Neues Europaparlament konstituiert sich in Straßburg  

erstellt am
14. 07. 09

Auftakt der 7. Legislaturperiode
Jerzy Buzek zum neuen EU-Parlamentspräsidenten gewählt
Wien (europarl) - Am 14.07. nahm die konstituierende Sitzung des Europäischen Parlaments ihren Auftakt und gleich zu Beginn stand die Wahl des Parlamentspräsidenten und seiner 14 Stellvertreter auf dem Programm. Hans-Gert Pöttering, Parlamentspräsident der vergangenen zweieinhalb Jahre, hat die konstituierende Sitzung der 7. Legislaturperiode um 10 Uhr eröffnet und sie bis zum Abschluss der Wahl des neuen Parlamentspräsidenten geleiten.

Wahl des Präsidenten
Der Präsident wird in geheimer Wahl mit der absoluten Mehrheit der abgegebenen Stimmen für eine Amtszeit von zweieinhalb Jahren gewählt. Der Parlamentspräsident leitet das Präsidium sowie wichtige Plenarsitzungen und repräsentiert die europäische Volksvertretung nach außen.


Die größte Fraktion im Europäischen Parlament, die Europäische Volkspartei (265 Abgeordnete), hat den ehemaligen polnischen Premierminister Jerzy Buzek (69) nominiert, der auch die Mehrheit der Abgeordneten-Stimmen auf sich vereinen konnte und somit für die nächste Amtszeit Präsident der Europäischen Parlaments sein wird.

Für die Vereinigte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke (35 Abgeordnete) war die schwedische Abgeordnete Eva-Britt Svensson (62) angetreten. Sowohl Buzek als auch Svensson gehören dem Europäischen Parlament seit 2004 an.

Wahl der weiteren Präsidiumsmitglieder
Nach der Wahl des Präsidenten werden anschließend die 14 Vizepräsidenten gewählt. Auch diese Wahl ist, sofern mehr als 14 Kandidaten antreten, geheim und kann unter Umständen mehrere Wahlgänge erfordern: Im ersten Wahlgang sind nur die Kandidaten gewählt, die eine absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen können.

Erst im dritten Wahlgang ist nur noch eine einfache Mehrheit notwendig, d.h. die jeweils bestplatzierten Kandidaten sind gewählt.

Die fünf sogenannten Quästoren, die dem Parlamentspräsidium mit beratender Stimme angehören und im Wesentlichen für die die Abgeordneten betreffenden verwaltungstechnischen und finanzpolitischen Angelegenheiten zuständig sind, werden am Mittwochmittag gewählt.
     
EU-Ratspräsidentschaft: Bilanz und Ausblick
Am 15.07. finden ab 9 Uhr die Debatten zum EU-Gipfel vom 18./19. Juni sowie zur Bilanz des tschechischen Ratsvorsitzes mit Tschechiens Premierminister Jan Fischer statt.

Im Anschluss spricht der schwedische Premier Fredrik Reinfeldt über die Schwerpunkte der schwedischen Ratspräsidentschaft.

Am Nachmittag des 15.07. ab 15 Uhr werden die schwedische Ratspräsidentschaft und die EU-Kommission Erklärungen zur Situation im Iran sowie in China und Honduras abgeben und mit den Abgeordneten im Anschluss erörtern.
Größe und Zusammensetzung der Ausschüsse

Ebenfalls am Nachmittag des 15.07. stimmt das Plenum über einen Vorschlag über die Größe der 20 permanenten parlamentarischen Ausschüsse ab, den die Fraktionschefs dem Plenum unterbreiten.

Am Morgen des 16.07. schließlich entscheidet das Plenum über die Zusammensetzung der Ausschüsse, d.h. die Mitgliedschaft der einzelnen Abgeordneten in den Ausschüssen, die einen Großteil der parlamentarischen Arbeit bestimmen und die Plenar-Entscheidungen im Detail vorbereiten.

