Die Krise als Chance - auch im Justizressort?   

erstellt am
29. 05. 09

Nationalrat debattiert Budgets für das Justizministerium
Wien (pk) - Zum Schluss der Budgetdebatte am 28.05. befassten sich die Abgeordneten mit den Voranschlägen für das Justizressort. Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) kritisierte die massive Gebührenbelastungen bei Obsorgestreitigkeiten, die Anhebung der Streitwertgrenzen im Mahnverfahren und im Bagatellverfahren und lehnte überdies die Erhöhung der Schranke für die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs ab. Der Justizministerin bescheinigte Fichtenbauer, sie könne angesichts der allgemeinen Knappheit der Mittel für dieses Budget nicht gescholten werden.

Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V) stellte zufrieden fest, unter den gegebenen Rahmenbedingungen sei das vorliegende Justizbudget mit einer Steigerung von 11,3 % und im Wesentlichem gleichbleibendem Personalstand ein großer Verhandlungserfolg der neuen Ministerin. Zur Kritik Fichtenbauers an den Gebühren im Obsorgestreit bemerkte er, wo diese Gebühren nicht leistbar seien, gebe es Verfahrenshilfe.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) kritisierte, dass gerade im Sicherheitsbereich eingespart wurde. Es kam zu Kürzungen sowohl im Innen-, im Verteidigungs- als auch im Justizressort; dies sei ein völlig falsches Signal. Sinnvolle Einsparungen hätte man etwa durch eine Verwaltungs- und eine Gesundheitsreform erzielen können. Außerdem konnte die Justizministerin nicht ausschließen, dass es 2009 zu personellen Kürzungen kommt, obwohl in den letzten Jahren viele neue Aufgaben hinzugekommen sind und es ein wachsendes Kriminalitätsproblem gibt. Eine härtere Vorgangsweise der Justiz wünschte sich Scheibner im Falle von terroristischen Aktivitäten, Jugendkriminalität, Drogendealern und straffälligen Asylwerbern. Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im Vorjahr 118 Sexualstraftäter vorzeitig entlassen wurden. Diese Personen sollten ihre Haft bis zum letzten Tag abbüßen, forderte er. Schließlich wünschte er sich die dringend notwendige Modernisierung des Familienrechts, wobei unter anderem auf die Bedürfnisse der Patch-Work-Familien besser Rücksicht genommen werden soll.

Abgeordneter Johannes JAROLIM (S) hielt es für wesentlich, dass nach jedem Strafvollzug eine intensive Betreuung stattfindet, weil dadurch die Gesellschaft am besten geschützt werden könne. Es sei klar, dass alle Ressorts aufgrund der Wirtschaftskrise Kürzungen hinnehmen mussten, räumte Jarolim ein, er glaube jedoch, dass das Justizministerium noch relativ gut ausgestiegen sei. Die Ausgangsposition sei nicht ganz leicht gewesen, da man noch immer unter den Auswirkungen der "verheerenden Reform" des Ministers Böhmdorfer zu leiden habe, die einen enormen Mehrbedarf an Personal verursacht hat.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) erinnerte die Justizministerin an ihre Ankündigung beim Amtsantritt, sie werde wie eine Löwin für eine ausreichende Personalausstattung des Justizbereichs kämpfen. Das Ergebnis sei nun aber ziemlich unbefriedigend, da weder bei den Planstellen noch bei der finanziellen Ausstattung die angepeilten Ziele erreicht werden konnten, urteilte der G-Mandatar. Es fehlten jetzt schon 30 StaatsanwältInnen, 150 RichterInnen und 250 Kanzleikräfte. Die weiteren Einsparungen führten dazu, dass es in Zukunft um 5 % zu wenig Personal gibt. Zweifel äußerte Steinhauser auch hinsichtlich der Effizienz der Justizentlastungspakete. Experten befürchten bereits, dass damit die Bürger für mehr Geld weniger Leistung bekommen. Besonders enttäuscht war der G-Mandatar darüber, dass trotz gegenteiliger Versprechen die Mittel für die Bewährungshilfe gekürzt werden; damit werde der Erfolg des Haftentlassungspakets gefährdet.

