Sieben Wochen vor der Nationalratswahl ...   

erstellt am
11. 08. 08

Wien (öj) - …wurde Verkehrsminister Werner Faymann am 08.08. beim SPÖ-Parteitag im Linzer Designcenter mit 98,36 Prozent der Delegiertenstimmen zum neuen SPÖ-Vorsitzenden gewählt. Er ist damit der achte Parteivorsitzende seit 1945. Zuvor verabschiedete sich Bundeskanzler Alfred Gusenbauer aus der Führung der Partei und zog Bilanz über seine Amtszeit als Regierungs- und Parteichef. Die SPÖ habe Österreich in den letzten eineinhalb Jahren sozial gerechter und lebenswerter gemacht, worauf man stolz sein könne. Entgegen der Agitation seitens der ÖVP werde Österreich in Europa "auch nicht scheel angesehen", sondern gelte als "selbstbewußter und anerkannter Partner". Dieses Österreich mit seiner sozialen Sicherheit sei ein Vorbild für viele Länder in Europa und der ganzen Welt. Gusenbauer zeigte sich zuversichtlich, daß die SPÖ die Wahl am 28. September gewinnen werde und appellierte an die Parteitagsdelegierten, alle Kräfte zu bündeln und gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

Abschließend bedankte sich der scheidende Parteichef bei den Mitgliedern der Bundesregierung, bei den Mitgliedern des Parteivorstandes und des Präsidiums und vor allem bei den vielen tausenden FunktionärInnen, die unermüdlich für die SPÖ im Einsatz waren und sind. Er sei in den letzten Jahren einen Weg gegangen, der nicht unumstritten gewesen sei und der auch Angriffsflächen geboten habe. Und er entschuldige sich für Fehler, die er begangen habe und die "Ihr erdulden musstet", so Gusenbauer in Richtung der Delegierten - bezeichnete Faymann als „die beste Wahl".

Werner Faymann selbst setzte Verteilungsgerechtigkeit, den Kampf gegen die Teuerung, das Bekenntnis zu einer pluralen, offenen Diskussion in der SPÖ, das Nein zu einer Koalition mit der Strache-FPÖ, Europapolitik und aufrichtigen Dank an Gusenbauer als Schwerpunkt seiner Rede. Er bekräftigte, daß das sozialdemokratische Modell einer gerechten, fairen und chancengleichen Gesellschaft heute so gültig sei wie damals - denn soziale Gerechtigkeit werde auch in Zukunft dringend gebraucht.

Unter Gusenbauers Führung seien viele Erfolge in der Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Frauenpolitik erzielt worden, Streit und die Blockaden in den letzten Monaten hätten aber erfolgreiche Leistungen der SPÖ überlagert - mit der Folge, dass die SPÖ derzeit lediglich bei 21 bis 23 Prozent Stimmenanteil liege. Dieser Diagnose müsse offen und ehrlich ins Auge geschaut werden, so Faymann, der sich überzeugt zeigte, daß die Kraft der SPÖ stärker sei. Jetzt gelte es, nicht abzurechnen, sondern den Blick nach vorne zu richten.

ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon bezeichnete den Auftritt Faymanns als "alte Politik statt neuer Wege". Substanzlos und unglaubwürdig - das sei offensichtlich der Faymann-Stil der SPÖ. Wer sich Substanz oder neue Inhalte erwartet habe, sei ernüchtert, wer sich Glaubwürdigkeit erhofft habe, enttäuscht worden. Die Sozialdemokratie gehe mit dem Wahlschlager der letzten Wahl, den Studiengebühren, in die Wahl, sie verlange höhere und neue Steuern wie eh und je, sie propagiere die Gesamtschule der 60er Jahre und vertrete die EU-Position von 1988. Dieser Rückgriff auf uralte Positionen zeige, daß die SPÖ nicht im Stande sei, in die Zukunft zu blicken und sich auf neue Wege einzulassen. Wenig glaubwürdig sei das Motto des Parteitags von den neuen Wegen auch, weil die roten Gewerkschaften wieder das Ruder in der SPÖ übernommen hätten. Damit kehre die SPÖ eindeutig zurück in die Vergangenheit, so Missethon. Gegipfelt habe die Unglaubwürdigkeit auch im Stil, wie Alfred Gusenbauer behandelt worden sei, die Demontage des Parteifreundes und eigenen Bundeskanzlers, durfte Gusenbauer gerade einmal 15 Minuten reden. Die Standing Ovations von Faymann, Häupl, Haider und Burgstaller seien unglaubwürdig und scheinheilig gewesen. Letztlich habe Gusenbauer den meisten Applaus seiner Ära bei seinem Abgang erhalten.

