15 Jahre Jüdisches Museum im Palais Eskeles   

erstellt am
17. 11. 08

Wien (jmw) - Am 18. November 1993 eröffnete der damalige Bürgermeister Helmut Zilk mit seinem Jerusalemer Amtskollegen Teddy Kollek das Jüdische Museum Wien im Palais Eskeles. Das Jubiläum bot dem Museumsteam Anlass, Bilanz zu ziehen und einen Ausblick auf das Ausstellungsjahr 2009 zu geben. Direktor Karl Albrecht-Weinberger stellte außerdem in einem Mediengespräch mit Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny und Wien Holding-Direktor Peter Hanke das Veranstaltungsprogramm für die Jubiläumswoche vom 18. bis 23. November vor: Besondere Highlights bilden neben dem Tag der offenen Tür am Sonntag, 23. November 2008, eine Lesung mit Michael Heltau am 20. November, kostenfreie Sonderführungen für Groß und Klein sowie die Präsentation sonst nicht öffentlich zugänglicher Objekte, die teilweise noch aus den Sammlungen des weltweit ersten Jüdischen Museums in Wien stammen, das 1938 gewaltsam geschlossen wurde. Präsentiert wird erstmals auch eine besondere Dauerleihgabe: das "Velociped" aus dem persönlichen Besitz von Theodor Herzl, dem Begründer des politischen Zionismus. Das Fahrrad wurde dem Jüdischen Museum großzügigerweise vom Literaturmuseum Altaussee zur Verfügung gestellt. Das detaillierte Programm ist unter www.jmw.at abrufbar.

"Wien verdankt der jüdischen Kultur unendlich viel. Das betrifft sowohl die aus meist ärmlichen Verhältnissen stammenden Zuwanderer aus dem Osten als auch die 'arrivierten' jüdischen Geistesgrößen, Künstler und Wirtschaftstreibenden, die das Wesen unserer Stadt ausmachten. Mit der Verfolgung und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung durch die Nationalsozialisten war auch eine massive Vertreibung des Geistigen verbunden. Die Ausstellungen des Jüdischen Museums haben uns diesen Umstand in den letzten 15 Jahren immer wieder eindrucksvoll und zugleich schmerzlich vor Augen geführt. So wurde das gesamte Spektrum jüdischer Kultur- und Geistesgeschichte ebenso thematisiert wie auch die leidvolle frühe Geschichte der jüdischen Gemeinde dieser Stadt", sagte Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny im heutigen Mediengespräch anlässlich des 15-Jahr-Jubiläums.

150 Ausstellungen und 1,2 Millionen Besucherinnen und Besucher in 15 Jahren
Karl Albrecht-Weinberger, der künstlerische Leiter des Museums, verwies auf das Ausstellungsprogramm der letzten eineinhalb Jahrzehnte, das den Gründungsauftrag des Museums immer im Auge behalten habe; dies werde auch in der Festschrift deutlich, die das Museum anlässlich des Jubiläums publizierte. Die 160-seitige Publikation beschreibt das Museum und seine Geschichte und gibt einen umfassenden Ausstellungsrückblick. Sie ist ab sofort im Bookshop des Museums zum Preis von 10,- Euro erhältlich. Albrecht-Weinberger skizzierte nach einem kurzen Resümee über die letzten 15 Jahre die nächsten Ausstellungsprojekte: "Mit der aktuellen Friedrich Torberg-Ausstellung, die wir wegen des regen Publikumsinteresses bis 8. März verlängern werden, setzen wir die Reihe unserer Literaturausstellungen fort, die Reihe über vertriebene Komponisten wird mit Hanns Eisler und Ernst Toch 2009 und 2010 fortgesetzt, mit einer Personale über Fritz Schwarz-Waldegg im Herbst 2009 wird bildende Kunst thematisiert, und kulturgeschichtlich spannende Zugänge verspricht die Ausstellung 'Hast Du meine Alpen gesehen?' im Herbst 2009. Intensive Diskussionen erwarte ich mir von der Ausstellung "typisch! Klischees von Juden und Anderen", die von einem Team des Jüdischen Museums Berlin und des Jüdischen Museums Wien erarbeitet wurde und im Frühjahr in Berlin und im Herbst in Chicago zu sehen war - sie wird von 1. April bis 11. Oktober 2009 im Palais Eskeles gezeigt werden. Für 2010 sind noch große Ausstellungen über Armut in Wien und Österreichs Filmschaffende in Hollywood geplant."