Einige der Ausschüsse werden sich direkt im Anschluss konstituieren, die anderen folgen am 20. Juli.

Keine Abstimmung über zweite Amtszeit für Barroso im Juli
Die Fraktionsvorsitzenden des Europaparlaments haben am Donnerstag letzter Woche in der sogenannten Konferenz der Präsidenten zur Kenntnis genommen, dass die EU-Mitgliedsstaaten Emanuel José Barroso für eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsident offiziell nominiert haben. Sie entschieden jedoch gleichzeitig, die Abstimmung über seine Bestätigung nicht auf die Tagesordnung der konstituierenden Plenartagung zu setzen.

Zahlen und Daten zu den neu gewählten Europaabgeordneten
736 Europa-Abgeordnete werden heute in Straßburg zur konstituierenden Plenarsitzung zusammen kommen. Darunter viele neue Gesichter. Fast die Hälfte aller Europa-Parlamentarier, nämlich 366, ist neu, 370 von 736 Europaabgeordneten wurden wiedergewählt. In Österreich würden 8 von nunmehr 17 Abgeordneten wiedergewählt.
Die verhältnismäßig meisten Abgeordneten ausgetauscht haben die Litauer, die zu 75% durch neue Parlamentarier vertreten werden. 80% ihrer Abgeordneten bestätigten hingegen die Malteser, die nicht nur Listen wählen, sondern einzelnen Kandidaten Vorzugsstimmen geben.

Jugend und Alter
Die zukünftig jüngste Abgeordnete kommt aus Dänemark und heißt Emilie Turunen. Sie ist Jahrgang 1984 und ist Mitglied der Grünen-Fraktion, wo auch die jüngsten deutschen Abgeordneten ihre politische Heimat haben: die noch 27jährige Ska Keller und der 26jährige Jan Philipp Albrecht. Der älteste Abgeordnete wird der 1928 geborene Ciriaco De Mita aus Italien sein.

Frauenanteil steigt
Der Anteil der Frauen ist um gut 4 Prozentpunkte auf nunmehr 35,33% gestiegen. Geblieben ist ein starkes Nord-Süd-Gefälle in dieser Hinsicht: Die Malteser werden ausschließlich durch Männer vertreten, während die Finnen die Frauenquote deutlich überschreiten: 61% der Parlamentarier aus Finnland sind weiblich. Erstmals durch Frauen vertreten sind die Zyprioten, die 2 Frauen wählten (von sechs Abgeordneten insgesamt). Auch bei den österreichischen Europaabgeordneten ist der Frauenanteil beträchtlich gestiegen: Waren es 2004 noch 28%, so sind nunmehr 41% oder 7 von 17 Mandatare Frauen.

Regierungserfahrung
Eine ganze Reihe von zukünftigen Europa-Abgeordneten haben in der Vergangenheit nationale Regierungen angeführt: Jerzy Buzek (Polen), Jean-Luc Dehaene (Belgien), Ciriaco De Mita (Italien), Ivars Godmanis (Lettland), Anneli Jäätteenmäki (Finnland), Lojze Peterle (Slowenien), Theodor Stolokan (Rumänien) sowie Guy Verhofstadt (Belgien).

Die 17 österreichischen Europaabgeordneten
Gemäß dem endgültigen Wahlergebnis in Österreich wurden den folgenden Bewerberinnen und Bewerbern Mandate zugewiesen:
Dr. Johannes Swoboda - SPÖ
Mag. Evelyn Regner - SPÖ
Mag. Jörg Leichtfried - SPÖ
Karin Kadenbach - SPÖ
Mag. Othmar Karas - ÖVP
Dr. Ernst Strasser - ÖVP
Mag. Dr. Hella Ranner - ÖVP
Mag. Dr. Richard Seeber - ÖVP
Dr. Paul Rübig - ÖVP
Elisabeth Köstinger - ÖVP
Dr. Hans Peter Martin - MARTIN
Mag. Angelika Werthmann - MARTIN
Mag. Martin Ehrenhauser - MARTIN
Mag. Ulrike Lunacek - GRÜNE
Evelin Lichtenberger - GRÜNE
Andreas Mölzer - FPÖ
Mag. Franz Obermayr - FPÖ

