Christen sollen sich in Gesellschaft und Politik zu Wort melden   

erstellt am
07. 11. 08

Bischof Küng beim Gemeinschaftsgottesdienst der österreichischen Bischöfe in der Pfarrkirche von Großrußbach - Landeshauptmann Pröll bei der Feier
Wien (pew) - Es ist "dringend notwendig", dass sich Christen in Gesellschaft und Politik zu Wort melden "und Sauerteig sind in allen Wirklichkeiten des menschlichen Lebens": Dies betonte der St. Pöltner Diözesanbischof Klaus Küng am Abend des 05.11. beim Gemeinschaftsgottesdienst der österreichischen Bischöfe in der Pfarrkirche Großrußbach (Niederösterreich). Die Bischöfe hatten sich unter dem Vorsitz von Kardinal Christoph Schönborn im Bildungshaus Schloss Großrußbach zu ihrer Herbstkonferenz versammelt. An der Festmesse, die zugleich auch dem 55-Jahr-Jubiläum des Bildungshauses Großrußbach galt, nahm auch der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll teil. Der Bischofsvikar für das Viertel Unter dem Manhartsberg, Prälat Matthias Roch, betonte in seiner Begrüßung die zentrale Bedeutung des Bildungshauses für das Weinviertel; viele spirituelle Impulse seien von Großrußbach ausgegangen.

Bischof Küng erinnerte in seiner Predigt daran, was passiert, "wenn die Menschen aufhören zu beten und die Gebote Gottes nicht mehr beachten": "Dann zerbrechen die Familien, alle leiden Schaden, der Gesellschaft werden tiefe Wunden zugefügt".

Jeder müsse sich heute die Frage stellen, was er tue, damit sich die Menschen seiner Umgebung "nicht von manchen Trends erfassen lassen, die von Gott wegführen und mit einem echten Christsein nicht vereinbar sind". Als Beispiele nannte Bischof Küng "Gewalt und Pornografie" in Internet und Fernsehen.

Jesus nenne als "logische Konsequenz" der Sorge um das ewige Leben, das eigentliche Ziel des Menschseins, die Loslösung vom Materiellen. Ganz im Gegensatz dazu stünden für viele Menschen heute Wohlstand und Lebensqualität, Gesundheit und Erfolg im Vordergrund, erinnerte der St. Pöltner Bischof. Für Gott finde sich "wenn überhaupt" höchstens ein "Platz am Rande". Wenn man Zeit habe, komme man zum Gottesdienst, wenn Geld übrig bleibe, sei man bereit zu helfen, wenn es leicht geht, beteilige man sich an Aktionen. Dem stehe der Aufruf des kirchlichen Gebets gegenüber: "Mach uns hellhörig für unseren Auftrag in dieser Zeit und gib uns Kraft, ihn zu erfüllen".

Bischof Küng legte auch klar dar, dass es in Hinkunft vielleicht nicht möglich sein wird, "in jeder Kirche an jedem Sonntag eine Eucharistiefeier zu haben". Er habe oft den Eindruck, dass alle wollen, es sollte so "weitergehen wie bisher". Aber die Lebensverhältnisse hätten sich geändert, auch die kirchliche Situation sei eine andere geworden. Wörtlich sagte der St. Pöltner Bischof: "Es mag sein, dass nicht alles so wie bisher weitergehen kann". Klar sei aber, dass es auch in Zukunft "Orte des Glaubens" geben muss, "die anziehen, die helfen, Heimat und Halt zu finden, Hilfe bei Gott". Klar sei auch, dass jeder, der "wirklich Christ sein will, "initiativ, aktiv und kreativ sein" muss. Nur gelegentlich bei einer "frommen Veranstaltung" dabei zu sein, sei zu wenig.