Wien Holding-Direktor Peter Hanke, zu dessen Konzern das Museum gehört, betonte die besondere Stellung des Jüdischen Museums, die der Geschichte der Stadt und der jüdischen Bevölkerung dieser Stadt geschuldet sei: "Es ist klar, daß man ein Museum mit dieser Ausrichtung nicht nur an den klassischen kommerziellen Maßstäben eines Museumsbetriebs messen kann. Für den Wien Holding-Konzern ist es deshalb besonders erfreulich, daß das Jüdische Museum Wien mit seinen Ausstellungen zu den unterschiedlichsten Themen immer wieder Zugang zur breiten Öffentlichkeit findet. Rund 1,2 Millionen Menschen haben das Jüdische Museum Wien in den letzten 15 Jahren besucht, was ebenso ein Beleg für die Akzeptanz des Hauses ist wie die Ergebnisse der letzten Besucherbefragungen: Das Publikum ist international (mehr als die Hälfte der BesucherInnen kommt aus dem Ausland), überdurchschnittlich gebildet (93 % haben mindestens Matura-Abschluss), etwas älter (2/3 sind über 40, wobei die Schulklassen nicht berücksichtigt sind) und beurteilt das Angebot des Hauses mit großer Mehrheit positiv bis sehr positiv (mehr als 2/3). Die Zufriedenheit der österreichischen BesucherInnen schlägt sich auch in der Bildung einer Stammpublikumsschicht nieder (75 % der Befragten wollen wiederkommen)."

Neues Patenschaftsprogramm des Jüdischen Museums
Die Sammlungen im Jüdischen Museum Wien dokumentieren in herausragender Weise die jahrhundertealte österreichisch-jüdische Geschichte. Weltweit bilden sie einen der bedeutendsten Bestände zur jüdischen Kulturgeschichte des Habsburgerreiches, der ersten Österreichischen Republik, der Wiener Zwischenkriegszeit sowie zur Geschichte der Entrechtung, Vertreibung und Ermordung jüdischer Bürger und umfassen heute über 15.000 inventarisierte Objekte. Die Pflege und Sicherung dieser Objekte stellt eine kontinuierliche Herausforderung dar. Ohne zusätzliche Hilfe von Gönnern und Spendern kann das Museum dieser Aufgabe nicht nachkommen. Daher wurde vom Museum das Projekt "Objektpatenschaft" initiiert. Chefkuratorin Felicitas Heimann-Jelinek erläuterte die Zielsetzungen des Projekts anhand einiger Beispiele, die in der Jubiläumswoche im Bereich der ständigen historischen Ausstellungen des Museums zu sehen sind: "Anhand der vorgestellten Objekte wird das breite Spektrum von einfachen Reinigungs- und Erhaltungsmaßnahmen bis hin zur umfangreichen Restaurierung deutlich. Dazu ist die Arbeit von ganz unterschiedlichen Spezialisten erforderlich. Denn so unterschiedlich wie die Geschichten dieser Objekte sind auch die Materialien, aus denen sie hergestellt sind. Zu dem vielfältigen Sammlungsbestand gehören Objekte aus Silber und Gold, Pergament, Papier, Keramik, Porzellan, Holz, Glas, Gips bis hin zu Gemälden. Manche Maßnahmen sind bereits mit einem bescheidenen Beitrag umzusetzen." Patenschaften können von Einzelpersonen, Familien und Firmen erworben werden, sie sind als Spende steuerlich abzugsfähig, unabhängig davon ob diese aus Betriebsvermögen oder aus privatem Vermögen erfolgt. Informationen können beim Jüdischen Museum unter patenschaft@jmw.at angefordert werden.

