Hörspuren   

erstellt am
09. 03. 09

Die Erfahrungen und Stimmen von ZeitzeugInnen zum "Anschluss" können ab jetzt direkt am Heldenplatz mittels Audio-Player gehört werden.
Wien (hoerspuren) - "Ich hab beim Fenster herausgeschaut und die Leute haben Fahnen mit dem Hakenkreuz gewedelt und gejubelt, sodass ich auch geglaubt hab, dass was sehr Fröhliches und Gutes passiert ist. Nur habe ich gesehen, dass meine Eltern geweint haben. Dann hab ich's nicht verstanden: Warum weinen sie und alle anderen jubeln?", erinnert sich die heute 80jährige Gertrud Stevens an den Einmarsch der deutschen Wehrmacht im März 1938. Sie ist eine der ZeitzeugInnen, deren Stimme in den Audiowegen zu hören ist.

Der "Anschluss" an das nationalsozialistische "Deutsche Reich" und die damit einhergehenden pogromartigen Ausschreitungen stellen eine tiefe Zäsur in der österreichischen Geschichte dar. Insbesondere die Hauptstadt Wien mit ihrem relativ hohen jüdischen Bevölkerungsanteil war ein Brennpunkt des Geschehens. Das Projekt "Hörspuren" ermöglicht, die Geschehnisse rund um den "Anschluss" gleichzeitig gehend und (zu)hörend zu erfahren - aus der Perspektive von ZeitzeugInnen, die etwa die "Abdankungsrede" Schuschniggs verfolgten und ein paar Tage später den triumphalen Einzugs Hitlers in Wien erlebten.

Philipp Haydn und Maria Ecker haben monatelang in Archiven in Österreich und der USA geeignete Interviewausschnitte recherchiert, und zusätzlich selbst Gespräche mit Betroffenen aufgezeichnet. Entstanden sind schließlich insgesamt vier Hörwege, die sich unterschiedlichen Ereignissen des Jahres 1938 widmen. Alle Audio-Touren stehen auf der Projekt-Website http://www.hoerspuren.at zum Gratis-Download zur Verfügung. "Wir haben nach neuen Wegen gesucht, die Stimmen und Erfahrungen von ZeitzeugInnen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen", so Haydn und Ecker über die Konzeption des Projektes.

Das Projekt "Hörspuren" verbindet in seinem Stadtführer den aktuellen akademischen Wissensstand mit Oral History Interviews unter den Rahmenbedingungen neuer Technologien zu einem neuartigen Konzept der Wissensvermittlung. Die "Hörspuren" Audio-Guides lassen Geschichte durch räumliche Konfrontation und ZeitzeugInnenberichte in bisher ungekannter Unmittelbarkeit erleben - und HörerInnen im buchstäblichen Sinn "mit Geschichte in Beziehung treten".

Was bietet "Hörspuren"?

Zentrales Element sind vier Hörwege in Wien, für die Audio-Guides (Länge: 20 - 35 min.) gestaltet wurden:

  • Vom Ballhausplatz zum Heldenplatz, die Tage den "Anschluss" im März 1938
  • Rund um den Morzinplatz und das ehemalige Hauptquartier der Gestapo
  • Von der Taborstrasse zur Tempelgasse im Zweiten Bezirk, der Novemberpogrom 1938
  • Von der Rauscherstrasse zur Kaschlgasse in der Brigittenau, einem jüdischen Viertel in der Zwischenkriegszeit

Die HörerInnen erkunden diese Orte mit Hilfe von Audioplayer, Kopfhörer und Stadtkarte.
"Hörspuren" ist kostenlos. HörerInnen können entweder mittels der Website www.hoerspuren.at die Audioguides selbst auf ihre mp3-Spieler samt Stadtkarte herunterladen oder sich das nötige Equipment bei ausgewählten Wiener Ausgabestellen (z.B. Jewish Welcome Service) ausleihen. Das Projekt "Hörspuren" wird kontinuierlich erweitert, demnächst auch in englischer Version. Hintergrund-Informationen und Neuigkeiten finden Sie auf unserer Website www.hoerspuren.at.

Über Hörspuren
Hörspuren, ein Projekt von Maria Ecker und Philipp Haydn, ist situiert am Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte. Es wird unterstützt von der Rothschild Foundation Europe, dem Nationalfonds der Republik Österreich und der Wissenschaftsabteilung der Stadt Wien.

Über Maria Ecker
Historikerin am Zentrum für jüdische Kulturgeschichte, Universität Salzburg. Forschungsschwerpunkte und -methoden: Oral History. Autobiographische Quellen. Holocaust-Gedenkkulturen in Österreich, USA, und Israel. Gedenken und Erinnern im ländlichen Raum. Holocaust-Vermittlung im schulischen und außerschulischen Bereich.

Über Philipp Haydn
Soziologe, nach seinem Gedenkdienst langjähriger?Mitarbeiter am Leo Baeck Institute, New York. Daneben journalistische?Tätigkeit für Radio- und Printmedien, Übersetzungen sowie mehrjährige Projekt-Erfahrung mit Neuen Medien.

Über das Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte:
Das Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte wurde 2004 eröffnet und ist eine interdisziplinäre Einrichtung der Universität Salzburg. Leiter: Gerhard Langer. Stellvertretender Leiter: Albert Lichtblau.

     
Informationen: http://www.hoerspuren.at    
     
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