Regierungsverhandlungen  

erstellt am
10. 11. 08

Nach einer, so könnte man fast sagen, freundschaftlichen Einigung der Noch-Koalitionäre SPÖ und ÖVP auf Banken- und Konjunkturpakete zur Festigung der heimischen Finanzlage sieht es so aus, als wäre der Weg frei für die vielzitierte "Koalition neu".

Wie SPÖ-Parteivorsitzender Werner Faymann am 08.11. im Ö1-Radio "Journal zu Gast". erklärte, habe man sich geeinigt, daß die Arbeitsgruppen im Laufe dieser Woche ihre Verhandlungen abschließen würden. Es gehe ins Finale, so Faymann, der davon ausgeht, daß Ende November Klarheit darüber herrsche, ob noch eine offene Frage auszureden sei oder ob man fertig sei. Zur geplanten Tarif- und Steuersenkung hielt er fest, daß neben der Entlastung von Einkommen zwischen 1100 Euro und 4000 Euro auch die steile Kurve beim Einstiegssteuersatz verflacht werden solle.

Faymann betonte auch, daß die Senioren mit den Beschlüssen, die bereits vor der Wahl zustande kamen, 1 Milliarde mehr bekommen, also mit der Pensionserhöhung nach dem Warenkorb, dem Einmalzuschuss und dem Heizkostenzuschuss für die Bezieher kleiner Pensionen.

Zur Entlastung von Familien stellte der SPÖ-Vorsitzende fest, daß er der Meinung sei, bei Familienbeihilfe oder anderen Direktzahlungen sollten keine Unterschiede gemacht werden. Es gebe auch Forderungen, daß jene, die mehr Steuern zahlen und Kinder haben, auch entlastet werden sollen. Diese beiden Themen würden einander schneiden und stünden in Verhandlung.

Das Thema Vermögenszuwachssteuer sei nicht erledigt, eine europäische Transaktionssteuer, die in Richtung Vermögenszuwächse gehe, sei auf der Tagesordnung.


Zum Thema EU meinte Faymann, er finde es gut, würde es zu einer Formulierung kommen, die eine positive Kontrolle der EU beinhalte. Sollte ein Nein für von der SPÖ geforderte Volksabstimmungen gefordert werden, würde er dies nicht unterschreiben..


Auf etwaige Ressortverteilungen angesprochen, sagte Faymann, es brauche eine Regierung, in der nicht wichtig sei, welches Parteibuch ein Minister, sondern welche Einstellung er für das gemeinsame Ziel habe.

ÖVP-Bundesparteiobmann Josef Pröll klingt ein wenig zurückhaltender, wird er auf die entscheidende Koalitionsfrage angesprochen. Man werde sehen, erklärte er jüngst, es seien schließlich noch einige wesentliche Fragen ungeklärt. Wirtschaftsbund-Generalsekretär Karlheinz Kopf, Mitglied des ÖVP-Verhandlungsteams, begrüßte, daß SPÖ-Chef Faymann klar an der in den Verhandlungen festgelegten Linie in punkto Steuerentlastung festhalte. Mit der Tarifreform im Umfang von 2,2 Milliarden Euro müßten jene entlastet werden, die tatsächlich Steuern zahlten. Positiv sieht der ÖVP-Verhandler ebenfalls die Absage Faymanns an eine Einführung einer Vermögenszuwachssteuer (sic!). Es müsse gemeinsame Linie sein: Keine neuen Steuern. Kopf geht davon aus, daß SPÖ-Chef Faymann die am 06.11. getroffene Einigung über den Haushaltsplan nicht wieder aufweichen möchte. Faymann hatte im Ö1-"Journal zu Gast" die Maastricht- Kriterien als "kein Heiligtum" bezeichnet. Jetzt müßten alle Anstrengungen unternommen werden, die Neuverschuldung in Grenzen zu halten. Maastricht sei nach wie vor Richtschnur, bekräftigt Kopf. Immerhin habe Faymann selbst von der Notwendigkeit zusätzlicher Einsparungen gesprochen.

Für FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache hat das ORF-Mittagsjournal mit Faymann keine neuen Erkenntnisse gebracht, Faymann habe sich einmal mehr als glühender Rot-Schwarz-Koalitionär erwiesen. Die SPÖ hänge nach wie vor am Gängelband der ÖVP. Das hätten auch die Ausflüchte des SPÖ-Obmanns bei der Frage nach Volksabstimmungen zu EU-Themen gezeigt. Faymann habe auch nicht darüber hinwegtäuschen können, daß die ach so großartige Steuerreform nur ein Reförmchen ohne nachhaltige Wirkung sei. Eine echte Steuerreform mit einem Konjunkturpaket müsse mit 6 bis 7 Milliarden Euro finanziert werden, stellte Strache klar. Die kommende Bundesregierung werde genauso dilettantisch weiterfuhrwerken wie die jetzige, das habe das Interview gezeigt, meinte Strache. Zu großen Würfen seien weder Faymann noch Pröll bereit. Die beiden Mittelparteien würden nach wie vor versuchen, die Republik unter sich aufzuteilen. Das Duo Faymann/Pröll unterscheide sich in keiner Weise von Gusenbauer/Molterer.

BZÖ-Generalsekretär Martin Strutz stellte fest, daß die Koalitionsverhandlungen lediglich eine Schmierenkomödie seien, bei der die Österreicher für dumm verkauft würden. In Wirklichkeit gehe es SPÖ und ÖVP nur um die Absicherung ihrer eigenen Ämter und Posten und nicht wirklich um die Sorgen der Österreicher. Die rot-schwarze Einigung über das Budget bringe vor allem eine Entlastung für die Banken, Krankenkassen und anderen Institutionen nicht aber für die Menschen. Was Faymann präsentierte habe, sei nichts anderes als ein Placebo, das die Menschen in ihrem Zorn über die Misswirtschaft von Rot und Schwarz beruhigen und darüber hinwegtäuschen solle, daß das ganze Geld der Österreicher den Banken, der AUA und den von SPÖ und ÖVP in die Pleite geführten Krankenkassen zur Verfügung gestellt werde. Die rot-schwarze Zwangsehe sei ein reines Machtkonglomerat, wo im Hintergrund gewichtige Personen aus der Wirtschaft und aus dem Bankenbereich die Fäden zögen, ihre Eigeninteressen verfolgten und Faymann und Pröll dabei lediglich Marionetten seien.

Werner Kogler, stv. Klubobmann sowie Budget- und Finanzsprecher der Grünen, hält den Vorschlag von Faymann, bei der Steuerreform diejenige zu entlasten, die zwischen 1.100 und 4.000 Euro verdienen würden, sei sozial ungerecht und beschäftigungspolitisch falsch. Sozial ungerecht, weil die untersten Einkommensgruppen am stärksten unter der Inflation zu leiden hätten und damit 100.000e keine Entlastung erfahren sollten. Zudem würden diese Einkommensgruppen das zusätzliche Nettoeinkommen verkonsumieren und damit die schwache Inlandsnachfrage ankurbeln. Die Fantasie und der Mut für eine wirkliche Steuerreform durch das ständige Umfallen der letzten Jahre völlig verloren gegangen.
Für ein große Reform müßte es selbstverständlich Eingriffe in die Steuerstruktur und damit Gegenfinanzierungen geben. Daß ausgerechnt die vollmundigen Sozialdemokraten die von ihnen getrommelte Vermögenzuwachssteuer fallen lassen, sei der erbärmliche Beweis für die Mutlosigkeit.

http://www.oe-journal.at/Aktuelles/!2008/1108/W1/11011Pkoalition.htm
     
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