Wahltermin 28. September fixiert - Wahlkampf hat bereits begonnen   

erstellt am
14. 07. 08

Wien (öj) - Für den 08.07. sollte eigentlich die Vorstellung der neuen Regierungsmitglieder im Hohen Haus im Vordergrund stehen. Minister Günther Platter „übersiedelte“ vom Innenministerium als Landeshauptmann in die Tiroler Landesregierung - sein Amt wurde von der Volksanwältin und früheren Sicherheitssprecherin der ÖVP, Maria Fekter, übernommen. Der Frauenministerin Doris Bures, sie wurde als SPÖ-Bundesgeschäftsführerin berufen, folgte die bisherige Staatssekretärin im Bundeskanzleramt, Heidrun Silhavy, der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Andreas Schieder übernahm als Staatssekretär die Beamten- und die Verwaltungsreformagenden. Doch die personellen Änderungen in der Regierungsmannschaft geriet in den Hintergrund, im Plenum des Nationalrats wurde Bilanz über die kurze Regierungszeit des Kabinetts Gusenbauer gezogen und der inoffizielle Startschuß für den Wahlkampf gegeben.

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer konstatierte, nach schweren Koalitionsverhandlungen sei man 2007 mit dem wesentlichsten Ziel angetreten, die Arbeitslosigkeit zu senken und mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen. Dies sei gelungen, man habe die Arbeitslosigkeit von 5 auf 4,1 Prozent senken können, die Jugendarbeitslosigkeit sei reduziert und beim Beschäftigungsstand ein neuer Höhepunkt erreicht worden. Gusenbauer erinnerte an weitere Erfolge gestand aber auch ein, daß wesentliche Punkte, wie etwa die Gesundheits- und die Staats- und Verwaltungsreform unerledigt geblieben seien - sie wären am Verhältnis zwischen Bund und Länder gescheitert. Auch hätte die SPÖ die bedarfsorientierte Mindestsicherung gerne realisiert, weil man der Ansicht sei, dass es besser sei, statt Armut zu bezahlen aus der Armut zu helfen und die Menschen zurück in den Arbeitsmarkt zu führen.
Österreich, so Gusenbauer, stehe vor drei zentralen Herausforderungen: Es sei dies vor allem die Teuerungswelle in ganz Europa, besonders bei den Energiepreisen und bei den Nahungsmittelpreisen, eine dringende Bildungsoffensive und, vor allem, die Frage des sozialen Zusammenhaltes. Nicht nur die Menschen mit kleinen Einkommen, sondern auch die Mittelschicht fürchte, dass es wirtschaftlichen Fortschritt gebe, aber man werde nicht mitgenommen.
Die österreichische Sozialdemokratie, so Gusenbauer, setze sich für soziale Fairness ein, man werde sich dafür einsetzen, daß der Mittelstand in Zukunft entlastet werde, daß alle Menschen gleiche Chancen hätten.
SPÖ-Klubobmann Josef Cap ergänzte, die ÖVP sei, statt das Wohl des Landes in den Vordergrund zu stellen, nur vom Gedanken getragen gewesen, was gut für die ÖVP sei.
Eine Bundesregierung könne nicht funktionieren, wenn die ÖVP nach der Wahl im Oktober 2006 meinte, die Bevölkerung habe sich geirrt, nur weil die ÖVP nicht Erster wurde. Daher habe vom ersten Tag ein wesentliches Element zur Partnerschaft gefehlt, so Cap. Es habe in fast allen sozialen Fragen permanenten Widerstand der ÖVP gegeben. Schließlich habe Vizekanzler Molterer keine schlüssige Begründung für die Aufkündigung der Zusammenarbeit nennen können.

