Nationalrat: Etat der Wissenschaft auf dem Prüfstand   

erstellt am
28. 05. 09

Mehr Geld für die Wissenschaft
Wien (pk) – Am 27.05. waren im Rahmen der Fortsetzung der Debatte über das Doppelbudget 2009/2010 die Untergruppen Wissenschaft und Forschung das Thema. Abgeordneter Andreas KARLSBÖCK (F) hielt das vorliegende Wissenschaftsbudget nicht für ausreichend, um jene Ziele zu erreichen, die bei der Diskussion über den aktuellen Hochschulbericht ins Auge gefasst wurden: Verkürzung der langen Studiendauer und Erhöhung der viel zu niedrigen Abschlussquote. Zur Diskussion um die österreichische CERN-Mitgliedschaft stellte Karlsböck fest, CERN sei ein "Mutterschiff" für viele Forschungsprojekte und wies auf die Bedeutung dieser Mitgliedschaft für die Reputation Österreichs auf internationaler Ebene hin. In einem Entschließungsantrag seiner Partei forderte der Abgeordnete ein unmissverständliches Bekenntnis zur CERN-Mitgliedschaft Österreichs ein. Angesichts der Aufregung über einen Entwurf für eine Novelle zum Universitätsgesetz, die eine Erhöhung der Studiengebühren und verstärkten politischen und wirtschaftlichen Einfluss auf die Universitäten mit sich bringen soll, beantragte der Redner ein Begutachtungsverfahren und eine umfassende parlamentarische Debatte über die geplante Novellierung.

Abgeordneten Beatrix KARL (V) hielt der Aussage, die österreichische CERN-Mitgliedschaft sei als ein Mutterschiff österreichischer Wissenschaftsprojekte zu betrachten, gegenteilige Auffassungen von Professoren entgegen und warnte vor jedem wissenschaftspolitischen Populismus. Es gelte an den Universitäten moderne Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Wissenschaft und Forschung ihre wichtigen Beiträge zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und für nachhaltiges Wirtschaftswachstum leisten können. Österreich brauche hochentwickelte Forschungseinrichtungen - das vorliegende Budget stelle dies sicher. Die Aufregung über die geplante Novellierung des Universitätsgesetzes basiere auf "Lügen und einem falschen Entwurf", dessen Hintergründe die Abgeordnete in den ÖH-Wahlen vermutete. Niemand wolle die Studienbeiträge erhöhen oder den offenen Zugang zu Universitäten und Masterstudien in Frage stellen, hielt Karl fest.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) äußerte die Befürchtung, das Plus in den Wissenschaftsbudget 2009 und 2010 werde durch höhere Fixkosten und die Refundierung von Studiengebühren aufgefressen. So sei es nicht möglich, den durch die Krise bedingten Ausfall an privaten Forschungsmitteln von Seiten der öffentlichen Hand auszugleichen. Lob zollte der Redner den höheren Aufwendungen für die Fachhochschulen, kritisierte aber die insgesamt unkoordinierte Wissenschaftspolitik, für die "CERNOBYL" symptomatisch sei.

Abgeordnete Andrea KUNTZL (S) sah den Schwerpunkt der Bundesregierung für Bildung, Wissenschaft und Forschung durch das vorliegende Wissenschaftsbudget deutlich unterstrichen und machte darauf aufmerksam, dass die Universitäten in den nächsten Jahren mit mehr Mitteln rechnen können. Leitgedanke sei es, die Studienbedingungen zu verbessern und die Universitäten für eine höhere Zahl von Absolventen auszustatten. Dazu komme das Ziel, junge ForscherInnen stärker zu fördern. Bei der geplanten Novellierung des Universitätsgesetzes will Abgeordnete Kuntzl den freien Hochschulzugang erhalten, Studiengebühren nicht anheben, Verbesserungen für den Mittelbau vorsehen und eine 40 %-Frauenquote einführen. Für die Zukunft setze sie auf einen völligen Entfall der Studiengebühren, da der Aufwand der Einhebung mit dem Ertrag in keinem Verhältnis stehe.

