Bundeskanzler Gusenbauer in der ORF-"Pressestunde"  

erstellt am
06. 10. 08

 Gusenbauer: Neue Regierung braucht Willen zur Zusammenarbeit statt "Machtspielchen"
Zu EU: Permanentes Diskreditieren von Volksabstimmungen ist falsch
Wien (sk) - Für eine "Koalition der Vernunft und Erneuerung" mit der ÖVP sprach sich Bundeskanzler Alfred Gusenbauer am 05.10. in der ORF-"Pressestunde" aus. Wünschenswert wäre eine "Regierung, die durch den Willen zur Zusammenarbeit geprägt ist" und nicht von "Konflikt und machtpolitischen Spielchen", für die die Bevölkerung angesichts der anstehenden Herausforderungen kein Verständnis hätte. Zum Thema Europäische Union betonte Gusenbauer, daß er voll zum Lissabon-Vertrag, den er verhandelt hat, stehe; "sollte es aber zukünftig zu Verträgen von ähnlicher Qualität kommen, sollen Parlament und Österreichs Bevölkerung gemeinsam entscheiden", so Gusenbauers Plädoyer dafür, mit den Menschen in Dialog zu treten. Das "permanente Diskreditieren von Volksabstimmungen" hält der Bundeskanzler dabei für "falsch".

In einer neuen Koalition der Vernunft solle es auch möglich sein, daß sich beide Parteien "in den Ergebnissen wiederfinden" und beide Parteien ihre jeweiligen Stärken und Profile gegenüber der Wählerschaft stärken können, so Gusenbauer. Weiters habe er "den Eindruck, daß mit der Wahl von Josef Pröll der Versuch unternommen wird, daß es eine Zusammenarbeit zwischen SPÖ und ÖVP in einer neuen Form geben könnte", unterstrich Gusenbauer, der daran erinnerte, daß das "schwarz-bunte Abenteuer schon einmal kläglich gescheitert ist".

Die letzten 18 Monate seien gekennzeichnet gewesen von einer Strategie der ÖVP, die darin bestand, jeden Erfolg dieser Bundesregierung zu verhindern. "Die ÖVP war Hauptbetreiber dieser Blockadepolitik", durch die viel Zeit verloren ging, die für die Menschen und ihre Anliegen genutzt werden hätte können, so Gusenbauer, der weiters festhielt, daß die Abneigung der Bevölkerung gegenüber der Politik auch deshalb entstand, weil "es bei der Teuerung zu keiner Einigung kam". "Wäre die ÖVP so zur Zusammenarbeit bereit gewesen wie ich, wäre den Menschen Vieles erspart geblieben", zeigte sich der Bundeskanzler überzeugt.

Wahlergebnis als Ausdruck des Protests
Das Wahlergebnis, das für den Bundeskanzler weder "glorreich", noch eine "besondere Katastrophe" ist, bedeutet für Gusenbauer weniger einen "massiven Rechtruck" als einen Protest gegen die letzten 18 Monate. Die hohe Attraktivität der FPÖ bei Jugendlichen sei ein "alarmierendes Zeichen", betonte Gusenbauer, der die Motive im Protest, der Diskussion in der Ausländerpolitik sowie in der Inszenierung des FPÖ-Wahlkampfes sieht.

Wenn Volksabstimmung über Türkei, dann auch Volksabstimmung über neue EU-Verträge berechtigt
Einmal mehr plädierte Gusenbauer dafür, das Thema Europa den Menschen näherzubringen, hier sei das Instrument von Volksabstimmungen geeignet, um einen "gewissen Druck auf die Politik auszuüben, mit den Menschen zu kommunizieren". Auch seien Volksabstimmungen vom österreichischen Verfassungsgesetzgeber vorgesehen, so Gusenbauer, der weiters festhielt, daß man in Österreich mit Volksabstimmungen auch nicht so zurückhaltend sein müsse wie bisher. "Wenn es eine Volksabstimmung über den Türkei-Beitritt geben soll, dann ist es zumindest ebenso berechtigt, eine Volksabstimmung über einen Vertrag von ähnlicher Qualität wie Lissabon durchzuführen", so Gusenbauer, der bekräftigte, daß es gerade angesichts der Finanzmarktkrise klar sei, daß "wir ein anderes, ein sozialeres Europa brauchen".

Zur Frage des EU-Beitritts von Kroatien erklärte Bundeskanzler Gusenbauer, daß SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann klar gesagt habe, "der Beitritt Kroatiens ist im Parlament zu ratifizieren und nicht mit einer Volksabstimmung".

