Arnulf Rainer. Retrospektive   

erstellt am
15. 12. 08

28. November 2008 bis 15. Februar 2009 MMKK Museum Moderner Kunst Kärnten
Klagenfurt (mmkk) - Anlässlich des 80. Geburtstags Arnulf Rainers im Jahr 2009 stellt das Museum Moderner Kunst Kärnten in Kooperation mit dem Essl Museum Klosterneuburg/Wien die wichtigsten Schaffensperioden des Künstlers in einer umfassenden Werkschau vor.


Arnulf Rainer international
Arnulf Rainer zählt international zu den bedeutendsten Vertretern der Moderne und zu den aktivsten Künstlern seiner Generation, und zwar hinsichtlich der Produktion und Positionierung. Allein zwischen 1951 und 1960 absolviert er 51 Einzel- und Gruppenpräsentationen, schreibt mehrere provokante Manifeste, verblüfft sein Publikum durch Publikumsbeschimpfungen, umfangreiches Wissen und einen intensiven Aktivismus stets aufs Neue. In den 1970er Jahren etabliert er sich zunehmend auch international. 1968 wird die erste Retrospektive seiner Arbeiten unter Leitung von Werner Hofmann im Museum des 20. Jahrhunderts in Wien ausgerichtet. 1971 zeigt der Kunstverein in Hamburg die erste Retrospektive, 1972 nimmt Rainer erstmals an der documenta in Kassel teil. 1979 vertritt Rainer erstmals Österreich auf der Biennale in Venedig. Im Jahr seines sechzigsten Geburtstages lädt das Salomon R. Guggenheim Museum New York Arnulf Rainer zu einer Retrospektive ein, die von Rudi Fuchs kuratiert wird. 1993 wird ein Arnulf-Rainer Museum in New York eröffnet. 2000 widmet ihm das Stedelijk Museum in Amsterdam eine Retrospektive, 2005 stellt er in der Maison Rouge in Paris aus, die Ausstellung 2006 im Museum Frieder Burda Museum in Baden-Baden betont die religiöse Motivik im Werk Arnulf Rainers.


Frühwerk
Die Retrospektive im Museum Moderner Kunst Kärnten MMKK zeigt mit rund 100 Werken einen sehr umfassenden und repräsentativen Querschnitt des OEuvres Arnulf Rainers. Die Werkschau beginnt mit frühen Werken aus Rainers Zeit in Kärnten, mit surreal figurativen Zeichnungen aus dem Jahr 1947, denen abstrakte, an den Gestus des Informel angelehnte "Zentralisationen" und "Vertikalgestaltungen" folgen.

Arnulf Rainers Familie kommt 1945 kriegsbedingt von Niederösterreich nach Kärnten zurück, wo Rainer von 1946 bis zur Matura im Jahr 1949 die Staatsgewerbeschule in Villach besucht. In Kärnten lernt Arnulf Rainer 1948 auch Maria Lassnig kennen. Die 1951 gemeinsam inszenierte Ausstellung "Unfigurative Malerei" im Klagenfurter Künstlerhaus sorgt für veritable Aufregung.


(Erste ) Übermalungen
In den Jahren 1953/54 beginnt die erste Phase der Übermalungen. Es sind Bilder, die sich aus den vorangegangenen Werkphasen entwickelt haben und vorläufig vom Künstler selbst als "Bedeckungen" charakterisiert werden. In der von Monsignore Otto Mauer geleiteten Galerie nächst St. Stephan in Wien, einem Zentrum der österreichischen Avantgarde in den 1950er Jahren, findet Rainer das ideale Forum, seine monochromen Schwarzbilder zu präsentieren; 1954 stellt er hier erstmals aus und wird in der Folge Mitglied der Gruppe rund um die Galerie.

Die Übermalung repräsentiert nicht nur das Überdecken von Motiven oder einzelnen Bildelementen, sondern erscheint als ein abstrakter, offener Prozess, den Arnulf Rainer immer wieder aufs Neue aufgreift, fortsetzt, verdichtet und transformiert. Rainer praktiziert die so genannten Übermalungen in/auf seiner eigenen Malerei, aber auch auf Werken anderer Künstlerfreunde und auf historischen Vorlagen. Die Werke zeichnen sich allesamt durch eine für Arnulf Rainer charakteristische strukturelle Offenheit aus, die sein künstlerisches wie kulturelles Verständnis ausmacht.

Die Kreuzform
Rainer experimentiert mit unterschiedlichen Formen von Bildträgern; ab 1954 bezieht er auch die Kreuzform mit ein. Die strenge, nüchterne und zugleich symbolische Form bietet in Verbindung mit der expressiven, gestischen Bearbeitung auf der Oberfläche die Möglichkeit zu spannungsvollen Kompositionen. Die Kreuzform spielt bis heute eine zentrale Rolle.