Abgeordneter Kurt GRÜNEWALD (G) kritisierte, dass die Regierung einerseits den Universitäten die Mittel entziehe, andererseits aber Leistungen auf Weltniveau von ihnen einfordere. Es sei einfach eine Tatsache, dass die Uni-Budgets in Österreich im Vergleich zu internationalen Eliteinstituten deutlich geringer sind. Und obwohl anerkannte Expertinnen sowie Vertreter von WIFO und IHS davor warnen, dass die Sistierung der Budgets ab 2011 zu drastischen Sparmaßnahmen führen wird, werde nicht offen darüber gesprochen, sondern noch immer schön geredet. Die Vorgangsweise rund um die Mitgliedschaft bei CERN, wo diskutiert wurde, ob man sich die 16 Mio. € noch leisten könne, zeige die ganze Tragik in der Wissenschafts- und Forschungspolitik, urteilte Grünewald.

Es sei wohl unbestreitbar, dass es in der Tat zusätzliche Mittel für Wissenschaft und Forschung gibt, konstatierte Bundesminister Johannes HAHN, und zwar um 15 % (2009) bzw. 10 % (2010) mehr als in den Vorjahren. Da aber die Möglichkeiten in der europäischen und internationalen Wissenschaftslandschaft derartig vielfältig geworden sind, müsse jedes Land seine eigenen Schwerpunktsetzungen festlegen. Denn selbst wenn noch deutlich mehr Geld in den Sektor gepumpt würde, komme man um die Prioritätensetzung nicht herum, gab Hahn zu bedenken. Sodann ging der Minister auf das Institut für Molekulare Biotechnologie des von Grünewald angesprochenen Professors Josef Penninger ein, der insgesamt 7,5 Mio. €, also ein gutes Drittel der Summe, die für CERN ausgegeben wird, erhält. Damit werden 160 hochqualifizierte Wissenschafter aus 40 Nationen beschäftigt, die Forschung auf Weltniveau betreiben. Er habe nie in Frage gestellt, dass am CERN gute wissenschaftliche Arbeit geleistet wird, betonte der Wissenschaftsminister, aber die Politik müsse – besonders in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten - darüber entscheiden, wo der Mitteleinsatz besser angelegt ist. Man müsse auch immer wieder offen für Neues sein und die Bereitschaft haben, Älteres bei Seite zu stellen, betonte Hahn. Außerdem halte er es für wichtig, dass eine längerfristige Planbarkeit gegeben ist, weil gerade der Forschungs- und Wissenschaftsbereich Stabilität, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit brauche. Schließlich legte er noch ein rückhaltloses Bekenntnis zur Exzellenz, zur Qualitätssicherung und zur Elite ab.

Abgeordneter Martin BARTENSTEIN (V) war auch der Auffassung, dass Österreich im Forschungs- und Entwicklungsbereich kräftig aufgeholt hat. Im Jahr 2009 werden vermutlich 2,73 % des Inlandsprodukts für diesen Bereich ausgegeben, wodurch Österreich zu Deutschland zumindest aufgeschlossen habe. Bei der Budgetierung und Planung habe das Prinzip der Kontinuität oberstes Priorität, meinte Bartenstein, da die "Penningers dieser Welt" nicht für drei Monate nach Österreich kommen, sondern nur für einen längeren Zeitraum. Da aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die privaten Forschungsaufwendungen zurückgehen, sei es umso wichtiger, dass die öffentliche Hand entsprechend entgegensteuert.

Die Wissenschaft sei die Basis des Erfolgs und des Wohlergehens von Morgen, schloss sich Abgeordneter Gerhard DEIMEK (F) seinen Vorrednern an. Dieser Grundsatz soll aber nicht nur verbal vertreten werden, sondern müsse auch in die Praxis umgesetzt werden, forderte er. Zustimmend äußerte sich Deimek auch zum vom Minister Hahn abgegebenen Bekenntnis zur Elite. Gleichzeitig dürfe aber auch nicht auf die Basis unterhalb der Elite vergessen werden. Der F-Mandatar forderte daher rasch eine Anpassung des Bundeszuschusses für die Fachhochschulen, die eine Erfolgsgeschichte darstellen.