Befragt zu seiner persönlichen Zukunft hielt Gusenbauer fest, daß er "sein Amt als Bundeskanzler zu 100 Prozent wahrnehmen wird, bis eine neue Regierung im Amt ist". Der nächsten Bundesregierung werde er nicht angehören, so Gusenbauer, der seine nächste Beschäftigung entweder in der "internationalen Wirtschaft bzw. in der internationalen oder europäischen Politik oder Wissenschaft" sieht.

 

 Walter: Abrechnung eines an seiner eigenen Partei gescheiterten Bundeskanzlers
Skeptisch, ob neue SPÖ-Führung mutiges Zukunftsprogramm durchtragen kann
Wien (övp-pd) - "Das Scheitern der alten großen Koalition einseitig der ÖVP in die Schuhe schieben zu wollen, erscheint als der durchsichtige Versuch, einer trotzigen Abrechnung und Legendenbildung", so der ÖVP-Wien Landesgeschäftsführer Norbert Walter zur Pressestunde mit Bundeskanzler Gusenbauer. "Gusenbauer ist an seiner eigenen Partei gescheitert und wurde schließlich auch von ihr demontiert. Es wird nun darauf ankommen, ob die neue SPÖ-Führung, besser als Gusenbauer, in der Lage sein wird, mutig ein modernes Zukunftsprogramm für Österreich nicht nur anzukündigen, sondern auch in der eigenen Partei - inklusive neu erstarktem Gewerkschaftsflügel - verlässlich durchzutragen", betont Walter.

"Ob sechs Wochen, wie von SPÖ-Chef Werner Faymann heute in der Zeitung Österreich angekündigt, für so ein Vorhaben reichen, darf bezweifelt werden", so Walter und abschließend: "Die Volkspartei unter gf. Parteiobmann Pröll werde jedenfalls Verantwortung für das Land übernehmen - ob in einer allfälligen Regierung oder in der Opposition."

 

 Vilimsky: Einlagensicherung auf 100.000 Euro erhöhen
Gerade jetzt seien vertrauensbildende Maßnahmen nötiger denn je
Wien (fpd) -
Eine "Koalition der Vernunft" sei eine Neuauflage der rot-schwarzen Desaster-Koalition sicher nicht, widersprach FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky den Ansichten des scheidenden Bundeskanzlers Alfred Gusenbauer in der ORF-Pressestunde. SPÖ und ÖVP hätten aus ihrer Wahlniederlage sichtlich nichts gelernt. Für Gusenbauers Ablehnung einer Erhöhung der Einlagensicherung hat Vilimsky kein Verständnis. Gerade jetzt seien vertrauensbildende Maßnahmen nötiger denn je. Deshalb spreche sich die FPÖ für eine Erhöhung der Einlagensicherung von derzeit 20.000 Euro auf 100.000 Euro aus.

 

 Strutz: Einlagensicherung muss auf 50.000 Euro erhöht werden!
Monatelanges rot-schwarzes Feilschen um Posten und Ämter steht bevor
Wien (bzö) - "Anlässlich der immer schlimmer werdenden Bankenkrise ist es ein Gebot der Stunde, in Österreich die Einlagensicherung für Sparguthaben von derzeit nur 20.000 Euro auf 50.000 Euro zu erhöhen. Gusenbauer fährt mit einer unglaublichen Arroganz über die hunderttausenden Sparer in Österreich drüber, die aufgrund der täglichen neuen Horrormeldungen über Bankencrashs um ihr hart erspartes Geld fürchten. Jetzt ist es dringend notwendig, den Menschen wieder Sicherheit zu geben", kritisiert BZÖ-Generalsekretär Dr. Martin Strutz die Aussagen Gusenbauers in der ORF-Pressestunde. Strutz erinnert, dass Österreich mit 20.000 Euro Einlagensicherung gerade einmal die EU-Mindeststandards erfülle, während es in Irland eine befristete Totalgarantie oder in Frankreich eine Einlagensicherung in der Höhe von 70.000 Euro gebe.

Strutz warnt nach den Äußerungen Gusenbauers zu Koalitionsbildungen vor einem monatelangen Feilschen um Posten und Ämter zwischen Rot und Schwarz. Wenn man den Worten Gusenbauers folge, habe Österreich noch lange keine handlungsfähige Regierung. "Wir fordern in diesen schwierigen und instabilen wirtschaftlichen Zeiten Klarheit und eine rasche Regierungsbildung. Die ÖVP soll jetzt nicht monatelang Wunden lecken sondern soll klar sagen, ob sie Rot-Schwarz will oder nicht, ansonsten muss man sich um Alternativen umsehen. Die Österreicherinnen und Österreicher haben es sich nach zwei Jahren dieser rot-schwarzen Katastrophenregierung und dem Wahlkampf nicht verdient noch weiter dieses unwürdige Schauspiel ertragen zu müssen", so der BZÖ-Generalsekretär abschließend.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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