Brustkrebs: Österreich schreibt Therapiegeschichte   

erstellt am
12. 02. 09

Revolutionäre Erkenntnisse für junge Brustkrebspatientinnen aus der ABCSG-Studie 12 in "The New England Journal of Medicine" publiziert.
Wien (meduniwien) - Forschungsarbeiten österreichischer Spitzenmediziner machen weltweit Schlagzeilen: Nachdem die Studie 12 der Studiengruppe ABCSG bereits beim Kongress der amerikanischen Krebsgesellschaft ASCO großes Aufsehen erregt hatte, werden die Ergebnisse jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“ publiziert – eine Auszeichnung, die nur wenigen österreichischen Forschern zuteil wird. Die Studie befasst sich mit Brustkrebs bei jüngeren Patientinnen und zeigt Chancen auf, das Wiedererkrankungsrisiko bei Brustkrebs deutlich zu senken und die Überlebenschancen der betroffenen Frauen zu steigern.

Studienleiter Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant von der Medizinischen Universität in Wien, der Präsident der ABCSG, fasst die neuen Erkenntnisse zusammen: „Die ABCSG-12 Studie hat gezeigt, dass eine neue Form der Brustkrebstherapie die Überlebenschancen von prämenopausalen Frauen mit hormonrezeptorsensitivem frühen Brustkrebs deutlich steigert und die Gefahr von Rezidiven senkt. Bei diesen Frauen geht das Risiko einer neuerlichen Krebsbildung nach einer erfolgreichen Operation um 36 Prozent gegenüber jenen Patientinnen signifikant zurück, welche die bisher übliche Standardtherapie erhalten.“

Die Mediziner haben bei ihren Forschungsarbeiten prämenopausalen Brustkrebspatientinnen zusätzlich zur Antihormontherapie noch das Bisphosphonat Zoledronsäure verabreicht. Die Wirkung war außerordentlich positiv, wie eine Langzeituntersuchung ergeben hat: Nicht nur, dass die Wiedererkrankungsrate bei den mit dieser Kombination behandelten Patientinnen wesentlich niedriger ist, sind auch die Überlebenschancen spürbar verbessert. Mehr als 98 Prozent dieser Brustkrebspatientinnen sind fünf Jahre nach der Diagnose – eben auch ohne die z.B. in den USA routinemäßig übliche adjuvante Chemotherapie – noch am Leben, tendenziell wurde eine Verbesserung des Gesamtüberlebens durch die Bisphosphonatbehandlung beobachtet.

Die internationale Fachwelt registriert diese eindrucksvollen Forschungsergebnisse mit großer Aufmerksamkeit. Ihre Bedeutung für die wissenschaftliche Gemeinschaft zeigt die nun erfolgte Veröffentlichung im renommierten „The New England Journal of Medicine“ (NEJM), wohl der berühmtesten medizinischen Fachzeitschrift überhaupt.

In dem Magazin werden ausschließlich Studienergebnisse publiziert, die höchsten Qualitätsansprüchen gerecht werden und bahnbrechende Fortschritte in der Therapie erwarten lassen. Das Journal erscheint wöchentlich in englischer Sprache und behandelt alle Teilgebiete der Medizin.

Nur selten gelingt es österreichischen Medizinern, ihre Beiträge, die von Fachgutachtern penibel analysiert werden, in dieser weltweit beachteten Publikation zu verbreiten. Im gesamten Vorjahr wurden z.B. vier Veröffentlichungen unter „Austria“ aufgelistet – und davon war lediglich bei einer Arbeit ein Österreicher der Erstautor.

Der bahnbrechende Beitrag der österreichischen Arbeit besteht neben den spektakulären Ergebnissen der erfolgreichen Patientinnenbehandlung darin, dass damit eine Beeinflussung des Mikroklimas in bestimmten Bereichen des Knochenmarks gelungen zu sein scheint, die für das Überleben so genannter „schlafender“ Tumorzellen sorgen. Dies könnte in den nächsten Jahren bei verschiedenen Tumorerkrankungen zum endgültigen Durchbruch vor allem im Frühstadium der Erkrankung führen.

Zur Studie
Die ABCSG-12 Studie (Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group Trial 12) wurde im Jahr 1999 begonnen und ist eine offene, multizentrische Phase-III-Studie mit 1803 prämenopausalen Frauen mit Östrogenrezeptor-positivem Brustkrebs (Stadium I oder II) mit weniger als 10 befallenen axillären Lymphknoten. Nach einer erfolgreichen Operation und Beginn einer Goserelintherapie zur Suppression der Ovarfunktion wurden die Patientinnen in 4 Studienarme randomisiert: 1. Arm: Anastrozol + Zometa; 2. Arm: Anastrozol allein; 3. Arm: Tamoxifen + Zometa; 4. Arm: Tamoxifen allein. Die Frauen wurden drei Jahre lang behandelt und anschließend zwei Jahre lang beobachtet.

