Finanzmärkte brauchen Regeln   

erstellt am
25. 09. 08

Die Krise der internationalen Finanzmärkte treibt die Europa-Abgeordneten um - Bessere Regeln für mehr Transparenz gefordert
Brüssel (ec.europe) - In der Aussprache zu aktuellen Themen widmete sich das Europäische Parlament am Nachmittag des 24.09. der Krise der internationalen Finanzmärkte und deren Auswirkungen auf die EU. Der Vorsitzende im Rat, der französische Europaminister Jean-Pierre Jouyet sagte zu Beginn der Debatte, dass dies nicht nur eine "US-Krise, sondern eine Krise des internationalen Finanzsystems insgesamt" sei. Ein starkes und geeintes Europa sei nun so notwendig wie selten zuvor. Es sei nicht geplant, ein Rettungsprogramm wie in den USA zu lancieren. Dieses sei hier nicht notwendig, da das europäische Bankensystem insgesamt solide sei. Man müsse nun, so der Minister, pragmatisch vorgehen. Eine Priorität der französischen Ratspräsidentschaft sei, Vorschläge zur Regulierung von Ratingagenturen, zur Kontrolle der Banken und von Bilanzierungsvorschriften vorzulegen. "Das laissez-faire darf nicht fortgesetzt werden, es wäre ein schlimmer Fehler und auch ein Verstoß gegen den gesunden Menschenverstand", so Jouyet.

Global Governance ausgestalten
Wirtschafts- und Währungskommissar Joaquín Almunia sagte, die Krise habe eine Tragweite erreicht, die "alles überschreitet, was wir in unserem Leben gesehen haben". Almunia stellte dar, dass die Finanzkrise auch die Wirtschaftsentwicklung in Europa dämpfen werde. Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum der Euro-Zone und für die Inflation sind bereits angepasst worden. Almunia plädierte dafür, die Haushaltsdisziplin nicht zu lockern und den durch die Lissabonner Strategie vorgezeichneten Weg weiter zu beschreiten. Im Übrigen sei es wichtig, die Global Governance, das heißt ein weltweites System zur Regulierung der Finanzmärkte, auszugestalten. Europa könne hierbei eine führende Rolle übernehmen, müsste jedoch zuvor selbst einig sein.

Europa muss eigenen Weg gehen
Der deutsche CDU-Europa-Abgeordnete Alexander RADWAN, der für die EVP-ED-Fraktion sprach, glaubte sich im "falschen Film". Man werde schnell handeln, heiße es von Seiten des Rates und der Kommission, derweil jedoch sei es der Markt, der schnell reagiere und reagiert habe. Radwan kritisierte scharf, dass die Kommission sich mit der amerikanischen Börsenaufsicht SEC abstimmen wolle. Dies sei der falsche Weg: "Europa muss einen eigenen Weg gehen und machen, was wir für richtig halten. Die Amerikaner können uns dann folgen, wenn sie das für richtig halten." Radwan erinnerte auch daran, dass Europäische Parlament bereits 2003 gefordert hat, Ratingagenturen einer einheitlichen Regulierung zu unterwerfen. Erst jetzt, also fünf Jahre später, bekomme man einen entsprechenden Vorschlag von der Kommission auf den Tisch. Doch auch "was der Rat bislang geliefert hat, war blamabel." Der Rat, so Radwan, müsse endlich über seinen eigenen Schatten springen und anfangen, europäisch zu denken.

"Bankrott einer ökonomischen Philosophie"
Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion, der deutsche Europa-Abgeordnete Martin SCHULZ stellte fest, nun erlebe man nicht nur den Konkurs von Investmentbanken, sondern "den Bankrott einer ökonomischen Philosophie." Schulz erwartet von der EU-Kommission bis spätestens zum Frühjahr 2009 konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Transparenz der Finanzmärkte aber auch dazu, wie eine Entkoppelung der Managergehälter von kurzfristigen Gewinnen möglich sei. Diese "Spekulationsmilliarden" seien es letztlich, die das System und mit ihm auch ganze Unternehmen mit Abertausenden von Arbeitsplätzen in den Abgrund stürzten. Zuvorderst aber müsse man handeln in einem Bereich, der besonders "pervers" sei. Dies betreffe die Anlagen auf steigende Lebensmittelpreise. Solche Anlagen setzten letztlich auf eine Verknappung von Lebensmitteln und damit werde der "Hunger in der Welt zum Profit von anderen". Es müssten somit Regeln geschaffen werden, die eine humane und soziale Menschheitsentwicklung garantieren.

Keine Abkehr vom freien Unternehmertum
Im Namen der Liberalen-Fraktion sagte die deutsche Europa-Abgeordnete Silvana KOCH-MEHRIN, man müsse nun die Krise genau analysieren. Die Antwort könne nicht eine Abkehr vom freien Unternehmertum sein, so Koch-Mehrin. Sie erinnerte an die Lehren von Ludwig Erhard. Demnach solle der Staat die Regeln setzen, sich aber wie ein Schiedsrichter verhalten und eben nicht selbst mitspielen. Nicht die Marktwirtschaft an sich sei Schuld an der Krise, sondern jene Marktteilnehmer, die sich den Regeln nicht unterwerfen. "Wir brauchen gemeinsame Regeln für Transparenz und zwar für Europa und die Welt. Aber mit Augenmaß", so Koch-Mehrin.

Für die Fraktion der UEN betonte der irische Abgeordnete Eoin RYAN, man dürfe nun nicht in Panik geraten. "Wir müssen tätig werden", und es müsse insbesondere für mehr Transparenz gesorgt werden. Einige Schritte seien bereits gemacht und im Wesentlichen müsse man darauf achten, Bürger und Unternehmen von den Auswirkungen derartiger Verwerfungen zu schützen.

Existenzkrise des Systems
Für die Fraktion der GUE-NGL sprach der französische Europa-Abgeordnete Francis WURTZ. Er sagte, die Freizügigkeit des Kapitals habe "diabolische Mechanismen" in Gang gesetzt, die nun nicht mehr zu beherrschen seien. "Wenn ein System merkt, dass die eigenen Kreaturen entarten, dann ist das schlicht eine Existenzkrise." Nun brauche man einen echten Bruch. Zudem müsse die Süffisanz und Herblassung einer kleinen Elite geändert werden, die den Bürgern lange erklärte, es gäbe keine Alternativen zu Deregulierung und freien Märkten.

Hanne DAHL, dänische Abgeordnete der Fraktion IND-DEM, sagte, man müsse sich von dem Gedanken verabschieden, die Freizügigkeit des Kapitals sei vorteilhaft. Dies sei sie nur "für Spekulanten und Steuerbetrüger." Die Banken müssten nun selbst einen Weg aus dem Crash finden, es sei nicht Aufgabe des Steuerzahlers hier einzuspringen.

Mit Augenmaß vorgehen

Der deutsche FDP-Abgeordnete Wolf KLINZ sagte, eine Illusion sei zusammengebrochen, nämlich jene, dass ein hoher Lebensstandard auf Pump möglich wäre. In Europa könnte man davon lernen. So gebe es zur Sanierung der öffentlichen Haushalte keine Alternative und auch billiges Zentralbank-Geld helfe nicht, sondern führe in die Krise. Es müssten nun mit Augenmaß und Umsicht Regeln geschaffen werden.

Der CDU-Abgeordnete Karsten Friedrich HOPPENSTEDT sagte, man werde auch künftig nicht vor allen bösen Überraschungen gefeit sein. Regulierung und Transparenz müssten verbessert werden.
 
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