Ab dem heutigen Tage könne er es nicht mehr akzeptieren, dass ein Politiker wie Martin Graf dem Nationalratspräsidium angehört und dem Wissenschaftsausschuss vorsitzt, erklärte Abgeordneter Elmar MAYER (S). Mit seinen Aussagen über Herrn Muzicant – "manche fragten sich schon, ob Muzicant nicht als "Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus" bezeichnet werden sollte" - habe er "den Rand der Demokratie verlassen". Er forderte Graf auf, als NR-Präsident sowie als Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses zurückzutreten.

Die Bereiche Forschung und Wissenschaft gehören neben dem Bildungssektor zu den wichtigsten Säulen, von denen die Weiterentwicklung eines Landes abhängt, meinte Abgeordneter Martin STRUTZ (B). Es sei auch richtig, dass in einer wirtschaftlich angespannten Situation Prioritäten gesetzt werden müssen, räumte der BZÖ-Mandatar ein, aber offensichtlich gebe es dazu innerhalb der Bundesregierung wie zum Beispiel im Fall von CERN verschiedene Auffassungen. Außerdem könne man auch nicht von einer großartigen Steigerung der Mittel sprechen, zumal die Unis im Jahr 2008 eine Budgetaufstockung von zunächst jährlich 600 Mio. €, dann später von zumindest 400 Mio. € verlangt haben. Im Jahr 2010 erhalten die Hochschulen aber nur um 355 Mio. € mehr, zeigte Strutz auf. Damit können die großen infrastrukturellen Mängel sicher nicht behoben werden. Außerdem wäre es effizienter gewesen, die Studiengebühren beizubehalten und sie für die Verbesserung der Studienförderung einzusetzen, um die bestehenden sozialen Barrieren abzubauen.

Abgeordnete Katharina CORTOLEZIS-SCHLAGER (V) war der Auffassung, dass die beiden Budgets klare Schwerpunkte im Bereich Forschung setzen. So stehen etwa im Jahr 2009 3,4 Mrd. € für Wissenschaft und Forschung zur Verfügung, was einem Anstieg von 15 % entspricht; im Jahr 2010 sind es weitere 10 %. Auch sie trat dafür ein, dass eine mehrjährige, stabile und verlässliche Finanzierung gewährleistet werden müsse. Dieser Kurs wurde mit dem Instrumentarium der Leistungsvereinbarungen und der Hochschulautonomie eingeleitet. Mit dem vorliegenden Budget werde die Grundlage gelegt, um die strategische Planung und Profilbildung bis 2013 zu schaffen, führte Cortolezis-Schlager weiter aus. Es sei weiters begrüßenswert, dass es erstmals gelungen sei, die größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung, die Österreichische Akademie der Wissenschaft, mit einem Globalbudget auf bessere Beine zu stellen. Außerdem werde die duale Ausbildung in ihrer Durchlässigkeit zum tertiären Bereich mit dem Modell Lehre und Matura unterstützt, aber auch vor allem mit den Fachhochschulen, deren Budgets um 13,7 % aufgestockt werden. Sehr erfreulich sei auch, dass im Universitätsgesetz eine Frauenquote in der Höhe von 40 % festgeschrieben ist.

Abgeordnete Ruperta LICHTENECKER (G) stellte die Vergleichbarkeit von Forschungsausgaben in den jeweiligen Ländern in Frage, da man immer berücksichtigen müsse, von welchem Niveau ausgegangen wird. Sie glaube jedenfalls, dass in Österreich viel mehr Mittel in die Hand genommen werden müssten, um wirklich Spitzenniveau zu erreichen und um zu den Innovations-Leadern zu gehören. Lichtenecker trat für grundsätzliche strukturelle Reformen ein, die unter anderem eine Fokussierung im Exzellenzbereich und einen erleichterten Zugang von ForscherInnen aus dem Ausland vorsehen. Schließlich forderte auch die G-Mandatarin NR-Präsident Graf zum Rücktritt auf.

