Mittelfristige Finanz- und Wirtschaftspolitik im Schatten der Krise   

erstellt am
18. 05. 09

Budgetdefizit: Regierung kündigt Korrektur ab 2012 an
Wien (pk) - Finanzminister Josef Pröll hat dem Nationalrat kürzlich das Österreichische Stabilitätsprogramm für die Jahre 2008 bis 2013 ( III-52 d.B.) vorgelegt und betont darin einmal mehr den Grundsatz einer nachhaltigen Budget- und Finanzpolitik, die auf konjunkturelle Schwächen reagiert und zugleich auf eine ausgeglichene Bilanz über den Konjunkturzyklus hinweg zielt. Ausgeglichener Haushalt über den Konjunkturzyklus, Investitionen in F&E, Infrastruktur und Bildung, Sicherung des Sozialsystems und Strukturreformen in der öffentlichen Verwaltung lauten die Stichworte der weiterhin gültigen 3 Säulen-Strategie der Bundesregierung in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Um eine länger dauernde Überschreitung der Maastricht-Grenze von 3 % für das öffentliche Defizit zu vermeiden, "wird die Regierung alle notwendigen Maßnahmen treffen, um bis 2012 eine Korrektur vorzunehmen", heißt es im aktuellen Stabilitätsprogramm.

Österreichs mittelfristige Finanz- und Wirtschaftspolitik
Auf der Grundlage von Daten der Statistik Austria für 2008 und Prognosen des BMF und WIFO fasst die Bundesregierung zunächst die dramatischen globalen ökonomischen Ereignisse und Entwicklungen zusammen, die dazu führten, dass die seit 2005 dauernde Phase von BIP-Wachstumsraten knapp unter 3 % im 1. Quartal 2008 endete und trotz eines starken ersten Halbjahres 2008 ein Wachstumseinbruch von minus 1,8 % eintrat. Vom internationalen Konjunkturabschwung besonders schwer getroffen wurde die heimische Exportwirtschaft. Wegen Auftragsrückgängen, sinkender Kapazitätsauslastung und verhaltener Kreditvergabe der Banken ließen die Investition deutlich nach. Dennoch lag Österreich - wie in den vergangenen Jahren - auch 2008 wirtschaftlich besser als die Eurozone und als der wichtigste Handelspartner Deutschland.

Nach einem merklichen Anstieg der Inflation bis Mitte 2008 mit einem Höhepunkt im Juni (3,9 %) ging die Teuerungsrate ab Oktober deutlich zurück. Nachdem die Arbeitslosigkeit noch bis in das 3. Quartal 2008 zurückgegangen war, drehte sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt im November 2008. Die Zahl der Beschäftigten stieg im Dezember 2008 nur mehr um 0,8 %. Im Jahresdurchschnitt betrug die Arbeitslosenquote laut Eurostat 3,8 % und 5,8 % nach heimischer Berechnungsmethode. Zur Jahreswende 2008/2009 verschlechterten sich Beschäftigung und Arbeitslosigkeit deutlich weiter.

Die Finanzmarktkrise hatte sich im September 2008 durch die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers weiter verschärft, die Liquidität auf den Märkten trocknete aus und der Zinsspread Österreichs gegenüber Deutschland nahm zu, weil Investoren in unsicheren Zeiten in liquide deutsche Anleihen flüchten. Zudem sensibilisierte die Lehman-Insolvenz die Märkte für das Engagement österreichischer Unternehmen in Zentral- und Osteuropa, was den Spread zu Deutschland weiter erhöhte.

Nach einem Rekordhoch der Wiener Börse im Juli 2007 kam es seit Anfang 2008 zu deutlichen Kursrückgängen, die Marktkapitalisierung sank auf das Niveau von 2004. Der ATX ging 2008 um 60 % zurück, die Umsätze inländischer Aktien um 20 %.

2009 erleben Österreich und ein Großteil der europäischen Staaten eine Rezession. Das BIP wird real um 2,2 % abnehmen. Besonders stark wird der Rückgang der Exporte ausfallen, die erstmals seit 1993 um 5,6 % zurückgehen werden. Bruttoanlageinvestitionen (minus 5,1 %) und Ausrüstungen (minus 10%) schrumpfen wegen der verschärften Kreditbedingungen und der niedrigen Kapazitätsauslastung. Die notwendigen Impulse zur Belebung der Wirtschaft kommen vom Teuerungsausgleich aus dem Jahr 2008, den beiden Konjunkturpaketen, den guten Lohnabschlüssen für 2009 und von der Verlangsamung des Preisauftriebs. Für 2010 erwartet das WIFO eine leichte Erholung der österreichischen Wirtschaft mit einem BIP-Wachstum von 0,5%.

Anfang April 2009 arbeiteten österreichweit 47.158 Beschäftigte kurz. Im Mai 2009 wird mit weiteren 5.180 Kurzarbeitern gerechnet. Die Arbeitslosigkeit stieg im März um 60.671 (+28,8%) auf 271.127 (AMS-Definition). Das WIFO rechnet für 2009/10 mit einer Arbeitslosenquote (laut Eurostat) von 5% bzw. 5,8%.

