Bakterien mit Kettenhemd   

erstellt am
06. 08. 08

MolekularbiologInnen der Uni Graz untersuchen die Oberflächenstrukturen der winzigen Organismen
Graz (universität) - In der gegenwärtigen Wellness-Welt haben Bakterien keinen guten Ruf. Dabei könnten Menschen ohne diese mikroskopisch kleinen, einzelligen Organismen gar nicht überleben. Spezielle Arten bilden zum Beispiel einen Schutzmantel auf der menschlichen Haut. Gleichzeitig müssen sich Bakterien auch selbst gegen Angriffe von außen verteidigen. Ein ForscherInnenteam vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Karl-Franzens-Universität Graz untersucht die schützende Oberflächenstruktur dieser Organismen – erste Ergebnisse wurden in der jüngsten Ausgabe des international renommierten Magazins für Strukturbiologie „Structure“ veröffentlicht.

Projektleiter Ao.Univ.-Prof. Dr. Walter Keller, Co-Autor des soeben erschienenen Artikels, erklärt: „Bakterien bilden auf ihrer äußersten Zellwand so genannte ‚Surface-layers’, kurz S-layers. Das sind Oberflächenstrukturen aus Proteinen, die für die Bakterien sehr wichtig sein müssen, da sie bis zu zehn Prozent des Gesamtproteins ausmachen und mit einem enormen Aufwand produziert werden.“ Das Team um Walter Keller, das aus Grazer, Wiener und Hamburger Struktur- und MolekularbiologInnen besteht, beschäftigt sich mit der Frage, welche Aufgaben S-layers erfüllen und erforschen weitgehend deren Struktur und Bindungsverhalten.

Der wissenschaftliche Artikel in „Structure“ beschäftigt sich vor allem mit der Frage, wie die Zusammensetzung (Assemblierung) der S-Layer-Proteine funktioniert und wie sie sich gezielt beeinflussen lässt. Erstmals gelang es Dr. Tea Pavkov mit Hilfe der Kristallographie eine Teilstruktur des S-Layer-Proteins mit höchster Auflösung darzustellen. „Man kann sich das Verhältnis von Bakterium und S-layer vorstellen wie das eines Ritters zu seinem Kettenhemd“, so die Wissenschafterin. „S-layers funktionieren wie Siebe, die das notwendige Material, wie zum Beispiel Nahrungsmittelmoleküle, in das Innere des Organismus vordringen lassen. Schadstoffe werden hingegen abgewehrt. S-layers interagieren aber auch mit anderen Zellen des Wirtes, zum Beispiel des Menschen und stimulieren etwa die körpereigenen Abwehrkräfte. Ein berühmtes Beispiel hierfür sind die vielgepriesenen Milchsäurebakterien.“

Im nächsten Schritt wollen die ForscherInnen nun mit Hilfe der cryo-Elektronen-Mikroskopie die Struktur des gesamten S-layer in einem bestimmten Bodenbakterium nachweisen. „Der Großteil der gesamten Biomasse auf der Welt besteht aus Bakterien“, sagt Keller, „und doch geben uns diese Organismen nach wie vor Rätsel auf.“
 
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