Politische Parteien und Fraktionen
Im neuen Europäischen Parlament sind 168 europäische Parteien vertreten etwas weniger als in der Legislaturperiode 2004-2009, in der 182 Parteien aus 27 EU-Mitgliedstaaten vertreten waren. Die vertretenen Parteien sind in 7 Fraktionen zusammengeschlossen, wovon zwei neu gegründet wurden: Die "Europäischen Konservativen und Reformisten" (ECR) rund um die britischen Tories, die polnische PiS und die tschechische ODS sowie die Fraktion "Europa der Freiheit und der Demokratie" (EFD) rund um die UK Independence Party die Lega Nord. Von der Mandatsverteilung hält die Europäische Volkspartei EVP 265 Mandate, die Fraktion "Sozialisten&Demokraten" 184 Mandate, die Liberalen 84, die Grünen 55, die neue ECR ebenfalls 55, die Konföderale Fraktionen der Europäischen Linke/Nordische Grüne Linke 35 und die neue EFD 30 Mandate. 28 Europaabgeordnete bleiben fraktionslos.

Informationen: http://www.europarl.europa.eu sowie http://www.europarl.at 

 

Außenminister Spindelegger zu Jerzy Buzek
Wien (bmeia) - Außenminister Spindelegger hat dem neuen Präsidenten zu seiner Wahl gratuliert und ihm für seine künftigen Aufgaben viel Erfolg gewünscht. "Jerzy Buzek hat seinerzeit maßgeblich zum Beitritt Polens zur Europäischen Union beigetragen. Es ist ein schönes Zeichen für den Erfolg des europäischen Einigungswerkes, dass 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ein Pole an die Spitze der europäischen Volksvertretung tritt. Jerzy Buzek erwarten nun als Präsidenten des Europäischen Parlaments in den kommenden Jahren große Herausforderungen. Ich bin überzeugt, dass er, mit seiner langjährigen Europa-Erfahrung und seinem Engagement für die europäische Integration, neue Impulse in eine europäische Institution bringen wird, die kontinuierlich an Bedeutung gewinnt", so Außenminister Michael Spindelegger.

Auf seiner ersten Vollversammlung nach der Europawahl hat das Europäische Parlament heute seinen Präsidenten gewählt. Der ehemalige polnische Ministerpräsident Jerzy Karol Buzek, Kandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), erhielt die breite Mehrheit der Stimmen und löst nun den Deutschen Hans-Gert Pöttering ab. Ab heute und für die Dauer von zweieinhalb Jahren, also für die Hälfte der Wahlperiode 2009-2014, wird Jerzy Buzek alle Tätigkeiten des Parlaments leiten und den Vorsitz in den Plenarsitzungen leiten.

 

Leichtfried: Buzek gute Wahl
SPÖ Schwerpunkte im Europäischen Parlament sind Arbeit und Soziales
Wien (sk) - "Ich gratuliere Jerzy Buzek zu seiner Wahl zum Präsidenten des Europäischen Parlaments. Durch sein Engagement für Demokratie und Freiheit in der polnischen Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc steht er für die Durchsetzung und Verteidigung grundlegender demokratischer Werte. Ich hoffe, dass er den Geist der Gewerkschaftsbewegung auch mit in seine neue Funktion bringt", kommentiert der SPÖ Delegationsleiter im Europäischen Parlament Jörg Leichtfried die Wahl in Strassburg. "Dass nun ein Osteuropäer an der Spitze einer zentralen europäischen Institution steht, ist ebenfalls ein gutes Signal. Buzeks Ziel, den Menschen in der Europäischen Union die Arbeit des Parlaments näherzubringen, ist begrüßenswert. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten", betont Leichtfried.