Fotoübermalungen
Mitte der 1960er Jahre entstehen die ersten fotografischen Selbstdarstellungen, "Face Farces" und "Body Languages", die Rainer wiederum als Vorlage für Übermalungen wählt. Wie bereits in früheren Arbeiten, etwa den "Blindgestaltungen", geht es auch in dieser Serie um ein Experimentieren mit dem körpersprachlichen Ausdruck. Rainer posiert in verschiedenen, zum Teil grotesk anmutenden Positionen vor der Kamera, mit verzerrter bis grimassenhafter Mimik und Gestik. Diese Serie der Selbstdarstellung stellt einen immer wiederkehrenden Komplex in seinem Werk dar, der im Kontext künstlerischer Spracherweiterung zu sehen ist.

Die künstlerische Bearbeitung von Fotovorlagen stellt neben den monochromen malerischen Übermalungen eine zweite grundlegende Form der Überarbeitung dar. Während die erste im Sinne eines Überdeckens bzw. auch als eine Form von Auslöschung auf der Oberfläche der Bilder erscheint, ist die letztere durch Akzentuierung, Korrektur und durch pointiertes Hervorheben gekennzeichnet. In beiden Vorgehensweisen vollziehen sich zwei Praktiken - jene der Dekonstruktion und jene der Konstruktion -, die sich einerseits konkret auf das soweit noch erkennbare Motiv beziehen und sich andererseits im Hinblick auf die künstlerische Praxis als ein kultureller Gestus präsentieren.

Totenmasken
Tod und Religion sind zentrale Themen im Werk Arnulf Rainers, die der Künstler in einer spannungsvollen Verflechtung von Form und Inhalt inszeniert. Ende der 1970er Jahre beginnt er mit der Serie der Totenmasken, die einen weiteren Konzentrationspunkt in seinem OEuvre darstellen. Das dezidierte Aufgreifen von sakralen Motiven und insbesondere die Auseinandersetzung mit dem Tod prägen Rainers gesamtes Schaffen und verdichten sich erneut zu Beginn der 1990er Jahre. Mit dem Text "Der Totenmaskenbildner" von Josef Winkler, der dem Ausstellungskatalog beigegeben ist, wird der Affinität zum Tod literarische Reverenz erwiesen.

Malerei als offener Prozess
In allen Schaffensphasen Arnulf Rainers ist der offene Bildbegriff verbindlich. Die Arbeit an jedem einzelnen Werk, ob Zeichnung, Fotografie oder Malerei, erweist sich als ein Prozess, der grundsätzlich offen und unabschließbar erscheint.

Die provokante Auseinandersetzung mit traditionellen Vorstellungen und Normen, wie die des Bildes, wie die Frage nach der Rolle des Künstlers, die Frage nach der Repräsentation in der Kunst schlechthin, ist in Rainers Kunst diskursiv verankert. Die spannungsvolle Verflechtung von Form und Inhalt, von Symbol und Symbolisiertem, eröffnet einen radikal modernen Diskurs insbesondere über die österreichische Bildtradition. Unter diesem Aspekt wird es möglich, die divergenten Ausdrucksformen im Werk Rainers in ihrer Kohärenz zu begreifen, ohne ihre unterschiedlichen Erscheinungsformen zu glätten, und dieses künstlerische Konzept vor dem geistesgeschichtlichen Kontext der Moderne zu reflektieren. Das spezifische Profil Rainers, das ihn einerseits mit Österreich verbindet, andererseits in den europäisch-amerikanischen Diskurs treten lässt, ist die Auseinandersetzung mit Geschichte. Rainer reflektiert in seiner Kunst ein Modell des geschichtlichen Bewusstseins. Im Dialog mit den kulturellen (Bild)-Relikten verweist er auf Brüche in den bekannten Sichtweisen und versteht es, in seiner eigenen künstlerischen Praxis traditionelle Mechanismen der Kunstproduktion erfolgreich zu unterlaufen, indem er eine offene, nicht greifbare Form von Ästhetik etabliert.

Das Bild des grimassierenden und schimpfenden, des zynischen Enfant terrible der Wiener Kunstszene, des kompromisslosen Verweigerers jeglicher Norm, fügt sich nahtlos in einen Kunstbegriff, der von den Abgründen der Seele, dem am Rande des Psychopathologischen angesiedelten Existentialismus, der Ästhetik der Zerstörung und des Hässlichen zehrt, allesamt Idiome, die als Eigenarten der österreichischen Moderne deklariert werden.
     
Informationen: http://www.mmkk.at/    
     
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