Das Ausstellungsprogramm 2009/10 im Überblick
"Die 'Gefahren der Vielseitigkeit' - Friedrich Torberg zum 100. Geburtstag", die große Torberg-Personale, die in Zusammenarbeit mit der Wienbibliothek im Rathaus erarbeitet wurde, wird bis 8. März 2009 ebenso verlängert wie die Ausstellung "Israel. 60 Jahre - 60 Bilder. Aus David Rubingers Fotoarchiv", die bis 11. Jänner 2009 im Museum Judenplatz zu sehen ist.

Das Ausstellungsjahr 2009 beginnt mit der Ausstellung "Hanns Eisler. Mensch und Masse", die von 25. Februar bis 12. Juli 2009 im zweiten Stock des Palais Eskeles zu sehen sein wird. Dabei wird Eislers Leben und Werk und sein besonderes Verhältnis zur Stadt Wien im Spannungsfeld der europäischen Zeitgeschichte beleuchtet: Von den letzten Jahren des Kaiserreichs, dem Ersten Weltkrieg, dem Roten Wien der 1920er Jahre über den Beginn des Austrofaschismus und die folgende Exilzeit bis hin zu den Nachkriegsjahren begannen für Eisler mit jedem Aufenthalt auch neue Lebens- und Schaffensphasen - die Stadt wurde zum Dreh- und Angelpunkt in seiner Biografie.

"Shylock 1947 - Fotografien aus dem New Yorker Yiddish Art Theater" wird von 18. März bis 31. Mai 2009 im Museum Judenplatz gezeigt. Die Ausstellung wird von einem Symposium begleitet. Beide Projekte entstehen in Zusammenarbeit mit dem Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien. Das Symposium findet am 19. und 20. März 2009 im Mozarthaus Vienna statt.

"typisch! Klischees von Juden und Anderen" wird nach Berlin und Chicago von 1. April bis 11. Oktober 2009 im Palais Eskeles gezeigt. Es ist eine Ausstellung über das Sehen, die Wahrnehmung, Ordnung und Zuordnung von Bildern und Dingen vom Fremden und vom Eigenen. Sie zeigt Gegenstände, Bilder, Fotografien und audiovisuelle Objekte, die Menschen darstellen oder etwas über Menschen aussagen sollen. Das heißt, sie beschäftigt sich mit Stereotypen. Stereotype entstehen im Allgemeinen aus der Unkenntnis und der Angst vor dem Anderen, aus Unvorstellbarkeiten, Unerklärlichkeiten, Unverständlichkeiten, kurz: aus Furcht vor dem Nicht-Eigenen und in Abgrenzung zum Nicht-Eigenen. Stereotype helfen, die Welt zu ordnen, sich selbst zu verorten, den Anderen einzuordnen. Positiv genutzt sind sie Hilfsmittel zur Charakterisierung des Anderen im Prozess der Positionierung des Selbst. Negativ genutzt sind sie Hilfsmittel zur Dämonisierung des Anderen im Prozess der Überhöhung des Selbst. Vor diesem Hintergrund stellt die Ausstellung "typisch!" zur Diskussion, wie sich Darstellungen typisierender Motive aus der bildenden Kunst zu Objekten aus der Trivialkunst verhalten und konfrontiert sie mit Arbeiten, die durch das Herausarbeiten von Paradoxien oder mit kritischer Ironie das Klischee in Frage stellen.

"Hast Du meine Alpen gesehen? - Eine jüdische Beziehungsgeschichte" wird in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Hohenems von 7. Oktober 2009 bis 10. Jänner 2010 zu sehen sein. Die Ausstellung soll ihre Besucher auf eine Entdeckungsreise durch Zeit und Raum entführen, von Hohenems aus nach Wien, von Wien bis in die Schweiz und schließlich nach Meran: Eine Reise durch die Welten des jüdischen Alpinismus und der Erschließung der Berge für den internationalen Tourismus, eine Reise zu den intellektuellen Kindheiten und erwachsenen Träumen jenseits der Städte, durch die Widersprüche von Assimilation und Migration, Verfolgung und Neubesinnung - meint Ausstellungskurator Hanno Loewy in seinem Konzept.