ÖVP-Bundesparteiobmann Vizekanzler Wilhelm Molterer erklärte, warum eine neue politische Situation bestehe und warum er die Entscheidung für Neuwahlen getroffen habe: Er sei überzeugt, daß im Land neue politische Verhältnisse geschaffen werden müßten. Die Bundesregierung habe zwar viel geschafft, in den letzten Wochen und Monaten sei allerdings nicht mehr viel weitergegangen, weil wichtige Entscheidungen - etwa im Sicherheits- oder im Sozialbereich - mit der SPÖ nicht mehr möglich gewesen wären. Der Weg der Gemeinsamkeit sei nicht mehr sichtbar gewesen- vor allem in der Auffassung der rot-weiß-roten Politik nach außen. Wenn gemeinsam nichts mehr gehe, müsse in einer Demokratie eine Entscheidung getroffen werden. Diese Entscheidung heiße Neuwahl. Die sei jetzt richtig und notwendig. Die Menschen erwarteten auch eine handlungsfähige Bundesregierung, die Antworten auf wichtige Fragen geben könne. Und das wolle er, Molterer: Klarheit, Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und Handlungsfähigkeit. So müsse um jeden Arbeitsplatz in Österreich gekämpft werden. Wirtschaft sei kein Selbstzweck. Das Konzept der ökosozialen Marktwirtschaft sei dafür richtig, denn dabei seien Wachstum, Nachhaltigkeit und soziale Perspektive gemeinsam gegeben. Dazu gehöre aber auch, daß die Menschen - vor allem den Mittelstand und Familien mit mehr Kindern - entlastet würden.
In der Frage der sozialen Sicherheit müßten bei wichtigen Themen neue Wege gegangen werden, so etwa beim Thema Pflege. Auch der Kampf gegen die Teuerung gehöre zur sozialen Sicherheit. Auch Integration vor Zuwanderung und das Beherrschen der deutschen Sprache, bevor jemand nach Österreich komme, sei eine wichtige Maßnahme. Das sei für uns alle die große neue Herausforderung im wirtschaftlichen und sozialen Sinn. Dazu brauche es eine klare Verantwortlichkeit.
Man brauche auch eine verläßliche und klare Politik für Österreich in Europa. Europa sei nicht der Spielball für populistische Taktiererei. Diese Zukunftsfrage sollte für alle außer Streit stehen. Bei der ÖVP wüßten die Menschen, wie sie dran wären: die ÖVP sei für Europa, das sie dort verbessern wolle, wo es notwendig sei.

Damit war definitiv die Zusammenarbeit der Koalition beendet. Doch nicht ganz, denn die Opposition wollte die beiden großen Parteien dazu „einladen“ noch schnell - ohne Rücksicht auf die im Regierungspakt enthaltene gegenseitige Zusicherung, den jeweils anderen nicht zu überstimmen. So sollte etwa die SPÖ dazu gewonnen werden, noch schnell die Studiengebühren abzuschaffen (eine Forderung, die sie im Wahlkampf 2006 gestellt und ihr jede Menge Ärger aus den eigenen Reihen eingebracht hatte. Doch: nein, es kam nicht dazu: auch wenn die Koalition am Ende sei, würde dieser Teil der Vereinbarung bis zur Auflösung der Regierung halten.

So brachten die Grünen eine ganze Flut an Fristsetzungsanträgen ein, mit denen doch noch der Beschluß von ihnen genehmen Gesetzesinitiativen in der laufenden Plenarwoche ermöglicht werden sollte: An erster Stelle eben die Abschaffung der Studiengebühren, die finanzielle Sanierung der Krankenkassen, Änderung des umstrittenen Sicherheitspolizeigesetzes, der Zivilpakt, eine Beschränkung der Wahlkampfkosten, der "Papa-Monat" sowie eine Entprivilegisierung bei der Stiftungsbesteuerung. Doch der neue SPÖ-Chef Werner Faymann, so ließ die drittstärkste Partei im Hohen Haus verlauten, sei vor einem Beschluß im Parlament zurückgeschreckt und habe weiter an der Umklammerung durch die ÖVP bei wichtigen Themen fest- und die Abgeordneten der SPÖ davon abgehalten, all das zu beschließen, was in der Großen Koalition nicht möglich gewesen sei.

FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache erklärte, die Bundesregierung habe seit ihrem Amtsantritt vieles vorgegaukelt, und der angebliche EU-Schwenk der SPÖ sei nichts als eine weitere Gaukelei, eine Seifenblase und viel Lärm um Nichts. Der offene Brief von Gusenbauer und Faymann an die „Kronen Zeitung“ habe die ÖVP zwar künstlich erregt, man müsse sich aber fragen, warum sie sich eigentlich errege. Denn die SPÖ habe gemeinsam mit der ÖVP und unter tatkräftiger Beihilfe von Grün und Orange gegen die eigene Bevölkerung das EU-Verfassungsdiktat durchgepeitscht und sieben Anträge der FPÖ auf eine Volksabstimmung abgelehnt.
Die SPÖ hingegen habe wahrscheinlich gleichzeitig einen Brief nach Brüssel geschickt, daß man sich dort keine Sorgen zu machen brauche. Der FPÖ-Chef forderte die SPÖ auf, sich für ihr Verhalten gegenüber den Österreichern zu entschuldigen. Sie sei immer Beitragstäter bei der Politik der ÖVP gewesen. Die Wahl im Herbst werde auch zu einer Volksabstimmung über ein freies, souveränes und neutrales Österreich. Wer Österreich stärken wolle, könne das mit einer Stimme für die FPÖ tun, so Strache.