Ziel der Forschungs- und Wissenschaftspolitik sei es, bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten, dynamischsten und wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu werden, zitierte Abgeordnete Elisabeth HAKEL (S) aus der europäischen Wachstums- und Beschäftigungsstrategie aus dem Jahr 2000. Um dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen, seien gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten verstärkte Investitionen von Seiten des Bundes notwendig. Wichtige Anliegen waren ihr die soziale Absicherung der StudentInnen sowie die Schaffung von besseren Rahmenbedingungen für berufstätige Studierende (z.B. mehr Lehrveranstaltungen am Abend oder am Wochenende, längere Öffnungszeiten der Uni-Büros, ein besseres Betreuungsverhältnis).

Abgeordneter Robert LUGAR (B) stufte die Situation an den Universitäten als prekär ein, ortete vor allem Defizite in der Erwachsenenbildung und warf der Regierung vor, mit dem lebenslangen Lernen eine Herausforderung der Zukunft zu verschlafen.

Abgeordneter Heribert DONNERBAUER (V) zeigte sich zuversichtlich, dass das Barcelona-Ziel von 3 % F&E-Quote noch erreicht werden kann. Die öffentliche Hand leiste jedenfalls in überdurchschnittlich hohem Ausmaß ihren Beitrag dazu. Nun gehe es darum, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die entsprechenden Anreize zu setzen, damit auch der private Sektor seinen Anteil an den Forschungsinvestitionen erbringen kann, betonte er.

Abgeordneter Wolfgang ZINGGL (G) drückte in seiner Wortmeldung die Hoffnung aus, dass es in Zukunft keine Studiengebühren mehr geben werde.

Abgeordnete Sabine OBERHAUSER (S) kritisierte schlechte Arbeitsbedingungen bei den Ärzten und warnte vor einem drohenden Ärztemangel durch Abwanderung der Mediziner ins Ausland.

Abgeordneter Kurt LIST (B) diagnostizierte "Wissenschaftspopulismus pur" bei den Regierungsparteien und erinnerte überdies an die ausgebliebene Schulreform sowie an den Rückzieher des Ministers in der Frage des CERN-Ausstiegs. Auf den Gebiet Bildung und Forschung stehe es nun zwischen den Regierungsparteien 1:1, lautete sein Befund.

Abgeordnete Karin HAKL (V) zeigte sich angesichts des Budgets optimistisch, dass der große Aufholprozess der letzten Jahre in Sachen Wissenschaft und Forschung weitergeführt werden kann, rief aber zu stärkeren Investitionen in die Breitbandinfrastruktur auf. Mit Bedauern stellte sie fest, dass die 20 Mio. € für CERN nun nicht in ähnlich wichtige Forschungskooperationen investiert werden können.

Abgeordneter Ernest WINDHOLZ (B) kritisierte die Schließung des gerichtsmedizinischen Zentrums in Wien und machte auf die damit verbundenen Probleme bei der Obduktion insbesondere im Bereich der Kriminalistik aufmerksam. In einem Entschließungsantrag forderte er den Minister auf, die finanziellen Voraussetzungen für einen Neubau der Gerichtsmedizin in Wien zu schaffen.

Abgeordnete Laura RUDAS (S) bemerkte zum Thema Studiengebühren, angesichts der im internationalen Vergleich niedrigen Akademikerquote sollte es darum gehen, nicht neue Hürden aufzubauen, sondern alte Hürden, insbesondere soziale Barrieren abzuschaffen.

Abgeordnete Heidrun SILHAVY (S) unterstrich die Bedeutung der Erhaltung des offenen Hochschulzugangs, der Mitbestimmung für den Mittelbau und der 40 % Frauenquote in allen Hochschulgremien.

Abgeordneter Kurt GARTLEHNER (S) wies auf den Zusammenhang zwischen Wirtschaftskrise und Forschungsquote hin und sah die Regierung aufgefordert, Ausfälle auf der betrieblichen Ebene bei den Forschungsausgaben durch die öffentliche Hand aufzufangen.
     
Informationen: http://www.parlinkom.gv.at    
     
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