Jüdisches Filmfestival   

erstellt am
07. 11. 08

Filmarchiv-Special: Jiddisches Kino von 13. bis 27. November 2008
Wien (filmarchiv) - Längst ist das Jüdische Filmfestival zu einem unverzichtbaren filmkulturellen Projekt in dieser Stadt und gleichzeitig zu einem prononcierten Zeichen für die lebendige jüdische Gegenwartskultur in Wien geworden. Neben der Durchmessung historischer Dispositive jüdischer Filmkultur nimmt sich das Festival mit seinem diesjährigen Programm wieder die Freiheit, mutig und kontroversiell auf aktuelle politische Konflikte zu reagieren.

Verstärkt wird die Kooperation mit dem Filmarchiv Austria. Vom 13. bis 27. November fungiert das Metro Kino als Festivalzentrale. Parallel dazu gibt es vom 14. bis 20. November Aufführungen im Votivkino, anschließend (21. bis 27. November) im De France. Die große Festival-Retrospektive JIDDISCHES KINO (Hauptreihe im Metro Kino) erschließt erstmals einen Spielort in der Leopoldstadt: Stummfilme & Live-Musik im Nestroyhof an der Praterstraße atmen Geschichte und geben Perspektive.

Filmarchiv-Special: Jiddisches Kino – die Pioniere Sidney M. Goldin, Joseph
Seiden
Mit der Werkschau Sidney M. Goldin und Joseph Seiden beleuchtet das Jüdische Filmfestival in Kooperation mit dem Filmarchiv Austria zwei der erfolgreichsten Vertreter des Jiddischen Kinos. Sidney M. Goldin produziert bereits in den 1910er-Jahren in New York Filme, die sich vorrangig mit den Lebenswelten der Juden in Osteuropa und den USA auseinandersetzen. Ab 1920 lebt Goldin für einige Jahre in Europa, zwischen 1921 bis 1924 dreht er u. a. vier Filme in Wien, ehe es ihn wieder in die USA zieht. Nach Misserfolgen in Hollywood, kehrt er 1929 wieder an die Ostküste zurück und beginnt mit EAST SIDE SADIE den erfolgreichsten Abschnitt seiner Karriere. Mit dem Aufkommen des Tonfilms kann das jiddische Kino sein sprachliches Idiom entfalten. An der Ostküste der USA etabliert sich eine kleine, finanzschwache, aber dennoch über einen Zeitraum von vielleicht zehn Jahren erfolgreiche Branche der Produktion und des Vertriebs jiddischer Filme.

Goldin beginnt mit Stars des jiddischen Theaters, wie Picon, Maurice Schwartz und Ludwig Satz eine kontinuierliche Arbeit, in der er sich vom reinen Abfilmen jiddischer Theateraufführungen lösen kann. Allein in den Jahren 1929 bis 1930 drehen Goldin und Seiden sechsundzwanzig Filme. Während der Dreharbeiten zu THE CANTOR’S SON erkrankt Goldin schwer und stirbt am 19. September 1937 in New York.

Joseph Seiden beginnt seine Karriere als Filmvorführer in Nickelodeons und als Kameramann. In den 1920er-Jahren entstehen die ersten Filme unter seiner Regie und Produktion. 1929 übernimmt er mit Goldin ein winziges Behelfsstudio in der 60th Street in New York City. Seiden führt die Produktion als Familienbetrieb: Seine Frau fungiert als Scriptgirl, sein Sohn ist Kameramann und sein Schwiegersohn zeichnet für Ton und Schnitt verantwortlich. Auch ohne Goldin gelingt es Seiden, etliche Erfolgsfilme des jiddischen Kinos herzustellen, wie etwa MOTL DER OPERATOR/MOTEL THE OPERATOR und GOT, MENTSCH UN TAIVL/GOD, MAN AND DEVIL. Die Folgen des Krieges, die Vernichtung der europäischen Juden und der mit einem Generationenwechsel der Juden Amerikas einhergehende Wechsel des Idioms bereiten dem jiddischen Kino ein rasches Ende. Als Seiden 1970 in New York stirbt, ist das jiddische Kino längst verschwunden.

JIDDISCHES KINO SPECIAL –
STUMMFILME & LIVE-MUSIK IM NESTROYHOF
Im Rahmen des Jüdischen Filmfestivals erschließt das Filmarchiv Austria einen neuen Spielort: Im legendären Nestroyhoftheater auf der »Mazzesinsel«, einst Zentrum jiddischen Lebens in Wien, werden in Kooperation mit dem´KlezMORE-Festival und dem Theater Nestroyhof Hamakom zwei jiddisch-österreichische Stummfilme wieder aufgeführt. OST UND WEST wird live von Daniela Fischer an der Violine, JISKOR von Bohdan Hanushevsky am Akkordeon begleitet.

