Die Amtszeit von Gusenbauer wollte er Fischer hingegen nicht kommentieren. Dies habe er auch schon beim Abgang von Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel so gehandhabt. Zwar sei es "ungewöhnlich" gewesen, dass er vor dem Brief an die "Krone", in welchem die SPÖ ihren Schwenk in Sachen EU-Abstimmung bekanntgegeben hatte, nicht informiert worden sei. Dies veranlasse ihn aber nicht, "ein Zeugnis zu schreiben", so Fischer. Den Brief von Außenministerin Ursula Plassnik an die "Krone", die Herausgeber Hans Dichand vorgeworfen hatte, ihr ein "unmoralisches Angebot" angeboten zu haben, bezeichnete Fischer als "mutigen, engagierten Brief".

Keine Antwort ließ sich Heinz Fischer auf die Frage entlocken, ob er bestimmten Personen nach der Wahl die Angelobung verweigern würde. Er sehe nicht ein, warum sich ein Bundespräsident vor Vorliegen eines Wahlergebnisses auf eine "fiktive Situation" festlegen solle. "Ich greife nicht in den Wahlkampf ein". Sollte es nach der Wahl eine Dreierkoalition oder eine Minderheitsregierung geben, werde er beiden seine Zustimmung erteilen.

Zurückweisung der Kritik von Erwin Pröll
Nicht gelten lässt Bundespräsident Heinz Fischer die Kritik an seiner Reaktion auf den SPÖ-Brief an die "Kronen Zeitung", mit der Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und der designierte SP-Obmann Werner Faymann den SP-Schwenk in Sachen EU-Volksanstimmung verkündete hatten. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll hatte Fischer ja Parteilichkeit und einen "direkten Draht in die SP-Zentrale" vorgeworden. Man könne ihm viel vorwerfen - beispielsweise, dass er sehr vorsichtig sei in seinen Äußerungen sei. Der Vorwurf der "plumpen Parteilichkeit" tue ihm aber nicht weh, weil dieser sei "nicht wahr", so Fischer in der ORF-"Pressestunde" am Sonntag. Zum Brief selbst merkte er einmal mehr an, dass er "unglücklich" darüber gewesen sei, dass eine derart "wichtige außenpolitische Sache" so abgehandelt wurde. Gleichzeitig meinte er, dass der Brief nur der letzte Auslöser für das Ende der Regierungszusammenarbeit zwischen SPÖ und ÖVP gewesen ist. Hätte die Koalition Hochkonjunktur gehabt, hätte der Brief nicht gleich zum Einsturz geführt, meint der Präsident.

Gefragt, ob er für künftige Abstimmungen über neue Verträge sei, gab sich Fischer gewohnt diplomatisch. Der Vertrag von Lissabon sei ordnungsgemäß zustande gekommen. Für künftige Verträge gelte, dass diese nicht zwingend abgestimmt werden müssten, außer, sie hätten eine Gesamtänderung der Verfassung zur Folge. Beim Lissabonner Vertrag handle es sich seiner Überzeugung nach aber um keine solche Gesamtänderung. Die schlechte EU-Stimmung in Österreich müsse jedenfalls alle, die mit europäischen Angelegenheiten beschäftigt sind, zum Nachdenken bringen, meinte er. Man müsse die Österreicher überzeugen, dass es gute Argumente für die europäische Zusammenarbeit gibt.

Gefragt, ob er 2010 erneut zur Präsidentschaftswahl antreten werde, sagte Heinz Fischer, dies müsse er noch "sorgfältig überlegen".