Der Bundesparteisekretär der Grünen, Lothar Lockl, erklärte, Rot-Blau bleibe offenbar auch weiterhin Option für die SPÖ. Faymanns Aussage „Nicht mit dieser Strache-FPÖ“ sei eindeutig zu wenig. Solle denn das heißen, daß es für die SPÖ schon mit einer leicht veränderten Strache-FPÖ gehe? Was seien denn diese Veränderungen? Das sei keine Distanzierung, so Lockl, denn dieses Offenhalten der rot-blauen Option, die niemand wolle, schon gar nicht die WählerInnen der SPÖ. Darüber hinaus spiele die SPÖ weiter mit der Gutgläubigkeit der ÖsterreicherInnen. Das zeige das Wahlmanifest: Ein gebrochenes Wahlversprechen aus der letzten Wahl – nämlich die Abschaffung der Studiengebühren – an die Spitze des neuen Wahlmanifests zu stellen, sei schlicht eine Frotzelei. Die SPÖ hätte die Möglichkeit gehabt, noch vor dem Sommer die Studiengebühren abzuschaffen. Sie habe es nicht gemacht und sie werde es wieder nicht tun. Keine der aufgestellten Forderungen würde in einer neuen Regierung mit der ÖVP umgesetzt und Faymann wisse das, kritisiert Lockl.

FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache meinte, Faymann habe einmal mehr gezeigt, daß sich in der SPÖ nichts geändert habe. Mit seiner Forderung nach einer Steuerreform 2009 habe er überdies schon ein erstes Wahlversprechen gegeben, an dem er, sollte er wieder in eine Regierung kommen, zu messen sein werde. Was von den SPÖ-Wahlversprechen zu halten sei, habe man ja am Beispiel von Gusenbauer gesehen. Völlig unglaubwürdig sei Faymann auch mit seinem Bekenntnis zu Volksabstimmungen über EU-Reformen. Denn in der letzten Plenarwoche habe die SPÖ genau gegen einen diesbezüglichen freiheitlichen Antrag gestimmt, erinnerte Strache. Man versuche nur, der Bevölkerung vor der Wahl Sand in die Augen zu streuen. Interessant sei ja auch, dass Faymann von Volksabstimmungen nur bei "größeren" Vertragsänderungen spreche. Damit lasse er sich eine Hintertür offen, denn was unter "größeren" Änderungen zu verstehen sei, bestimme dann wohl die SPÖ. Faymann sei ein aalglatter Karrierepolitiker, dem es nur um Ämter und nicht um Inhalte gehe, so Strache. Und in der Regierung habe er alle unsozialen Maßnahmen mitgetragen.

BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz stellte fest, die SPÖ habe nichts aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Die SPÖ-Kandidatenliste beweise deutlich, dass sich - außer dem politischen Mord an Alfred Gusenbauer - in der SPÖ nichts geändert habe. Das alte Umfaller- und Wahllügenteam kandidiert wieder und stehe dafür, daß die SPÖ auch weiterhin die Menschen belüge und betrüge. Die SPÖ agiere wieder wie im Wahlkampf 2006: Den Menschen werde alles versprochen, aber halten würden die Genossen nichts. Die Wahlversprecher würden wieder reiten, aber diesmal in den Untergang, denn die Österreicherinnen und Österreicher wüßten, daß ein SPÖ-Versprechen weniger wert sei, als das Papier, auf dem es geschrieben sei. Selbst die eigenen Parteifunktionäre würden der SPÖ-Führung nicht mehr glauben, wie die äußerst matte Reaktion der Delegierten auf Faymanns Parteitagsrede deutlich zeige, wo es nicht einmal zwei Minuten Applaus gegeben habe. Faymann trage nun offiziell die Verantwortung für die Zukunft der SPÖ und suche sein Heil in den Fehlern der Vergangenheit. Schon Molterer habe gezeigt, daß eine gute Nummer Zwei keine gute Nummer Eins sein müsse, Faymann mache es ihm völlig nach, so Grosz.

Alexander Zach, Bundessprecher des Liberalen Forums, reagierte enttäuscht auf die Rede Faymanns in Linz: Die Bilanz der großen Koalition unter SPÖ-Führung sei mager, diese Politik der Versäumnisse setze Werner Faymann jetzt fort. Die Forderung des neuen SPÖ-Vorsitzenden nach einem gerechten sozialen Zukunftsmodell hält Zach für nicht ausreichend und fordert eine bedingungslose Grundsicherung für alle Menschen in Österreich: Die SPÖ habe mit der Mindestsicherung einen kleinen Schritt in die richtige Richtung gesetzt, sei aber steckengeblieben. Um soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten, bedürfe es der Einführung einer Grundsicherung mit Rechtsanspruch für alle Menschen in Österreich, sowie eine nachhaltigen Steuerreform, die über wirkungslose Wahlzuckerl hinausgehe. Zach betonte daher die Wichtigkeit dieser Nationalratswahl, die zu wichtig sei, um den eingefahrenen Kurs fortzusetzen, das LIF wolle daher neue Optionen für Österreich schaffen. (mm)
 
zurück