Die Parlamentsbibliothek ist heute 140 Jahre alt   

erstellt am
11. 05. 09

Wien (pk) - Bücher haben ihre Schicksale, sagt man, erst recht gilt das wohl für Büchersammlungen. Die große Bibliothek von Alexandria, durch deren Brand bei Julius Caesars Intervention im ägyptischen Thronstreit literarische Schätze der Antike unwiederbringlich verloren gingen, ist das vielleicht prominenteste Beispiel. Die Bibliothek des österreichischen Parlaments hat es auf der Skala der Berühmtheit zwar nicht so weit gebracht, hat aber im österreichischen und europäischen Maßstab doch einiges vorzuweisen.

Als "Geburtstag" der Parlamentsbibliothek kann der 11. Mai 1869 gelten: Mit einem kaiserlichen Handschreiben begann heute vor 140 Jahren die Sammlung einschlägiger Schriften – zunächst Gesetzessammmlungen, dann in- und ausländischer Parlamentsschriften, Gesetz- und Verordnungsblätter, schließlich höchstgerichtlicher Entscheidungen, grundlegender Werke des Rechts, der Staatslehre und des Parlamentarismus, der Politik, der Volkswirtschaft, der Soziologie und nicht zuletzt der Europäischen Integration. Der Ursprung der Bibliothek waren, wie deren Leiterin, Elisabeth Dietrich-Schulz, in einem Aufsatz festgehalten hat, "acht Kästen aus hartem Holz und neun Kästen aus weichem Holz". Neben Sammlungen von Gesetzen enthielten sie auch Kants "Metaphysische Anfänge der Rechtslehre" und Adam Smiths grundlegendes Werk "Über die Quellen des Volkswohlstands".

1869 schätzte der erste Leiter der Parlamentsbibliothek, Franz Koch, den Bücherbestand auf 6.000 Bücher, ein Jahr später bereits auf 8.000 bis 10.000 Bücher. Heute umfasst die Parlamentsbibliothek mehr als 330.000 Bücher, rund 380 aktuelle Fachzeitschriften und 200 Loseblattausgaben. Außerdem bietet sie Zugang zu zahlreichen Datenbanken online und auf CD-ROM.

1895 wurde Karl Renner, der spätere zweifache Staatsgründer, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Bibliothek. Eine Gedenktafel nahe dem Eingang zur Bibliothek erinnert daran. Eingestellt wurde Renner unter Bibliotheksdirektor Siegfried Lipiner, der im Wien des Fin de Siecle eine wichtige Rolle spielte und z.B. das Schaffen Gustav Mahlers beeinflusste. Renners Aufgabe war es, die bereits auf rund 25.000 Bände angewachsene Bibliothek inhaltlich zu erschließen. Der von Renner eingeführte systematische Katalog wurde bis 1994, also ein ganzes Jahrhundert, weitergeführt.

Zu den wertvollsten Stücken der Parlamentsbibliothek zählen heute das Oktoberdiplom 1860 und das Februarpatent 1861 – zwei verfassungsrechtliche "Meilensteine" aus der Zeit der Habsburgermonarchie. Den Anfang der langen Reihe der im Lesesaal der Parlamentsbibliothek aufgestellten parlamentarischen Materialien bilden vier Bände der Protokolle des Reichstags von Kremsier aus dem Jahr 1848.

Die Bibliothek war und ist eine wichtige Informationsquelle für die Abgeordneten zum Nationalrat, die Mitglieder des Bundesrates, die österreichischen Mitglieder des Europäischen Parlaments, die Angestellten der parlamentarischen Klubs, die parlamentarischen MitarbeiterInnen sowie die Bediensteten der Parlamentsdirektion.

Auch externe LeserInnen sind in der Bibliothek des Parlaments – nach Anmeldung - willkommen: Öffnungszeiten Montag bis Freitag zwischen 8.30 und 15.30 Uhr, ausgenommen Plenarsitzungstage des Nationalrats und des Bundesrats. Weitere Informationen siehe Homepage des Parlaments:
     
Informationen: http://www.parlament.gv.at    
     
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