Quelle: APA 

 

 Swoboda: ÖVP will Bevölkerung in EU-Fragen ausschließen
Negieren der EU-Skepsis schadet Europa massiv - ÖVP soll sich Appell des Bundespräsidenten zu Herzen nehmen
Wien (sk) - "Die SPÖ ist für ein soziales und ein ökologisches Europa. Die SPÖ bekennt sich klar sich zu einem starken Europa, in dem die Bürgerinnen und Bürger mit gestalten können", so SPÖ-Europaabgeordneter Hannes Swoboda gegenüber dem SPÖ-Pressedienst. Die sei auch der wesentliche Unterschied zur ÖVP. "Die ÖVP trägt alles kritiklos mit, was von konservativen und wirtschaftsliberalen Kräften aus den EU-Institutionen kommt und will die Bevölkerung weiterhin in EU-Fragen ausschließen. Das ist der absolut falsche Weg", erklärte Swoboda zu den heutigen Aussagen des 2. Nationalratspräsidenten Spindelegger.

Der SPÖ-Europapolitiker begrüßt die Aussage von Bundespräsident Heinz Fischer, dass die schlechte EU-Stimmung in Österreich alle, die mit europäischen Angelegenheiten beschäftigt sind, zum Nachdenken bringen muss. "Die ÖVP sollte sich diesen Appell zu Herzen nehmen. Denn tatenlos zuzusehen, wie sich die EU-Skepsis immer weiter ausbreitet, schadet Europa massiv." Daher sei es notwendig, dass es in Hinkunft eine konsequente Einbindung der Bevölkerung in die europäische Politik gibt, wie dies laut "Profil"-Umfrage auch eine große Mehrheit der ÖsterreicherInnen will. "Denn das europäische Projekt hat nur dann eine Zukunft, wenn die Bevölkerung es auch aktiv mitgestalten kann."

 

Spindelegger: Fischer unterstützt klare, europäische Haltung Österreichs
Die europäische Perspektive ist eine Überlebensfrage für unser Land
Wien (övp-pk) -
"Bundespräsident Fischer unterstützt die klare, europäische Haltung Österreich", betont der Zweite Nationalrats-Präsident Dr. Michael Spindelegger zu den Aussagen von Bundespräsident Fischer in der ORF-"Pressestunde". "Es ist wichtig, dass Österreich im Ausland mit einer Stimme spricht. Die europäische Perspektive ist eine Überlebensfrage für unser Land", so Spindelegger und weiter: "Parteipolitische Taktik und populistische Tricksereien, wie es die Faymann-SPÖ in der Europafrage zu ihrer politischen Maxime erhoben hat, sind in diesem Zusammenhang völlig fehl am Platz. Somit ist den deutlichen Aussagen unseres Bundespräsidenten nichts hinzuzufügen."

Bemerkenswert ist für den Zweiten Nationalrats-Präsidenten aber, dass "Bundespräsident Fischer die schwere SPÖ-Krise seiner eigenen Partei eingestanden und erkannt hat". Mit seiner Aussage, er könne Molterers "Entschluss verstehen" und es gebe "gute Argumente für einen Neustart", liegt Bundespräsident Fischer ganz auf Linie der ÖVP. "Die immer noch andauernde Krise der Faymann-SPÖ und die aalglatte Politik Faymanns schadet den Menschen, gefährdet den sozialen Frieden und führt Österreich in die Isolation", stellt Spindelegger klar und abschließend: "Umso wichtiger sind Klarheit, Verlässlichkeit, Handlungsfähigkeit und Ehrlichkeit. Das ist das, was Österreich endlich braucht und wofür die ÖVP auch in Zukunft eintritt."

 

 Van der Bellen: Fischer bestätigt spektakuläres Scheitern der großen Koalition
Bundespräsident kritisiert Faymanns Kniefall vor FPÖ
Wien (grüne) - "Bundespräsident Fischer, dezidierter Förderer der großen Koalition, zeigt Einsicht und hat heute das spektakuläre Scheitern der großen Koalition bestätigt", kommentiert der Bundessprecher der Grünen, Alexander van der Bellen die Aussagen von Bundespräsident Fischer in der Pressestunde des ORF. "Die SPÖ/VP-Koalition hat außer Krisen nicht viel produziert. Die anstehenden Probleme der österreichischen Bevölkerung konnten von der großen Koalition nicht gelöst werden."