Die konstituierende Sitzung des Europaparlaments in Strassburg ist auch für die neu gewählte SPÖ Delegation Anlass, ihre Forderungen und Schwerpunkte zu definieren. Der Delegation gehören neben Leichtfried die Gewerkschafterin Evelyn Regner, der langjährige SPÖ-Europaabgeordnete und Vizepräsident der sozialdemokratischen Fraktion Hannes Swoboda sowie die ehemalige niederösterreichische Landesrätin Karin Kadenbach an."Für uns geht es vorrangig darum, unseren Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu leisten. Wir brauchen nicht nur quantitativ mehr sondern auch qualitativ bessere Arbeitsplätze und höhere Einkommen. Wir setzen uns für die Stärkung der ArbeitnehmerInnenrechte und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein. Dringend notwendig wäre es, einen Pakt des sozialen Fortschritts zu beschließen und im europäischen Primärrecht unverrückbar zu verankern. Ein solcher Pakt soll unterstreichen, dass weder wirtschaftliche Freiheiten noch die Gesetze des Marktes Vorrang vor den sozialen Grundrechten haben. Darüber hinaus fordern wir die Realisierung einer europaweiten Finanztransaktionssteuer und noch strengere Regeln für die Finanzmärkte", erläutert Leichtfried abschließend.

 

Leitl: Neues EU-Parlament muss sich gezielt für Europas Unternehmen stark machen
WKÖ richtet Forderungskatalog an die neuen EU-Abgeordneten
Wien (pwk) - "Das neue EU-Parlament muss so rasch wie möglich in die Gänge kommen, damit Europa bei der Bewältigung der globalen Wirtschaftsturbulenzen auf Kurs bleibt", betont Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), anlässlich der ersten Sitzung des neu gewählten Europäischen Parlaments in Straßburg. "In der EU müssen alle gemeinsam anpacken, damit wir die aktuelle die Krise nicht nur in den Griff bekommen, sondern sogar gestärkt daraus hervorgehen." Dem Parlament, das bei drei von vier EU-Gesetzen gleichberechtigt mit dem Ministerrat entscheidet, komme hier eine wichtige Rolle zu.

Zugleich sprach sich Leitl für eine weitere Aufwertung der Kompetenzen des EU-Parlaments im Sinne einer demokratischen Stärkung der EU auf, wie sie zuletzt auch der deutsche Bundesverfassungsgerichtshof gefordert hatte.

Die WKÖ richtet einen detaillierten Forderungskatalog an das neue Parlament, zu dessen Eckpunkte etwa mehr Investitionen in Wettbewerbsfähigkeit, Forschung und Entwicklung, Bildung, Infrastruktur, Umwelt und Klimaschutz sowie zur Schaffung von neuen und qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen, die Fortführung von Wirtschaftsreformen sowie bessere Rahmenbedingungen für die Unternehmen zählen.

Wichtig sei vor allem, dass die kleineren Unternehmen in Zukunft noch mehr Unterstützung auf nationaler und europäischer Ebene erhalten, "damit sie nicht zu den großen Verlierern der Krise werden", so Leitl. "Die KMU sind in diesen turbulenten Zeiten ein stützender und stabilisierender Faktor. Sie sind regional verwurzelt und die Eigentümer kündigen ihre Mitarbeiter nicht bei den ersten Schwierigkeiten."