Schönborn: "Das Herz des Weinviertels"
Kardinal Schönborn betonte beim anschließenden Empfang seine besondere Verbundenheit mit dem Weinviertel. Längst bevor er Erzbischof von Wien wurde, war Kardinal Schönborn dieser Region nahe, die ihm seit Jahrzehnten ein "Zweitwohnsitz" ist. Das Weinviertel mit seinen vielen kleinen Gemeinden sei eine Region, die "etwas berührend Lebendiges" an sich habe, sagte der Kardinal. Seit den sechziger Jahren, als er die Region erstmals kennenlernte, habe es enorme Veränderungen ergeben. Die Mehrheit seien heute nicht mehr Landwirte, sondern Pendler. Zugleich fühle man aber auch heute, dass die Kirche eine ganz besondere Rolle im Weinviertel habe. In vielen Ortschaften gebe es keine Schule, kein Wirtshaus, keine Polizeistation und kein Postamt mehr, aber es gebe die Pfarrgemeinde - auch wenn der Priester nicht immer im Ort wohnt. Die Verwurzelung der Weinviertler in der Kirche sei nicht nur eine Sache der Tradition, unterstrich der Wiener Erzbischof, sondern auch etwas "Gegenwärtiges".

Eine zentrale Rolle spiele dabei Großrußbach, das im besten Sinn des Wortes eine "Mutterpfarre" sei. Das Bildungshaus Schloss Großrußbach stelle etwas wie ein "Herz des Weinviertels" dar - auch als Sitz des Bischofsvikars, der zugleich Pfarrer des Ortes sei, so Kardinal Schönborn.

"Das Bildungshaus Schloss Großrußbach ist eine tief verwurzelte Heimstätte der katholischen Erwachsenenbildung und somit eine wichtige Einrichtung in einer Zeit, die reich an Fragen ist und in der es eine große Sehnsucht nach Antworten gibt", hatte zuvor Landeshauptmann Pröll erklärt. Zudem sei das Haus ein "bedeutender Kristallisationspunkt" der katholischen Kirche im Weinviertel, wo es kein einziges Stift gibt.

Die Entscheidung, die diesjährige Herbsttagung der Bischofskonferenz im Weinviertel abzuhalten, bezeichnete der Landeshauptmann als "Symbol auch für die Entwicklung des Landes". Mit dem Vorhaben, Niederösterreich zur "sozialen Musterregion Europas" zu machen, verfolge man im Land idente Ziele wie die Bischofskonferenz. Zudem hätten, so Pröll, sowohl die Kirche als auch die Politik in der gegenwärtigen gesamtgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation, die als "Warnsignal" nach den "goldenen Jahren" der Vergangenheit verstanden werden könne, eine "große Chance"; beide müssten daran arbeiten, den Menschen die ethischen Werte wieder verstärkt in Erinnerung zu rufen.

Das 1953 errichtete Bildungshaus Schloss Großrußbach ist heute eine der ersten Einrichtungen der Erwachsenenbildung in Österreich, "ISO"-zertifiziert und Mitglied der "Arbeitsgemeinschaft Bildungshäuser". Das Haus verfügt über einen modernen Seminarbetrieb, 38 Zimmer, ein Appartement und sechs rollstuhlgerecht ausgestattete Einzelzimmer. Drei Säle bieten rund 320 Personen Platz, kleinere Räume stehen für weitere rund 100 Personen zur Verfügung.

Die von Bischofsvikar Roch initiierten Projekte haben das Haus über die Grenzen Niederösterreichs hinaus bekannt gemacht: Der "Weinviertler Pilgerweg", der "Weinviertler Glaubensweg" sowie Ausbildungslehrgänge im Bereich Hospiz. Mit der Gründung der "Weinviertel Akademie" gingen viele gesellschaftspolitische Impulse von Grußrußbach aus, wobei ein Schwerpunkt im musikalischen Bereich liegt. Aktuell wird am Projekt "Jakobsweg Weinviertel" gearbeitet, der 2010 eröffnet werden soll.

Im Haus sind aktuell 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, jährlich werden hier mehr als 450 Veranstaltungen mit knapp 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern abgehalten.
     
Informationen: Erzdiözese Wien: http://stephanscom.at    
     
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