Nach Ansicht von Abgeordneter Beatrix KARL (V) ist die Mittelknappheit im Justizbereich nicht so gravierend, wie sie von ihrem Vorredner dargestellt wurde. Die Einsparungen im Personalbereich werden nämlich ab 2010 im Ausmaß von 42 und ab 2012 im Ausmaß von 43 Planstellen pro Jahr stattfinden; das ist ein Minus von nur vier Promille jährlich. Sie war zudem überzeugt davon, dass die Ministerin die Krise als Chance versteht, Effizienzpotenziale nutzt und die Justizmitarbeiter durch zahlreiche kurz- und langfristige Maßnahmen entlastet. Im besonderen wies Karl auf die Förderung der Vereine für Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft und Opferhilfe hin, die sehr wichtige Aufgaben wahrnehmen.

Abgeordneter Harald STEFAN (F) äußerte sich ablehnend zur Einschränkung der Geschworenengerichtsbarkeit und verwies auf das damit verbundene Korrektiv des unvoreingenommenen Laien. Für großen Unmut in der Bevölkerung sorgten die so genannten Besuchsrechtsverfahren, führte Stefan weiter aus, da diese in der Praxis oft recht langwierig seien und zu restriktiv gehandhabt würden.

Abgeordnete Ruth BECHER (S) befasste sich in ihrer Wortmeldung zum Justizkapitel vor allem mit wohnrechtlichen Aspekten. Die dringlichste Frage in diesem Bereich betreffe das jüngste OGH-Urteil zum Ersatz von Gasthermen in Mietwohnungen, zeigte Becher auf. Darin heißt es, dass der Vermieter nicht zum Erhalt von mietrechtlichen Gasthermen verpflichtet ist. Gleichzeitig habe aber auch der Mieter die Möglichkeit, bei schadhaften Thermen sein Recht auf Mietzinsminderung geltend zu machen. Daher sei nun die Politik aufgefordert, eine gesetzliche Lösung zu finden.

Abgeordneter Christoph HAGEN (B) sprach der Justizministerin sein Beileid aus, da ihr ihre Vorgängerin keine leichte Aufgabe hinterlassen habe. Er halte es für grob fahrlässig, wenn beim Justizbudget eingespart werde, zumal die Richter, Staatsanwälte und Justizwachebeamten jetzt schon massiv belastet sind. Aufgefallen sei ihm auch, dass die Mittel für die Instandhaltung von Gebäuden um 49 % gekürzt wurden, obwohl viele Haftanstalten schon überfüllt seien. Hagen plädierte dafür, dass ausländische Straftäter ihre Haft in deren Heimatländern absitzen, wodurch viel Geld eingespart werden könnte.

Abgeordnete Anna FRANZ (V) räumte ein, dass schmerzhafte Einsparungen auch im Justizbudget vorgenommen werden mussten. Der Ressortchefin sei es jedoch gelungen, diese Einsparungen auf alle Berufsgruppen gerecht aufzuteilen. Im Voranschlag sind für die Jahre 2009 und 2010 insgesamt je 1,17 Mrd. € vorgesehen, informierte Franz. Wesentlich sei, dass weiterhin der Zugang zum Recht gewährleistet sei und dass es eine hohe Rechtssicherheit gibt. Ein besonderes Anliegen war ihr der Opferschutz, der zwar in den letzten Jahren laufend verbessert werden konnte, dennoch müssten weitere wichtige Punkte umgesetzt werden.

Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) widmete sich vor allem der Rolle der Kinder und Jugendlichen innerhalb der Justiz. Im konkreten sprach sie das Pilotprojekt Kinderbeistand an, das das Ziel verfolge, Kindern und Jugendlichen in Obsorgestreitigkeiten rechtliche und psychische Unterstützung zukommen zu lassen. Diese müsse aber beitragsfrei eingeführt werden, damit ein solches Instrumentarium auch von allen Eltern in Anspruch genommen werden kann, forderte Musiol. Außerdem wünschte sie sich eine Ausweitung der Jugendgerichtshilfe auf die Bundesländer.

Bundesministerin Claudia BANDION-ORTNER räumte gegenüber dem Abgeordneten Steinhauser ein, dass die Mittel in der Justiz knapp sind und die Bediensteten am Limit arbeiten. Niemand sei aber schuld daran, dass es zu wenig Geld gibt, meinte Bandion-Ortner, da diese Situation aufgrund der wirtschaftlichen Probleme von außen aufgezwungen sei. Es helfe aber nicht, den Kopf hängen zu lassen, sondern man müsse die Chance ergreifen und die Justiz effizienter und moderner gestalten, Verfahrensabläufe vereinfachen und Bürokratie abbauen. So glaube sie etwa, dass auch Österreich ohne RSa-Briefzustellung, die es in ganz Europa nicht gibt, auskommen werde. Was die Bewährungshilfe anbelangt, so müssen z.B. die bayrischen Bewährungshelfer doppelt so viele Klienten betreuen als in Österreich. Außerdem stehen für die Bewährungshilfe im Jahr 2009 um 2,7 % mehr Mittel zur Verfügung, zeigte die Justizministerin auf. Hinsichtlich der Gebühren informierte Bandion-Ortner darüber, dass vor zwölf Jahren die letzten Erhöhungen stattgefunden haben.