Die Kritik Fischers am Kniefall Faymanns vor einer Tageszeitung und der FPÖ begrüßt van der Bellen: "Die SPÖ ist mit ihrem Schwenk in die Nähe der EU-Position der FPÖ gerückt. Dass Fischer nichts von dem Brief wusste, ist nicht nur eine stillose Unhöflichkeit der SPÖ-Spitze, sondern lässt auch tief in die innere Zerrüttung der SPÖ blicken", so van der Bellen abschließend.

 

 Strache: Österreicher wollen ihre Souveränität und Neutralität behalten!
Bundespräsident hätte Arbeitsunwilligkeit und permanente Streiterei der Bundesregierung klar verurteilen müssen
Wien (fpd) - FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache wies die Behauptung von Bundespräsident Fischer in der ORF-Pressestunde, wonach keine Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag notwendig sei, entschieden zurück und forderte den Bundespräsidenten auf, seine Unterschrift zurückzuziehen. "Die Österreicher wollen ihre Souveränität und Neutralität behalten", betonte der FPÖ-Obmann. Das habe auch und gerade der Bundespräsident zu akzeptieren. Das EU-Verfassungsdiktat sei nach dem irischen Votum gescheitert und dürfe nicht wiederbelebt werden. Stattdessen müsse man sich für ein föderales Europa der Vaterländer einsetzen anstelle des zentralistischen Brüsseler Molochs.

Strache verwies in diesem Zusammenhang auch darauf, dass der offene Brief von Gusenbauer und Faymann ein reiner Taschenspielertrick gewesen sei, um der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen. In der letzten Nationalratssitzung habe die SPÖ nämlich einen freiheitlichen Antrag, der genau diesen Brief zum Inhalt gehabt habe, abgelehnt.

Der FPÖ-Chef hätte sich von Fischer auch eine klare Verurteilung der Arbeitsunwilligkeit und ständigen Streiterei der Bundesregierung erwartet. Hier nur Verständnis für die Neuwahlen vorzugeben sei zu wenig. Diese Regierung hinterlasse als Bilanz ihres unseligen Wirkens Rekordbelastungen, die den Österreichern die Luft zum Atmen nähmen, erklärte Strache.

 

 Westenthaler: Bundespräsident Fischer auf Crashkurs mit der Bevölkerung!
Der Bundespräsident wolle sich anscheinend nicht mit der rechtlichen Situation rund um den EU-Vertrag nach dem negativen Irland-Referendum beschäftigen
Wien (bzö) -
"Wenn Bundespräsident Fischer heute die direkte Demokratie ablehnt, dann befindet sich der Bundespräsident offensichtlich auf Crashkurs mit der Bevölkerung. Fischer wurde auch direkt in einer nationalen Abstimmung gewählt, sollte also die Demokratie und Mitbestimmung der Österreicherinnen und Österreicher ernst nehmen und nicht einfach vom Tisch wischen", so BZÖ-Chef Klubobmann Peter Westenthaler in einer Reaktion auf die Pressestunde.

Der Bundespräsident wolle sich anscheinend nicht mit der rechtlichen Situation rund um den EU-Vertrag nach dem negativen Irland-Referendum beschäftigen. "Der Vertrag von Lissabon ist tot, denn er MUSS von allen Ländern unverändert ratifiziert werden. Mit dem Irland-Votum ist der Vertrag damit gescheitert". Der Bundespräsident liege damit ein weiteres Mal falsch, wenn er weiterhin am EU-Vertrag festhält. "Ich habe den Herrn Bundespräsidenten in einem persönlichen Gespräch eindringlich davor gewarnt frühzeitig den EU-Vertrag zu unterzeichnen, bevor Irland abgestimmt hat. Mit der Ablehnung des irischen Votums durch den Bundespräsidenten, entpuppt sich damit auch Fischers Unterschrift als ungedeckter Blankoscheck gegen die österreichische Bevölkerung", bekräftigt Westenthaler abschließend.
 
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