Österreichische multinationale Unternehmen überdurchschnittlich groß und expansiv   

erstellt am
26. 08. 08

Wien (wifo) - Heimische Unternehmen mit mindestens einem Tochterunternehmen im Ausland beschäftigen im Durchschnitt 115 Arbeitskräfte, gegenüber 81 im europäischen Durchschnitt. Ihr Umsatz wuchs zwischen 2000 und 2004 um 4,3% gegenüber +3,8% pro Jahr. Österreichs multinationale Unternehmen wuchsen demnach etwas stärker und sind größer als im europäischen Durchschnitt, während die Töchterunternehmen jünger sind. Eine Studie des WIFO im Rahmen des Forschungsschwerpunktes Internationale Wirtschaft (FIW) zeigt, dass der Zuwachs der heimischen Beschäftigung bei den Mutterunternehmen durch die Aktivitäten von Tochterunternehmen in anderen westeuropäischen EU-Ländern gebremst wurde. Anders ist die Situation bei Tochterunternehmen in Ostmitteleuropa: von dort gingen nur sehr schwache dämpfende Effekte auf die Beschäftigtenzahl in Österreich aus.

Das WIFO untersuchte die Charakteristika und Determinanten des Umsatz- und Beschäftigungswachstums von über 20.000 europäischen multinationalen Unternehmen für den Zeitraum 2000/2004 (davon rund 400 österreichische multinationale Unternehmen). Am größten sind die multinationalen Unternehmen in der Schweiz, in Großbritannien und den Niederlanden. Die Umsätze der österreichischen multinationalen Unternehmen im Inland wuchsen mit +4,3% pro Jahr (Median) kräftiger als in Westeuropa (+3,8% pro Jahr). Am stärksten expandierten die multinationalen Unternehmen in Irland, Griechenland, Spanien und Finnland, am schwächsten in der Schweiz.

Ein weiteres Charakteristikum österreichischer Unternehmen ist das relativ geringe Durchschnittsalter der ausländischen Tochterunternehmen: Der Median des Gründungsjahrs beträgt 1994, für das gesamte Sample 1990. Nur in Irland, Griechenland und Norwegen sind die Tochterunternehmen ähnlich jung.

Aus der empirischen Analyse ergibt sich zudem, dass kleine bzw. mittelgroße multinationale Unternehmen schneller wachsen als große. Das Wachstum hängt auch signifikant vom durchschnittlichen Gründungsjahr der Tochterunternehmen ab: Je früher die Tochterunternehmen gegründet wurden, desto höher ist die Wachstumsrate des Mutterkonzerns.

Die Auswirkungen der Auslandsaktivitäten multinationaler Unternehmen auf die Beschäftigung im Mutterunternehmen wurden ebenfalls untersucht. Dazu wurden sowohl das relative Lohn- als auch das Beschäftigungsverhältnis herangezogen. Bisherige Analysen verwendeten häufig entweder nur Informationen über die Beschäftigung, nicht aber über die Löhne oder Löhne nur auf aggregierter Ebene. Hauptergebnis der empirischen Analyse ist, dass in- und ausländische Beschäftigung Substitute sind. Dies gilt sowohl für Unternehmen in der Sachgüterzeugung als auch im Dienstleistungsbereich. Allerdings ist das Substitutionsverhältnis zwischen dem Beschäftigtenstab der Mutterunternehmen und jenem der Tochterunternehmen in der EU 15 stärker als gegenüber den Tochterunternehmen in Ostmitteleuropa. Relative Lohnkostenvorteile sind damit ein untergeordneter Erklärungsfaktor für den teilweise hohen Personalbestand in den Tochtergesellschaften in Ostmitteleuropa. Ohnehin wird dieses Motiv in Zukunft an Bedeutung verlieren, da die Lohnkostenvorteile dieser Region mit der Zeit schwinden.

Die Studie zeigt auch, dass eine Zunahme österreichischer Exporte langfristig eine Steigerung der Direktinvestitionen im Ausland nach sich zieht. Umgekehrt bewirkt eine Steigerung der österreichischen Direktinvestitionen keine Steigerung der Exporte, aber auch keine Exporteinbußen. Für Ostmitteleuropa ergibt sich ebenfalls ein positiver Effekt eines Anstiegs der Exporte auf die Direktinvestitionen österreichischer Unternehmen, umgekehrt gilt aber ein neutraler Zusammenhang. Die Befürchtung, Direktinvestitionen nach Ostmitteleuropa würden Exporte in diese Region ersetzen, sind damit unbegründet, wie eine neue empirische Untersuchung zum Zusammenhang zwischen ausländischen Direktinvestitionen (Direktinvestitionsbestand) und Warenexporten für sieben EU-Länder auf Basis von Sektordaten für die letzten 15 Jahre zeigt. Dabei wurde zwischen sechs Zielregionen für Exporte und Direktinvestitionen differenziert (EU 15, Ostmitteleuropa, andere Industrieländer, Lateinamerika, Asien ohne Japan).

Schließlich wurden die Bestimmungsfaktoren der Handelsbilanz für die Industrieländer und für Österreich analysiert. Demnach hängt der Handelsbilanzsaldo im Durchschnitt positiv vom ausländischen realen BIP pro Kopf und negativ vom inländischen realen BIP pro Kopf ab. Eine Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit (gemessen an der Veränderung des realen Wechselkursindex der um die Lohnstückkostenrelation zwischen Inland und Ausland bereinigt wurde) hat einen positiven Einfluss auf die Handelsbilanz. Ein Abbau des Defizits der öffentlichen Haushalte hat ebenfalls einen positiven Einfluss, welcher allerdings nicht robust ist und stark zwischen den Ländern schwankt. Für Österreich haben die preisliche Wettbewerbsfähigkeit, das reale BIP pro Kopf der Handelspartner und der Primärsaldo des Staates einen im Ländervergleich überdurchschnittlich hohen Effekt auf die Handelsbilanz: Eine Steigerung des BIP der Handelspartner pro Kopf um 1% verbessert den Handelsbilanzsaldo in Österreich um 0,3% des BIP. Eine Verbesserung der Primärsaldos um 1 Prozentpunkt verbessert den Außenhandelssaldo ebenfalls um 0,3% des BIP. Eine Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit um 1% bewirkt eine Steigerung des Handelsbilanzsaldos um 0,2% des BIP.

Österreichs Handelsbilanz profitierte jedoch von der Beschleunigung des Wirtschaftswachstums unterproportional. Dies ist vor allem auf das schwache Pro-Kopf-Wachstum einiger wichtiger Handelspartner Österreichs (Deutschland, Italien, Schweiz) zurückzuführen.
 
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