Systembiologie zum Nutzen der Medizin   

erstellt am
09. 10. 08

Wien (öaw) - Neue Medikamente könnte man effizienter und somit kostengünstiger entwickeln, wenn man systembiologische Methoden anwenden würde. Davon sind Giulio Superti-Furga vom CeMM der ÖAW und der Systembiologe Adriano Henney überzeugt. Die beiden Wissenschafter initiieren in der aktuellen Ausgabe von Nature eine Diskussion über Kernfragen der Neuausrichtung medizinischer Forschung.

Biologische Systeme sind anpassungsfähig. Sie haben die Fähigkeit, auf innere und äußere Reize differenziert zu reagieren. Viele medizinisch relevante Reaktionswege wurden bereits entschlüsselt, aber das Zusammenspiel und die vielfältigen Regulationsmechanismen zu verstehen, bleibt oft eine große Herausforderung. "Biologische Systeme können extrem komplex sein, sie sind aber nicht prinzipiell undurchschaubar", ist Giulio Superti-Furga vom CeMM - Forschungszentrum für Molekulare Medizin GmbH der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) überzeugt.

Eine noch junge wissenschaftliche Disziplin, die Systembiologie, ist bestrebt, einen Überblick über die vielfältigen Geschehnisse in einem Organismus zu erhalten. Zu diesem Zweck integriert sie Ergebnisse aus Biochemie, Genetik, Molekularbiologie - einschließlich mathematischer Modellierungen. "Das mag den einen als ‚Entzauberung' erscheinen, anderen als Hype, in der Tat aber eröffnet dieser Zugang für die Medizin neue Wege, Therapien und Diagnosemöglichkeiten zielgerichtet zu entwickeln", ist Giulio Superti-Furga optimistisch.

Ein Aufruf an die Forschungsgemeinschaft Giulio Superti-Furga und Adriano Henney, Systembiologe beim Pharmakonzern AstraZeneca, haben vor kurzem gemeinsam mit führenden Grundlagenforscher(inne)n, Biotechnolog(inne)n und Pharmaforscher(inne)n aus der ganzen Welt - wie zum Beispiel Dennis Noble (University of Oxford), Hiroaki Kitano (Sony) und Hans Westerhoff (Free University Amsterdam) - Empfehlungen erarbeitet, wie die Systembiologie in den nächsten Jahren für die Medikamentenentwicklung nutzbar gemacht werden kann. Superti-Furga und Henney stellen die gemeinsamen Ideen in der aktuellen Ausgabe von Nature vor und wollen damit eine breitere Diskussion anregen. "Es geht um einen Aufruf an die internationale Forschungsgemeinschaft, fokussiert auf gemeinsame Ziele hin zu arbeiten, die in den nächsten fünf Jahre zu erreichen sind. Das ist also etwas anderes, als unbestimmte Zukunftsvisionen zu verbreiten, die dann Enttäuschung hervorbringen, stellt Giulio Superti-Furga klar.

Nach Meinung der Wissenschafter(innen) sollte der systematische Zugang zuerst bei Kombinationstherapien und bei der Toxikologie angewendet werden. Innerhalb weniger Jahre würde man Wirkstoffe besser verstehen und gezielter einsetzen können. Bei spezifischen Therapiegebieten wird es etwas länger dauern, bis man die Wirkung systembiologischer Ansätze beweisen können wird. Am raschesten würden Forschungen zu Stoffwechselerkrankungen wie etwa Diabetes oder Fettleibigkeit, Krebs und Entzündungskrankheiten davon profitieren.

Methodisch bedeutet der systembiologische Forschungsansatz in erster Linie eine Standardisierung der Datenerhebung. Ziel wäre ein lückenloser Datenstrom - angefangen bei biochemischen Tests, über molekularbiologische Experimente bis hin zu klinischen Tests. Darüber hinaus sollten bei der Suche nach neuen Medikamenten mathematische Modelle routinemäßig bereits in einem frühen Stadium eingesetzt werden.

Commentary. A network solution. nature Vol. 455|9 October 2008 http://www.nature.com/nature/
Nature Network Group "Systems Biology for Drug Discovery"
http://tinyurl.com/5yj2dh
 
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