Direktinvestitionen überspringen die 100-Mrd-Euro-Grenze   

erstellt am
24. 09. 08

Ergebnisse der Direktinvestitionsbefragung 2006
Wien (oenb) - Im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz der Oesterreichischen Nationalbank und der UNCTAD wurde am 24.09. der jüngste World Investment Report in Wien präsentiert. Gleichzeitig stellte Dr. Aurel Schubert, Direktor der zuständigen Hauptabteilung Statistik, die Ergebnisse der jährlichen Direktinvestitionserhebung der OeNB vor. Zum Jahreswechsel 2006/07 belief sich der Wert strategischer Firmenbeteiligungen von Österreichern im Ausland – bewertet zu Marktpreisen – auf 80 Mrd Euro. Der Wert der passiven Direktinvestitionsbestände betrug 84 Mrd Euro. Angesichts von Neuinvestitionen von mehr als 20 Mrd Euro im Jahr 2007 dürfte daher der Bestand aktiver wie passiver Direktinvestitionen mittlerweise die 100-Milliarden-Grenze überschritten haben. Eine erstmals angestellte Analyse zeigt, dass etwa ein Drittel der aktiven österreichischen Direktinvestitionen auf regionale Hauptquartiere multinationaler Konzerne zurückzuführen ist, während zwei Drittel der Investitionen von „echt österreichischen“ Konzernen stammen. Mit rund 480.000 „österreichischen Arbeitsplätzen im Ausland“ arbeiteten 2006 mehr als doppelt so viele Ausländer für österreichische Firmen im Ausland wie Österreicher in ausländisch beeinflussten Unternehmen (230.000).

Für einen internationalen Vergleich setzte Direktor Schubert die Direktinvestitionen Österreichs in Beziehung zum BIP. Der Wert der aktiven Direktinvestitionen beträgt 31,2% des BIP, jener der passiven Direktinvestitionen 32,8% des BIP. Damit liegt Österreich zwar bereits deutlich über dem weltweiten Durchschnitt von 25%, aber immer noch hinter dem EU-Mittelwert (45% aktiv und 38% passiv).

Ein besonders guter Indikator für die Beurteilung der realwirtschaftlichen Bedeutung von Direktinvestitionen sind die Beschäftigtenzahlen. Zum Jahreswechsel 2006/07 arbeiteten beinahe 479.000 Personen (+10,9%) im Ausland für Unternehmen, die österreichische Anteilseigner haben. Das ist mehr als das Zweifache der Zahl an Österreichern, die in unmittelbar in ausländischem Besitz stehenden Unternehmen in Österreich arbeiten (237.000 bzw. +7,6%).

Als besonders bezeichnete Direktor Schubert die Rekorderträge von 7,5 Mrd Euro, die österreichischen Auslandstöchter im Berichtsjahr erwirtschafteten. Wie schon 2003 und 2004 übertrafen sie die Erträge der ausländischen Unternehmen in Österreich (7 Mrd Euro). Mit einer Eigenkapitalrentabilität von 12,5 Prozent konnten die heimischen Auslandsbeteiligungen erstmals mit den ausländischen gleichziehen – ein Ergebnis, das sich erfreulich von den Verlusten abhebt, die österreichische Direktinvestitionsunternehmen in den frühen 90er Jahren erzielten.

Deutschland bleibt wichtigster Partner – Osteuropa gewinnt an Bedeutung
Die bedeutendste Änderung bei den passiven Direktinvestitionen war 2006 die Übernahme der bayerischen HypoVereinsbank durch die italienische Unicredit. Die unmittelbaren Eigentumsverhältnisse der BankAustria-Creditanstalt hatten sich zwar nicht geändert, dank der „Stammhausbereinigung“, der Zuordnung der passiven Direktinvestitionen zu ihren Letzteigentümern, kam es jedoch zu einer markanten Verschiebung zwischen Deutschland und Italien: Deutschland bleibt mit 24 Mrd Euro an Unternehmensbesitz und einem Anteil von 29% wichtigster Investor in Österreich, Italien liegt mit 19 Mrd Euro bzw. einem Anteil von 23% aber bereits „in Sichtweite“.

