Nanostrukturierte Metalle - fest wie Keramiken und biegsam wie Polymere    

erstellt am
19. 01. 09

Leoben (öaw) - So genannte Versetzungen - eigentlich Defekte in einem kristallinen Gitter - können sich durchaus positiv auf Materialeigenschaften auswirken. Ein Team rund um Gerhard Dehm von der Montanuniversität Leoben und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften veröffentlicht die neuesten Untersuchungsergebnisse zu diesen positiven Effekten im wissenschaftlichen Magazin "Nature Materials".

Was passiert im Material, wenn man versucht eine Büroklammer wieder gerade zu biegen? Dieser scheinbar triviale Vorgang löst im Inneren des Metalls eine Kettenreaktion aus: es entstehen sogenannte Versetzungen. "Grundsätzlich sind Versetzungen Fehler in der kristallinen Gitterstruktur, aber ohne sie könnte man zum Beispiel ein Metall nicht verbiegen", erklärt Gerhard Dehm, Leiter des Lehrstuhls für Materialphysik der Montanuniversität und des Erich-Schmid-Instituts für Materialwissenschaft der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Leoben. Besonders wichtig werden diese Defekte, wenn die Materialdimensionen immer kleiner werden. Dann treten unerwartete Materialeigenschaften auf. Metalle werden fest wie Keramiken und lassen sich in einigen Fällen fast wie Gummi bis zu hohen Dehnungen verformen.

Veröffentlichung in "Nature Materials" Erstmals konnte eine Forschungsgruppe einen winzigen Aluminiumeinkristall 150% dehnen und bei der Verformung mit dem Transmissionselektronenmikroskop (TEM) direkt zuschauen. Die Erkenntnisse darüber werden im renommierten Wissenschaftsmagazin ‚Nature Materials' unter dem Titel "In situ observation of dislocation nucleation and escape in a submicrometre aluminium single crystal" publiziert. (Nature Materials, Advance Online Publication (AOP), 18 January 2009 http://www.nature.com/nmat/index.html ). Nach Nature und Science ist es das bekannteste Wissenschaftsjournal im Bereich der Materialwissenschaften.

Forschung im Nanometer-Bereich
Kompliziert und aufwendig waren bereits die Vorarbeiten zu den eigentlichen Versuchen: zuerst musste als Probe ein Aluminium-Einkristall in der Größe von 500 nm (d.h. mehr als 100 mal dünner als ein menschliches Haar) hergestellt werden. "Dafür ließen wir auf einem Kochsalzkristall Aluminium wachsen und bedeckten die Aluminiumschicht mit einem Polymerfilm", so Dehm. Danach wird das Kochsalz (Natriumchlorid) mit Wasser entfernt und mit Ionenstrahlätzen werden dünne Strukturen in das Aluminium geschnitten. Diese Proben werden dann im TEM verformt. "Das spielt sich alles im Nanometerbereich ab. Erstmals konnte man direkt zuschauen, was bei der Verformung in so kleinen Materialdimensionen passiert", so Dehm weiter. Aus den daraus gewonnen Erkenntnissen konnten folgende Schlüsse gezogen werden: Materialien verhalten sich in kleinen Dimensionen anders als in großen, da die Versetzungsdichte konstant bleibt und wesentlich kleiner ist als in massiven Metallen. Aber auch die Geschwindigkeit der Verformung spielt eine entscheidende Rolle, da bei hoher Verformungsgeschwindigkeit die Versetzungsdichte ansteigt und die Versetzungen sich verhaken. Interessant sind diese Neuerungen für die Industrie, die sich mit miniaturisierten Bauelementen beschäftigen. "Das reicht vom Sensor für die Auslösung des Airbags in Automobilien bis zu den biegsamen Monitoren", erklärt Dehm. Grundsätzlich werden durch diese Untersuchungen Verformungsvorgänge besser verstanden, und Vorhersagen können exakter getroffen werden.


Internationale Forschergruppe
An den Experimenten, die in Leoben und Toulouse durchgeführt wurden, waren neben Gerhard Dehm d er Gastwissenschafter Sang Ho Oh aus Korea, Marc Legros, ein TEM Experte aus Frankreich, sowie Daniel Kiener, ein Fachmann für mikromechanische Tests, der nun an der Ludwig-Maximilians-Universität in München forscht, beteiligt. "Im Rahmen dieser internationalen Zusammenarbeit wurden verschiedenste Expertisen kombiniert, eine Voraussetzung für wichtige Schlüsselexperimente", so Dehm.
     
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