Die Inflation wird sich 2009 deutlich abschwächen, mit 0,6 % deutlich unter dem Niveau von 2008 und unter dem Inflationsziel der EZB liegen und auch 2010 gering bleiben (1,1%). Mit einer Deflation wird nicht gerechnet.

Ausblick und Strategie der Bundesregierung bis 2013
Für das reale BIP-Wachstum wird für den Durchschnitt der Jahre 2009 bis 2013 ein Wert von 0,8 % prognostiziert. 2010 sollen die Exporte wieder an Stärke gewinnen, die Investitionen sollten sich erholen. Positive Impulse werden auch vom privaten Konsum ausgehen. Die Inflation wird von 2009 an kontinuierlich ansteigen und bis 2013 wieder nahe dem EZB-Referenzwert von nahe unter 2 % liegen. Die Arbeitslosenquote wird laut Eurostat bis 2012 auf 6,3% steigen. Für 2013 wird eine Trendumkehr erwartet. Mit einem moderaten Beschäftigungswachstum wird ab 2012 gerechnet.

Angesichts der Konjunkturschwäche 2009 und 2010 tritt die Bundesregierung für die Absicherung des Wirtschaftswachstums und der Arbeitsplätze ein. Großvolumige Konjunkturpakete sowie eine Entlastung der Lohn- und Einkommensteuerzahler und der Familien beleben Kaufkraft und Nachfrage 2009 und 2010. Dazu kommt die ebenfalls mit der Europäischen Union abgestimmte Stützung des heimischen Kapitalmarktes. Mittelfristig stehen Standortsicherung, Vollbeschäftigung und Vermeidung von Jugendarbeitslosigkeit sowie Rückkehr zur Budgetdisziplin im Vordergrund.

Im Sinne des Lissabon-Prozesses der EU werden für die Unternehmen Anreize zu Investitionen geschaffen, die Infrastruktur ausgebaut und eine nachhaltige Umwelt-, Klimaschutz- und Landwirtschaftspolitik zur Sicherung der Lebensqualität in Österreich forciert. Bis 2020 sollen die Treibhausgasemissionen um 20 % reduziert und die Energieeffizienz um 20 % erhöht werden und der Gesamtanteil an erneuerbaren Energien in der EU auf 20 % steigen. Einer aktiven Standortpolitik und der Sicherung des österreichischen Wachstumspotenzials dienen der Abbau von Wettbewerbsbeschränkungen beim Zugang zu den freien Berufen, bessere Wettbewerbsregeln, eine aktive Außenhandelspolitik sowie eine Export- und Internationalisierungsoffensive zur Markterschließung und für Investitionen in Märkte mit hohem Wachstumspotenzial.

Die Bundesregierung erleichtert durch ihre Arbeitsmarktpolitik die Schaffung von Arbeitsplätzen und fördert die Beschäftigungsaufnahme und die Arbeitsmarkintegration zielgruppenorientiert (Jugendliche, ältere Arbeitnehmer, gering Qualifizierte, Wiedereinsteiger, Menschen mit Behinderung, Migranten und Sozialhilfebezieher) weiter.

Durch weitere Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Forschung sollen die Wohlstandsgrundlagen abgesichert und der Jugend gute Startchancen in das Berufsleben geboten werden. Dies geht vom verpflichtenden (halbtags) kostenlosen, letzten Kindergartenjahr über weitere Reformen im Schulbereich bis hin zur Stärkung der Fachhochschulen und Universitäten. Die Forschungsquote soll bis 2010 auf 3 % des BIP angehoben werden und bis 2020 4 % erreichen. Die Herstellung von Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern ist ein weiterer Schwerpunkt.

Schließlich bekennt sich die Regierung zu gesunden und stabilen Staatsfinanzen als Grundlage eines funktionsfähigen Staates. Um über den Konjunkturzyklus einen ausgeglichenen Haushalt herzustellen, sind Konsolidierungsmaßnahmen notwendig, hält die Bundesregierung fest und verweist auf die 200 Vorschläge des Rechnungshofes zur Verwaltungsreform und zum Bürokratieabbau. Diese Vorschläge bearbeitet eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers mit folgenden Schwerpunkten: Senkung der Verwaltungskosten, Gesundheitswesen, Schulwesen und Wissenschaft, effizientes Förderwesen, Pensionen und Personalpolitik des Bundes. Die Umsetzung der Vorschläge soll sich in moderat wachsenden öffentlichen Ausgaben, mehr Wirkungsorientierung und höherer Effizienz niederschlagen. So kann sowohl das Leistungsniveau der öffentlichen Verwaltung erhöht als auch die Budgetkonsolidierung vorangetrieben werden, heißt es im Österreichischen Stabilitätsprogramm für die Jahre 2008 bis 2013.
     
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