Bei den aktiven Direktinvestitionen konnte Deutschland seine Rolle als wichtigstes Partnerland was Anzahl (458) und Wert (11,1 Mrd Euro) der Direktinvestitionen betrifft nicht nur behaupten, sondern sogar ausbauen (+3,9 Mrd Euro, was ein Fünftel des Gesamtzuwachses ausmacht). Realwirtschaftlich bedeutsamer ist – nach den Aussagen Direktor Schuberts – die Festigung von Österreichs Position als wichtiger Investor in Zentral- und Osteuropa. Von 3.273 erfassten Auslandsbeteiligungen lagen zu Jahresbeginn 2007 mehr als die Hälfte, nämlich 1.725, in der Region Mittel-, Ost- und Südosteuropa (MOEL-19), wertmäßig waren es 37 von 80 Mrd Euro und von den 479.000 Auslandsbeschäftigten arbeiteten sogar 345.000 (72%) in dieser bevorzugten Zielregion heimischer Investoren. Schwerpunkte des Beschäftigungszuwachses im Jahr 2006 waren Russland und Rumänien vor Serbien und der Ukraine. Am fünften Platz lag als einziges westeuropäisches Land das Vereinigte Königreich (+3.100 Beschäftigte in österreichischen Auslandsfirmen). Abgesehen von China, wo österreichische Firmen ihre Aktivitäten 2006 nahezu verdoppelt haben (von 3.700 auf 6.800 Beschäftigte), folgen bis zum 12. Platz ausschließlich weitere Länder des MOEL-Raumes.

Erstmals Daten über Brückenköpfe: Ein Drittel der Direktinvestitionen entfällt auf ausländische Multis
Abschließend ging Direktor Schubert auf die Frage ein, wie hoch die „wirklich österreichischen“ Direktinvestitionen seien. Die Umfrage 2006 erlaubt erstmals zuverlässige Angaben über die Rolle ausländisch kontrollierter multinationaler Konzerne unter den Direktinvestoren Österreichs: Als „regionales Headquarter“ oder „Brückenkopf“ zählen dabei direkt oder indirekt unter mehrheitlicher Auslandskontrolle stehende Investoren. Von 1.006 meldenden Unternehmen sind nach dieser Definition 278 „ausländisch kontrolliert“. Sie halten 905 der insgesamt 3.273 erfassten Auslandsbeteiligungen. Wertmäßig entfallen 29 der 80 Mrd Euro aktiver Direktinvestitionen auf ausländische Multis und von den Auslandsbeschäftigten sind es 162.000 von 479.000. Mit anderen Worten heißt dies, dass rund zwei Drittel der Direktinvestition auf „echt österreichische“ Unternehmen, Stiftungen oder Privatpersonen entfallen.

Technische Anmerkung: Mit der Neugestaltung der Direktinvestitionsbefragung 2006 fand das umfassende Projekt der Umstellung der außenwirtschaftlichen Erhebungssystems der OeNB seinen Abschluss. Wesentliche Änderungen betreffen die Verwendung von Börsekursen bei der Bewertung von börsennotierten Aktiengesellschaften, die Ausweitung der Begriffs „sonstiges Direktinvestitionskapital“, die gesonderte Ausweisung von „Special Purpose Entities“ – das sind ausländisch kontrollierte Holdinggesellschaften ohne wirtschaftliche Aktivität in Österreich, sowie eine geänderte Auswahl „indirekter Direktinvestitionsunternehmen. Rückrechnungen konnten nur hinsichtlich der Marktpreisbewertung von börsennotierten Aktiengesellschaften vorgenommen werden. Da außerdem zur Entlastung der Respondenten die Meldegrenzen leicht angehoben wurden, sind unmittelbare Vergleiche mit dem Vorjahr nur eingeschränkt möglich.
 
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