SA 22.11., 20:30
OST UND WEST (Regie: Sidney M. Goldin, A 1923)
Live-Musik: Daniela Fischer (Violine)
Eine wilde, herausragende Komödie, in der ostjüdische Orthodoxie, amerikanisches und Wiener akkulturiertes Judentum aufeinandertreffen, sich gründlich missverstehen und sich am Ende liebevoll in die Arme fallen.

SO 23.11., 20:30
JISKOR / GEDENKET … (Regie: Sidney M. Goldin, A 1924)
Live-Musik: Bohdan Hanushevsky (Akkordeon)
Ein Rabbi erzählt die Geschichte vom Märtyrertod des Leibke. In dieser Heldensaga erscheinen die Juden nicht nur als romantische Figuren, sondern als ein Volk unter mehreren Völkern - eine ersehnte Situation, die ihnen im vielsprachigen Habsburger Kaiserreich verweigert wurde (Jim Hoberman).

Filmaufführungen im Nestroyhof, Nestroyplatz 1, 1020 Wien.

Die Österreich-Box
DVD-Edition mit historischen Filmdokumente zur Zeitgeschichte 1900 – 2000

Präsentation 1. Ausgabe: DVD 1918 – 1938
12. November 2008, 19:00, Metro Kino

Die Österreich-Box
Österreich im Zwanzigsten Jahrhundert: In einer groß angelegten DVD-Edition veröffentlicht das Filmarchiv Austria bis Herbst 2009 wesentliche Filmdokumente zur österreichischen Zeitgeschichte vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. "Geschichte zerfällt in Bilder, nicht in Geschichten" hat der Philosoph und Gesellschaftstheoretiker Walter Benjamin treffend bemerkt. Über diese Bilder, und den Kontext in dem sie entstanden sind, gilt es Bilanz zu ziehen, sie sind einer neuen Interpretation zu unterwerfen.

Die Box wird aus insgesamt sechs DVDs bestehen. Jede Einzelne beleuchtet aus innen- und außenpolitischer, aus wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Sicht ein historisches Kapitel, das sich durch einschneidende Ereignisse und spezifische Problemlagen von den übrigen Zeitspannen unterscheidet. Die ausgewählten Filmdokumente veranschaulichen einerseits große politische Entwicklungslinien und Zäsuren, entlang der sich die Geschichte Österreichs vollzogen hat, andererseits aber auch das alltägliche Leben, das immer wieder auf die jeweiligen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verweist.

Die Österreich-Box wird vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur als schulisches Vermittlungsprojekt gefördert. Die Filmdokumente werden hierbei über das Bildungsnetz in digitaler Form den österreichischen Schulen zugänglich gemacht. Österreich Box: 1918-1938. Österreich zwischen den Weltkriegen Als erster Teil der Edition wird am Tag des Republik-Jubiläums die DVD 1918-1938. Österreich zwischen den Weltkriegen präsentiert: Die Zukunft der Ersten Republik war bei ihrer Ausrufung am 12. November 1918 mehr als ungewiss. Nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie denken die Menschen weiterhin in großen Räumen. Revolutionärer Internationalismus, Donauföderation, vor allem aber der Anschluss an das deutsche Reich sind Optionen. Die schwierige Suche nach der nationalen

Identität beginnt. Sie verbindet sich mit dem Konfliktpotenzialen einer zutiefst gespaltenen Gesellschaft. Soziale Spannungen, wirtschaftliches Elend, ideologische Gegensätze und politischer Radikalismus beherrschen Österreich. Die Demokratie wird beseitigt. Der Nationalsozialismus gewinnt an Einfluss. Die DVD zeigt anhand von zahlreichen historischen Filmdokumenten und ergänzenden Informationstexten die verhängnisvolle Entwicklung des Landes, das zwischen den Weltkriegen in allen Lebensbereichen von Widersprüchen gekennzeichnet ist.


DVD:
Hannes Leidinger/Karin Moser (Hg.)
ÖSTERREICH BOX 2: 1918-1938
Zwischen den Weltkriegen

Kommentierte Filmdokumente
ca. 155 Minuten
€ 19,90,-
     
Informationen: http://www.filmarchiv.at    
     
zurück