Einen wichtigen Vertreter des österreichischen "Nachkriegsexpressionismus" nach 1918 würdigt das Museum von 4. November 2009 bis 25. April 2010 - Fritz Schwarz-Waldegg (1889 - 1942). Sein 1920 entstandenes expressives Hauptwerk "Selbsterkenntnis" (im Bestand der Österreichischen Galerie Belvedere) bildet den Höhepunkt des Frühwerks. 1922 wurde Schwarz-Waldegg Mitglied des Hagenbunds, dem er bis 1938 angehörte und dessen Präsident er im Jahr 1927 wurde. Für seinen künstlerischen Erfolg sprechen die zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland, u.a. 1927 in Prag, 1928 in Berlin und 1929 in Spanien. Nach dem "Anschluss" 1938 blieb Schwarz-Waldegg in Österreich. Er lebte im Untergrund, als er 1942 verhaftet, nach Minsk deportiert und dort ermordet wurde. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung seines Euvres steht noch aus. Die Werkschau im Jüdischen Museum soll einen Beitrag dazu leisten.

Das Ausstellungsjahr 2010 beginnt mit einer umfassenden Dokumentation über jüdische Armut von der frühen Neuzeit bis heute. Unter dem Titel "Schlechter geht's nicht" wird von 27. Jänner bis 6. Juni 2010 eine Auseinandersetzung mit den Ursachen und Erscheinungsformen jüdischer Armut im Gegensatz zur Erfolgsgeschichte des europäischen Judentums zu sehen sein.

Mit der Geschichte Hollywoods wird sich von 12. Mai bis 26. Oktober 2010 "BIGGER THAN LIFE - 100 Jahre Hollywood" auseinandersetzen. Die Filmindustrie Hollywoods geht auf die Studios und ihre Gründer, die sogenannten "Mogule", zurück. Sie stammten durchwegs aus armen mittel- und osteuropäisch-jüdischen Familien, waren noch in Europa oder bald nach der Emigration ihrer Eltern in den USA geboren: Carl Laemmle, 1867 in Laupheim bei Ulm geboren, gründete Universal Pictures. Adolph Zukor, der Gründer von Paramount Pictures, kam in Ungarn zur Welt und Louis B. Mayer, 1885 in Minsk, Weißrussland, geboren, gründete Metro Goldwyn Mayer (MGM), um nur einige Beispiele zu nennen: Sie konnten Karriere machen, weil die Filmindustrie in ihrer Jugend erst die ersten Schritte machte und noch nicht gänzlich von den alten amerikanischen Eliten besetzt war. Die Ausstellung beginnt mit einer Reise in die Herkunftsdörfer der "Mogule" und stellt sie dem Hollywood der 1920er Jahre, jenem Reich, das sich diese Einwanderer erschaffen haben, gegenüber. Eric Pleskow konnte als Berater für diese Ausstellung gewonnen werden. Kooperationspartner in Wien ist das Österreichische Filmmuseum.

Zahlen, Daten und Fakten
Das Jüdische Museum der Stadt Wien ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Eigentümer sind die Wien Holding und die Stadt Wien. Für die Leitung des Hauses sind zwei Geschäftsführer verantwortlich: Dr. Karl Albrecht-Weinberger (künstlerische Leitung) und Dipl.-Ing. Georg Haber (kaufmännische Leitung). Der Aufsichtsrat als Kontrollorgan setzt sich aus drei Vertretern der Israelitischen Kultusgemeinde und je einem Vertreter der Wien Holding, der Republik Österreich, der Stadt Wien und des Proponentenkomitees des Museums zusammen. Das Museum hat 17 angestellte MitarbeiterInnen im wissenschaftlichen Bereich (davon fünf MuseumskuratorInnen) und 26 ständige MitarbeiterInnen im Aufsichts- und Verwaltungsbereich. Dazu kommen noch externe wissenschaftliche FachberaterInnen, externe Dienstleister für das Ausstellungswesen und Spezialisten für Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Sponsoring.