Patientinnen in den Studienarmen 1 und 3 erhielten während des Behandlungszeitraums alle sechs Monate eine Infusionen mit 4 mg Zoledronsäure. Nach einem medianen Follow-up nach fünf Jahren erfolgte die Datenauswertung: Die Zugabe von Zoledronsäure zu Anastrozol oder Tamoxifen verlängerte das krankheitsfreie und rezidivfreie Überleben signifikant. In der Gruppe der Frauen, die Zoledronsäure zusätzlich zur Hormontherapie erhalten hatten, waren 3 Prozent weniger Rezidive aufgetreten, das entspricht einer Risikoreduktion von 36 Prozent. Zoledronsäure reduzierte nicht nur das Auftreten von Knochenmetastasen, sondern auch von anderen Fernmetastasen, kontralateralem Brustkrebs und lokoregionären Rezidiven.

„Schlafende“ Tumorzellen attackiert
Der exakte Wirkmechanismus ist noch nicht geklärt. Prof. Gnant: „Zoledronsäure könnte disseminierte, so genannte, schlafende’ Tumorzellen angreifen.“ Im Labor konnte gezeigt werden, dass Zoledronat die Tumorausbreitung auf verschiedene Weise erschweren kann: durch die Hemmung des Wachstums von kleinen Blutgefäßen, durch die Stimulierung von krebsbekämpfenden Abwehrzellen, durch Induktion der Tumorzellapoptose (des programmierten Zelltodes) sowie durch die Verbesserung der Aktivität anderer antitumoraler Therapien.

Der Wirkstoff wird gut vertragen
Viele Brustkrebspatientinnen erhalten Bisphosphonate intravenös, zur Metastasenbehandlung üblicherweise in vierwöchigen Abständen. In der vorliegenden Studie wurde der spektakuläre Effekt durch Infusionen im Halbjahresabstand erzielt. Die Behandlung mit Zoledronsäure war sicher und gut verträglich. Es traten keine unerwarteten Nebenwirkungen auf, insbesondere kein Fall von Kieferosteonekrose oder Nierenversagen.

Behandlungsstandard verbessert
Diese Erkenntnisse haben auch die Teilnehmer an der Plenary Session der American Society of Clinical Oncology - ASCO im Vorjahr beeindruckt. Wer bei dieser bedeutenden Veranstaltung vortragen darf, wird von einem eigenen Ausschuss der amerikanischen Gesellschaft bestimmt, zur Präsentation beim ASCO-Kongress werden definitiv nur die Besten der Besten zugelassen. Im NEJM wiederum werden nur die besten Ergebnisse publiziert. Beide Erfolge sind Indizien dafür, dass die ABCSG mit diesen Studiendaten einen „Volltreffer“ gelandet hat, der entscheidende Fortschritte bei der Behandlung des Mammakarzinoms bringt. Gnant: „Wir können mit Bestimmtheit sagen, dass die adjuvante Therapie mit Zoledronsäure in Betracht gezogen werden sollte, um den Behandlungsstandard prämenopausaler Brustkrebspatientinnen zu verbessern“.

ABCSG seit mehr als zwei Jahrzehnten aktiv
Die österreichische Forschungsgesellschaft ABCSG (Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group) besteht seit mehr als zwei Jahrzehnten und hat sich auf klinische Studien zum Mammakarzinom und zum kolorektalen Karzinom spezialisiert. Durchgeführt werden die wissenschaftlichen Untersuchungen von 700 Ärztinnen und Ärzten an rund 100 Zentren in ganz Österreich, die auf Brust- und Darmkrebs spezialisiert sind. Besonderer Wert gelegt wird dabei auf die Zusammenarbeit von ÄrztInnen aus allen Fachdisziplinen, die sich mit Brust- oder Darmkrebs auseinandersetzen. Bemerkenswert sind nicht nur die Resultate der Forschungsarbeiten, sondern auch die Erfolge bei der Randomisierung von Patientinnen und Patienten, die bereit sind, an den klinischen Studien teilzunehmen. Gnant: „Mittlerweile beteiligen sich mehr als 18.500 krebskranke Frauen und Männer an unseren Studienprojekten.“ Die ABCSG ist damit in der Lage, ähnlich große klinische Studien durchzuführen wie Deutschland und Großbritannien. Österreich verfügt – gemessen an der Einwohnerzahl – über die europaweit größte Zahl an StudienteilnehmerInnen.
     
Informationen: http://www.meduniwien.ac.at    
     
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