Abgeordneter Otto PENDL (S) gab einleitend zu bedenken, dass dieselben Abgeordneten, die in jedem Kapitel die Einsparungen beklagen, sich gleichzeitig auch über die Gesamtschulden beschweren. Außerdem wolle er daran erinnern, dass die größten Planstellenreduktionen in den Jahren zwischen 2000 und 2006 stattgefunden haben. Pendl war der Meinung, dass die österreichische Justiz und Gerichtsbarkeit hervorragende Leistungen erbringe, deshalb gebühre den vielen engagierten Bediensteten großer Dank.

Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) verglich die durchschnittlichen Gesundheitskosten für Häftlinge in der Höhe von 7.000 € pro Kopf mit jenen von NormalbürgerInnen in der Höhe von 3.000 € pro Kopf und stellte dazu fest, dies stelle eine Schieflage dar. Rosenkranz sah in diesem Bereich daher größere Einsparungsmöglichkeiten. Er kritisierte auch, dass durch die Anstellung von PhysiotherapeutInnen in Strafanstalten Häftlinge viel rascher eine Behandlung erhalten als andere BürgerInnen. Rosenkranz machte weiters den Vorschlag, das Delikt des Asylbetrugs in das Strafgesetzbuch aufzunehmen.

Abgeordneter Bernd SCHÖNEGGER (V) räumte ein, dass die Budgetmittel knapp sind und die Ministerin gefordert sei, mit realistischen Zahlen an die Planung heranzugehen. Man habe jedoch ein Maßnahmenpaket erarbeitet, um die MitarbeiterInnen im Justizbereich zu entlasten. So werde es eine flexiblere Administration geben und den Abbau unnötiger bürokratischer Vorschriften. Die Einsparungen würden auf alle Berufsgruppen in der Justiz aufgeteilt, wobei selbstverständlich die unterschiedlichen Belastungen berücksichtigt würden, erläuterte Schönegger. Die Justizpolitik sei aber auch jener Bereich, in dem man ohne zusätzliche Budgetmittel gestalterisch tätig werden könne, sagte er und nannte in diesem Zusammenhang das Insolvenzrecht, die Bestimmungen zu den GmbHs und Anpassungen im Korruptionsstrafrecht. Abschließend appellierte er, die Justiz aus der Tagespolitik herauszuhalten.

Abgeordneter Ernest WINDHOLZ (B) glaubte nicht, dass durch Bürokratieabbau und Effizienzsteigerung der Abbau von rund 170 Planstellen wettgemacht werden könne. Wenn die Regierung eine Verwaltungsreform gewollt hätte, dann hätte sie die Möglichkeit gehabt, als ÖVP und SPÖ noch über eine Zwei-Drittel-Mehrheit verfügten. In der Justiz gehe es um Sicherheit, und dort einzusparen, sei ein falsches Signal, stellte er fest. Windholz übte Kritik am Haftentlassungspaket und warnte davor, das Institut der Ersatzfreiheitsstrafe abzuschaffen.

Abgeordnete Gisela WURM (S) bemerkte, als FPÖ und BZÖ in der Regierung waren hätte die Devise geheißen: "einsperren, wegsperren, zusperren". Wurm begrüßte, die Anhebung der Budgetansätze etwa für Sachwalterschaft und Opferschutzeinrichtungen. Als einen wichtigen Gesetzesbeschluss bezeichnete sie das Gewaltschutzgesetz II. Als wesentliche weitere Vorhaben nannte Wurm das Familienrechtsänderungsgesetz, wo es unter anderem um die Patchwork-Familien geht, die Verbesserung des Unterhaltsvorschussgesetzes und das neue Lebenspartnerschaftsgesetz. Darin sollen die Rechte homosexueller Paare verankert werden, womit man die diesbezügliche Rechtslage auf europäisches Niveau hebe. Wurm sprach sich abschließend für eine verpflichtende Rechtsberatung für Frauen vor Scheidungen aus.

