Leistungsstärkstes Mikroskop Österreichs   

erstellt am
27. 10. 08

Wien (öaw) - Mit dem JEM JEOL 2100F hat am Erich-Schmid-Institut für Materialwissenschaft der ÖAW und dem Department Materialphysik der Montanuniversität Leoben in Leoben das leistungsstärkste Transmissionselektronenmikroskop Österreichs seinen Betrieb aufgenommen. Das Mikroskop erreicht eine Auflösung unter 0,14 Nanometer und kann somit Materialien auf Atomebene untersuchen.

Ein Transmissionselektronenmikroskop (TEM) bildet zu untersuchende Proben mit Hilfe von Elektronenstrahlen direkt ab. Dazu werden Elektronen durch Anlegen hoher Spannung beschleunigt und gerichtet durch die Probe geschickt. Die Elektronen werden in der Probe gestreut und das dadurch entstandene Bild mit Hilfe der Objektivlinse und weiterer Linsensysteme millionenfach vergrößert. Die mögliche Auflösung eines TEM wird nicht durch die Wellenlänge des Elektronenstrahls bestimmt, sondern dadurch wie genau die Linsenfehler der Objektivlinse korrigiert werden können - vor allem die so genannte sphärische Aberration, die dadurch entsteht, daß die Elektronenstrahlen in der Linsenmitte schwächer gebrochen werden, als an den Linsenrändern.

Auflösung im Atombereich
Je besser die Linsenfehlerkorrektur, desto genauer die Abbildung. Das neue Gerät für die Materialforschung in Leoben ist mit einem so genannten Cs-Korrektor ausgestattet. Das ist ein kompliziertes Linsensystem, das die sphärische Aberration korrigieren kann. "Cs-Korrektoren wurden erst in den letzten Jahren entwickelt und sorgten für einen Durchbruch in der Erhöhung der möglichen Auflösung", erklärt der TEM-Experte Zaoli Zhang vom Erich-Schmid-Institut für Materialwissenschaft (ESI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Nun lassen sich sogar die Atome verschiedener Elemente in der Abbildung unterscheiden, was ohne Cs-Korrektor kaum möglich war.

Materialveränderungen live im Detail mitverfolgen
Spezielle Probenhalter ermöglichen Experimente unter großer Hitze und Kälte (von minus 196°C bis plus 1000°C) sowie unter mechanischer Belastung. Integrierte chemische Analyse-Geräte wie ein Energiefilter für die durch die Probe modifizierte Elektronenstrahlung (Elektronenenergieverlustspektroskopie, EELS) und ein Röntgenspektrometer für die elementspezifische emittierten Röntgenstrahlung (EDX) erlauben die simultane Untersuchung lokaler mechanischer und chemischer Eigenschaften des Materials und vor allem ihrer Veränderungen im Verlauf eines Experiments.

Dadurch können bis ins Detail Veränderungen von Materialen unter Belastung live mitverfolgt werden. Das ist für die Materialentwicklung ein wesentlicher Punkt: Materialien müssen oft unter extremen Bedingungen funktionieren, zum Beispiel in Eisenbahnschienen aus hochfestem Stahl die sich aufgrund der starken Belastung durch Güterzüge im Bereich des Rad-Schiene Kontakts verformen und letztendlich durch Strukturänderungen (siehe Bild 2 im Anhang) sogar versagen könnten. Ein anderes Beispiel sind Magnesiumlegierungen die aufgrund der Gewichtseinsparung im Vergleich zu Stahl in der Automobilindustrie eingesetzt werden, und Temperaturbelastungen von mehreren hundert Grad über viele Jahre ertragen müssen. Durch die Detail-Analyse können die Forscher genau erkennen, wo die Schwachstellen eines Materials liegen, die behoben werden müssten.

Leistungsstärkstes Mikroskop Österreichs
"Das JEM JEOL 2100F ist das derzeit einzige mit Cs-Korrektor ausgestattete Transmissionselektronenmikroskop in Österreich", sagt ESI-Direktor Gerhard Dehm. Die Finanzierung des rund 2,1 Millionen Euro teuren Gerätes erfolgte zum Großteil über die ÖAW und die Montanuniversität Leoben. Weiters halfen bei der Finanzierung der Europäische Fonds für regionale Entwick lung sowie durch das Institut eingeworbene Forschungsmittel.


Erich-Schmid-Institut für Materialwissenschaft
Das Erich-Schmid-Institut für Materialwissenschaft (ESI) der ÖAW in Leoben beschäftigt sich mit der Erforschung komplexer Materialien von der Makro- bis zur Nanodimension. Ziel der Forschung am ESI, ist es ein grundlegendes Verständnis der Werkstoffeigenschaften in Abhängigkeit der Struktur und des Aufbaus von Materialien zu erhalten. Hierzu werden elektronenmikroskopische Methoden, Röntgen- und Synchrotronverfahren eingesetzt sowie in-situ Experimente entwickelt, um neue Einblicke in die Entstehung und Wechselwirkung von Materialdefekten zu erhalten.
 
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