BZÖ-Klubobmann Peter Westenthaler stellte fest, die ÖVP werde erklären müssen, wieso sie sich andauernd gegen eine Mitbestimmung des Volkes ausspreche und dann plötzlich, wo eine Mehrheit des Parlaments und der Bevölkerung eine Volksabstimmung wolle, Neuwahlen vom Zaun breche. Diese Nationalratwahl werde daher auch eine Abstimmung darüber sein, ob die Menschen künftig mitbestimmen dürften oder nicht. Wer den Bürgern in wesentlichen Bereichen - und die Europäische Union sei so ein Bereich - ihre Stimme verweigere, könne nicht erwarten, daß der Bürger dann dieser Partei bei der Nationalratswahl die Stimme gebe. SPÖ-Klubobmann Cap habe nochmals versucht die Koalition zu retten und gemeint, eine Volksabstimmung sei sowieso nur mit Zustimmung der ÖVP möglich. Auch jetzt nach dem Scheitern dieser Regierung krieche die SPÖ unter die Decke der ÖVP und wolle nicht mit der Opposition Entlastungen beschließen. Die SPÖ sei nicht bereit die Studiengebühren abzuschaffen. Das BZÖ hätte auch gerne das Pflegegeld erhöht, die Steuern gesenkt, einen Teuerungsausgleich beschlossen. Die SPÖ habe aber Nein gesagt und wolle sich bis zum Untergang der ÖVP unterwerfen.

In der letzten Plenarsitzung des Parlaments am 10. Juli wurde schließlich von allen Parteien dem Neuwahlantrag stattgegeben und Sonntag, der 28. September 2008, als Termin für die vorgezogene Nationalratswahl beschlossen (siehe „Wichtige Termine“ im Anschluß an diese Zusammenfassung).

Eindeutig werden die bisher im Hohen Haus vertretenen fünf Parteien zur Wahl antreten. Es kann aber recht „bunt“ werden in Österreichs Parteienlandschaft, denn einige - auch neue - Gruppierungen haben angekündigt, sich dem Wähler zu stellen.
Allen voran sei hier der sogenannte "Rebell von Tirol" Fritz Dinkhauser genannt (er hat bei der Landtagswahl am 08.06.2008 mit seinem „Bürgerforum Tirol" beim ersten Antreten gleich 18,30% der Stimmen auf sich vereinen können). Dinkhauser wird versuchen, mit einem Grundmandat in Tirol den Einzug ins Parlament zu schaffen - es werden im reelle Chancen eingeräumt, mit mehr als 7 Prozent ins Hohe Haus einziehen zu können. Er hat zwischenzeitlich Gespräche mit Hans Peter Martin über eine eventuelle gemeinsame Liste geführt (Martin trat bei der EU-Wahl am 13. Juni 2004 an und hat 13,98 Prozent, bei der NR-Wahl am 1. Oktober 2006 aber nur 2,8 Prozent der Stimmen erreicht).

Von anderen politischen Gruppierungen gab es noch keine konkreten Aussagen über eine Kandidatur. Beim Liberalen Forum überlegt man einen Neustart mit möglichen Spitzenkandidaten Heide Schmidt und dem Industriellen Hanspeter Haselsteiner; eine neue Linke Partei für ArbeitnehmerInnen und Jugendliche könnte von einer Gewerkschafterbewegung und der „SLP“ (Sozialistische Linkspartei) gegründet werden; auch die KPÖ wird wieder antreten; Burgschauspieler Karlheinz Hackl denkt über die Gründung der "Soziale Kultur Österreichs" (SKÖ) nach; Karl Nowak von der Anti-EU-Initiative "Rettet Österreich" kündigte deren Kandidatur an. Einer wird im neugewählten Parlament jedenfalls nicht mehr vertreten sein: Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Er erklärte am 10. Juli, er würde für kein Amt mehr kandidieren.

Überlegungen, welche Auswirkungen einen möglichen Einzug mehrerer neuer Parteien ins Parlament haben können, wollen wir dann nach dem 22. August anstellen. Denn spätestens dann müssen die Landeswahlvorschläge bei den Landeswahlbehörden eingelangt sein, damit eine Partei zur Wahl antreten kann. (mm)
 
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