Abgeordneter Christian LAUSCH (F) bezweifelte, dass die Einsparung von 169 Planstellen verkraftbar sein soll, zumal es in der Justiz eine Lücke von 1.000 Planstellen, vor allem bei RichterInnen und JustizwachebeamtInnen, gebe. Sparen beim Personal heiße sparen bei der Sicherheit, kritisierte Lausch und brachte einige Einsparungsvorschläge vor. So könnte man seiner Meinung nach bei der Krankenbehandlung der Häftlinge sowie beim Drogenersatzprogramm sparen. Es gebe kostengünstigere Substitutionsbehandlungen, sagte er. Er konnte auch nicht verstehen, dass man in der Justiz überlege, den derzeit einzigen Drogenhund zu ersetzen, sollte dieser zu alt für Einsätze werden. Lausch regte weiters an, die Verträge mit den Krankenanstalten zu überprüfen, da derzeit die Justiz zahlen müsse, ob Betten belegt werden oder nicht. Kritisch bewertete er auch den seiner Meinung nach teuren Zukauf von Leistungen im Freizeitbereich. Abschließend brachte er einen Entschließungsantrag ein, in dem eine Erhöhung der Planstellen für Exekutivbedienstete in der Justizwache verlangt wird.

Abgeordneter Gerhard KÖFER (S) gab zu bedenken, dass bei den Einsparungen in der Justiz sensibel vorgegangen werden muss, denn ein eventueller Vertrauensverlust in der Bevölkerung stelle eine Gefährdung der Demokratie dar. Köfer hielt grundsätzlich die geplanten Sparmaßnahmen für richtig, äußerte sich jedoch kritisch zu den Gerichtsgebühren in Besuchsrechtsangelegenheiten. Er begrüßte daher die Signale aus dem Ministerium, diese nochmals zu überdenken. Ebenso befürwortete er die Zusage, die Neuregelung der Briefzustellung in Mietrechtsangelegenheiten nach einem Jahr zu evaluieren. Er zeigte sich auch froh über die Aussage der Justizministerin, dass es zu keinen weiteren Schließungen von Bezirksgerichten mehr komme, denn diese seien sowohl rechtspolitisch als auch wirtschaftlich und psychologisch von Bedeutung, sagte er.

Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) beschäftigte sich mit der eigenhändigen Zustellung von Gerichtsstücken und bewertete die Änderung der derzeitigen Praxis als eine Verschlechterung. Man müsste überlegen, ob dies nicht auch Änderungen im Zustellgesetz notwendig mache, stellte Fichtenbauer fest. Schließlich wies er auf Schwierigkeiten für BürgerInnen hin, wenn ein Gerichtstermin während der Hinterlegungsfrist angesetzt wird.

Abgeordneter Rudolf PLESSL (S) kam ebenfalls auf das Thema der Zustellung zu sprechen und rechnete vor, dass hier ein Einsparungspotential vorhanden ist. Die zugesagte Evaluierung bei der Zustellung im Bereich Mitrecht hielt er für sinnvoll. Ob der Abbau von Planstellen Auswirkungen habe, bleibe abzuwarten, so Plessl, wichtig scheine ihm aber, dass es zu keiner Verschlechterung in der Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei kommt.

Abgeordnete Elisabeth HAKEL (S) widmete sich dem Thema der Jugendgerichtsbarkeit und übte heftige Kritik am seinerzeitigen Justizminister Böhmdorfer, der den Jugendgerichtshof abgeschafft hatte. Der Jugendgerichtshof habe Österreich zu einem Vorzeigeland bei der Jugendgerichtsbarkeit gemacht, betonte Hakel, es habe eine geringe Rückfallsquote gegeben, und die Jugendlichen seien auf das Berufsleben und auf ein gewaltfreies Leben vorbereitet worden. Sie begrüßte daher die Ankündigung in der Regierungserklärung, den Jugendgerichtshof wieder zu errichten und unterstrich die Notwendigkeit eines Jugendkompetenzzentrums.

Abgeordneter Ewald SACHER (S) zeigte sich erfreut darüber, dass die Trägervereine für die Sachwalterschaft mehr Geld bekommen. Die Tatsache, dass die Gebühren für Außer-Streit-Verfahren nun auch in Sachwalterschaftsangelegenheiten schlagend werden, sah er jedoch als eine Wermutstropfen.
     
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