Gerichtshöfe klagen über immer stärker werdende Belastung   

erstellt am
24. 04. 09

Tätigkeitsberichte des VfGH und des VwGH liegen dem Parlament vor
Wien (pk) - Bundeskanzler Werner Faymann hat vor wenigen Tagen dem Nationalrat die Tätigkeitsberichte des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) und des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) 2007 vorgelegt. Beide Gerichtshöfe klagen über eine immer stärkere Belastung und drängen auf gesetzliche Maßnahmen, um Abhilfe zu schaffen. Schon jetzt könne die Arbeitslast nicht mehr bewältigt werden, meint etwa der VwGH und weist auf gravierende Folgen für den Rechtschutz der BürgerInnen und das Funktionieren der Verwaltung hin. Die Einrichtung des Asylgerichtshofs hat laut Verwaltungsgerichtshof keine Lösung des Problems gebracht – die RichterInnen rechnen damit, dass der künftige Wegfall von Asylbeschwerden durch ein Ansteigen der Zahl der Beschwerdefälle nach dem Fremden- und Niederlassungsrecht zumindest teilweise kompensiert wird.

Rückstau beim VwGH hat 2007 erstmals 10.000er-Marke überschritten
Wie aus dem Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofs hervorgeht, wird der Rückstau bei den Beschwerdefällen immer größer und hat zum Ende des Berichtsjahres erstmals die 10.000er-Marke überschritten. Exakt waren mit Jahresende 2007 11.286 Beschwerden unerledigt. Dazu kamen 348 Anträge auf aufschiebende Wirkung.

Neu eingelangt im Jahr 2007 sind 9.924 Beschwerden, das sind um fast 33 % mehr als im Jahr zuvor. 7.483 Fälle konnten erledigt werden. Dabei entschied der Verwaltungsgerichtshof in 1.513 Fällen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben. In 1.802 Fällen wurde die Beschwerde hingegen als unbegründet abgewiesen, in 1.980 weiteren Fällen lehnte der VwGH die Behandlung der Beschwerde nach eingehender Prüfung ab. Die übrigen Erledigungen erfolgten nicht in Form von Sachentscheidungen, die Beschwerden wurden z.B. zurückgewiesen oder zurückgezogen.

Inhaltlich gesehen betrafen die mit Abstand meisten Beschwerden das Sicherheitswesen. Aber auch die Bereiche Abgaben und Baurecht lagen im Spitzenfeld. 188 Mal wurde der Verfassungsgerichtshof um die Prüfung einer Norm ersucht, sieben Fälle legte der VwGH dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vor.

Die durchschnittliche Erledigungsdauer der Sachentscheidungen (Erkenntnisse) wird vom VwGH mit 19 Monaten angegeben. Gleichzeitig blieb die Zahl der Beschwerdefälle, bei denen die lange Verfahrensdauer im Spannungsverhältnis zur Europäischen Menschenrechtskonvention steht, unverändert hoch, auch wenn es mittlerweile deutlich weniger Verfahren als früher gibt, die länger als drei Jahre dauern.

Wie in den vergangenen Jahren drängt der Verwaltungsgerichtshof auch im Bericht 2007 vehement auf die Einrichtung von Verwaltungsgerichten erster Instanz, um den Beschwerdeanfall beim VwGH zu reduzieren. Er warnt aber davor, im Gegenzug dazu den Instanzenzug einzuschränken und den Weg zum VwGH gänzlich abzuschneiden, wie dies etwa in Zusammenhang mit der Einrichtung des Asylgerichtshofs geschehen sei. Damit würde das rechtsstaatliche Gefüge wesentlich geschwächt und die Rechtseinheitlichkeit der Verwaltung aufgegeben, betonen die RichterInnen. Stattdessen wünscht sich der VwGH weitgehende Ablehnungsmöglichkeiten von Beschwerden.

Kurzfristig könnte die Belastung des VwGH dem Bericht zufolge dadurch reduziert werden, indem die Prüfungskompetenz in weiten Bereichen des Fremdenrechts den Unabhängigen Verwaltungssenaten übertragen wird. Das Vorhaben der letzten Regierung, eine Anfechtung von Entscheidungen des VwGH beim VfGH zu ermöglichen, lehnt der Verwaltungsgerichtshof unter anderem mit dem Argument ab, dass dadurch die Zahl von Doppelbeschwerden deutlich steigen würde.

VfGH warnt vor Überlastung durch Asylbeschwerden
An den Verfassungsgerichtshof wurden laut Bericht im Jahr 2007 2.835 neue Fälle herangetragen. Gleichzeitig konnten 2.565 Fälle erledigt werden. Dazu zählen etwa 233 Gesetzesprüfungsverfahren, 99 Verordnungsprüfungsverfahren, 2.205 Bescheidbeschwerden und 4 Wahlanfechtungen.

In Summe hob der VfGH von 42 geprüften Bundes- und Landesgesetzen 25 teilweise auf. 17 hielten der Prüfung hingegen stand. Als verfassungswidrig wurden etwa Teile des Asylgesetzes, des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes, des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes und des Wertpapieraufsichtsgesetzes gewertet. Auch der Anfechtung einer Bestimmung des Landarbeitsgesetzes durch die SPÖ gaben die VerfassungsrichterInnen statt. Hingegen blitzten Grüne und SPÖ mit einer gemeinsamen Anfechtung des Telekommunikationsgesetzes ab.

Ein enormes Problem sieht der VfGH durch Asylbeschwerden auf sich zukommen. Er rechnet mit bis zu 4.000 Fällen pro Jahr, nachdem Asylwerbern der Rechtszug zum Verwaltungsgerichtshof seit der Einrichtung des Asylgerichtshofs grundsätzlich verwehrt ist. Selbst wenn nur 10 % der vom Asylgerichtshof abgewiesenen Entscheidungen beim VfGH landen, würde das 1.200 Fälle mehr bedeuten, rechnen die VfGH-RichterInnen vor und warnen vor einer deutlichen Verlängerung der durchschnittlichen Erledigungsdauer von Verfahren vor dem VfGH. Derzeit liegt diese bei rund acht Monaten.

Erneut weist der VfGH darauf hin, dass er in zunehmendem Ausmaß durch Beschwerden gegen Bescheide von Behörden in Anspruch genommen wird, gegen deren Entscheidung keine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig ist. Der VfGH müsse in diesen Fällen auch dann eine Sachentscheidung treffen, wenn in der Beschwerde keine verfassungsrechtliche Frage aufgeworfen wird, heißt es im Bericht. Der VfGH spricht sich dafür aus, Entscheidungen derartiger Behörden der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofs zu unterwerfen. Darüber hinaus setzt sich der VfGH kritisch mit der Nichtvorlage von angeforderten Akten an den Gerichtshof und einer Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes ohne vorherige Befassung des VfGH auseinander.
     
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