Unter diesen Rahmenbedingungen erbringt das Museum ein breites Spektrum an Leistungen für die Öffentlichkeit:

  • Betreuung der ständigen Ausstellungen im Palais Eskeles undAusrichtung von bisher durchschnittlich sieben bis acht Wechselausstellungen pro Jahr
  • Betreuung der Außenstelle auf dem Judenplatz mit der Ausgrabung der mittelalterlichen Synagoge und dem Museum zum mittelalterlichen Judentum und Ausrichtung von bis zu drei Wechselausstellungen pro Jahr o Betreuung einer Präsenzbibliothek und eines Archivs, das auf die Bestände der IKG zurückgehto Betreuung der Sammlungen der IKG und der Stadt Wien, die als Dauerleihgaben dem Museum auch für Ausstellungen zur Verfügungstehen, inklusive der erforderlichen Objektrestaurierungen
  • Betreuung von bis zu 30.000 SchülerInnen jährlich beikostenlosem Eintritt und kostenlosen pädagogischen Programmen
  • Organisation von rund 70 Eigen- und Fremd-Veranstaltungen pro Jahr
  • Organisation von bis zu 15 Auslandsausstellungen pro Jahr von Kleinausstellungen in den Nachbarstaaten des östlichen Mitteleuropa bis hin zu Ausstellungen in Israel, Chile u.a.mehr. Jüngstes Beispiel für die internationale Zusammenarbeit ist die Großausstellung "typisch! Klischees von Juden und Anderen", die mit zahlreichen Beständen des Museums von einem Team des Jüdischen Museums Berlin und des Jüdischen Museums Wien erarbeitet wurde und im Frühjahr in Berlin und im Herbst inChicago zu sehen war - sie wird von 1. April bis 11. Oktober 2009 im Palais Eskeles gezeigt werden.

Die Sammlungen des Museums
Seit 1992 wurden im Jüdischen Museum Wien 15.431 Objekte inventarisiert. Sie gehören zu den Sammlungen der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, die diese 1992 dem Jüdischen Museum als Dauerleihgabe anvertraute, der Sammlung Max Berger, welche die Stadt Wien nach dessen Tod im Jahr 1988 für das zu gründende Jüdische Museum erwarb, der Sammlung Sussmann, einer Dauerleihgabe der Anni und Heinrich Sussmann Stiftung aus dem Jahr 1992, der Sammlung Martin Schlaff, der diese 1993 der Stadt Wien für das neue Museum schenkte, der Sammlung Stern, die das Museum 1994 erwarb, sowie weiteren Ankäufen und Schenkungen.

Die Sammlungen der Israelitischen Kultusgemeinde Wien sind zahlenmäßig die größten unserer Bestände. Sie umfassen Objekte des ersten Jüdischen Museums sowie die Inventare der Wiener Synagogen und Bethäuser, soweit sie nach dem Novemberpogrom 1938 noch vorhanden waren, und synagogale Objekte aus den zwangsweise aufgelösten Gemeinden in den Bundesländern, die in die IKG gebracht worden waren, damit diese sie treuhändisch verwalte. Und schließlich gaben viele Privatpersonen liturgische Objekte wie auch persönliche Memorabilien vor ihrer Deportation in der Kultusgemeinde ab. Dieser Sammlungsbestand gemahnt daran, was diese Objekte jenseits aller Ästhetik oder aller historischen Sensation auch sind: Dokumente von Zerstörung und Entmenschung.

Nach Durchsicht aller Sammlungsbestände auf ihre Provenienzen hin ist aus heutiger Sicht ein Anteil von 15 % der Objekte im Jüdischen Museum Wien - nicht eingeschlossen sind hier die Bibliotheksbestände - weiter forschungsbedürftig. In diesen Fällen ist entweder private Herkunft nicht auszuschließen oder es ist die legale Eigentümerschaft im Jahre 1938 respektive 1945 nicht vollständig geklärt. Die weiteren Fortschritte innerhalb der Provenienzforschung des Jüdischen Museums Wien werden nicht nur von den Ressourcen abhängen, sondern auch von internationalen Vernetzungen. Kooperationsmöglichkeiten insbesondere mit anderen jüdischen Museen werden geschaffen werden müssen, um die in Europa nach 1945 unterschiedlichen historischen und juristischen Situationen zu verdeutlichen, die daraus resultierenden unterschiedlichen Herangehensweisen in der Provenienzforschungs- und Restitutionsfrage zu klären und mögliche Synergien auf internationaler Ebene zu erzielen.

     
Informationen: http://www.jmw.at    
     
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