Auf der anderen Seite leiden KMU oft besonders unter eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten: "Hier müssen rasch wieder Gelder fließen, etwa aus einem neuen, auf KMU zugeschnittenen EU-Garantiefonds", fordert Leitl. Dadurch könnten die auf nationaler Ebene beschlossenen Haftungen für Überbrückungsfinanzierungen ergänzt bzw. Spielraum für weitere Haftungen geschaffen werden. Auch die Verbesserung des Regelungsumfeldes - insbesondere der Abbau bürokratischer Hürden - ist eine unabdingbare Voraussetzung, um Europas Unternehmen fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen. Leitl appelliert gegenüber den EU-Abgeordneten zudem, ihre Verantwortung im Hinblick auf die notwendige Entschärfung der prozyklischen Wirkung von Basel II wahrzunehmen.

Die Wahl des früheren polnischen Ministerpräsidenten Jerzy Buzek zum neuen Präsidenten des Europäischen Parlaments begrüßte Leitl als ein "wichtiges und richtiges" Signal an die Erweiterungsländer und als einen weiteren Meilenstein bei der Wiedervereinigung Europas. 

 

 Kaske: EU-Parlament muss Forderung nach sozialerem Europa ernst nehmen
In der Wirtschaftpolitik müssen sich Geld- und Budgetpolitik mit der Lohnentwicklung die Waage halten - Klimapolitik soll Beschäftigungsimpulse setzen
Wien (vida/ögb) - "In der kommenden Legislaturperiode bis 2014 gilt es für das neue EU-Parlament, wichtige Weichenstellungen für die europäischen ArbeitnehmerInnen vorzunehmen: Die Bestätigung der neuen EU-Kommission, Maßnahmen für eine effektive Regulierung der Finanzmärkte und die Überarbeitung der Entsenderichtlinie sind nur einige Beispiele hiefür", erklärt der Vorsitzende der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida, Rudolf Kaske, im Vorfeld der von 14. bis 16. Juli 2009 stattfindenden konstituierenden Sitzung des neu gewählten Europäischen Parlaments. Kaske fordert insbesondere die Annahme eines sozialen Fortschrittsprotokolls gegen das soziale Ungleichgewicht in der EU durch das Parlament ein - die Forderungen der Gewerkschaften und anderer Arbeitnehmerinteressenorganisationen nach einem sozialeren Europa müsse endlich ernst genommen und mit Leben erfüllt werden. "Die Leute haben von Schlagworten genug, sie wollen endlich Taten und Ergebnisse sehen", betonte der Gewerkschafter.

Auch wenn der Reformvertrag von Lissabon noch nicht in Kraft ist, so sei das Europäische Parlament ein entscheidendes Gremium innerhalb der EU, so der vida-Vorsitzende. "Für die nächsten Jahre haben die Menschen zu Recht große Erwartungen und positive Hoffnungen in die EU und die Abgeordneten zum EU-Parlament", hält Kaske fest. "Denn viele politische und gesellschaftliche Herausforderungen wie die aktuelle Finanzwirtschaftskrise haben gezeigt: Gemeinsame Strategien in der EU sind erfolgversprechend", so der vida-Vorsitzende.

"Wenn die EU den Erwartungen der Bürger gerecht werden soll, muss sie stärker sozial ausgerichtet werden", fordert Kaske. Dazu zähle der Schutz der öffentlichen Dienstleistungen, die immer wieder als ein Kernelement des europäischen Sozialmodells bezeichnet, aber dem Liberalisierungsdruck unterliegen würden. Der vida-Vorsitzende verweist in diesem Zusammenhang auch auf notwendige Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping, zum Beispiel beim grenzüberschreitenden Einsatz von ArbeitnehmerInnen und bei der Entsendung von ArbeitnehmerInnen aus Drittstaaten.

Für ausreichend Wachstum und Beschäftigung in der EU bedürfe es einer Neuausrichtung der europäischen Politik im Wirtschaftsbereich. "Das heißt, sagte Kaske, "wir brauchen eine Wirtschaftpolitik, in der sich Geld- und Budgetpolitik mit der Lohnentwicklung die Waage halten, damit die Konjunktur und Kaufkraft sowie der Arbeitsmarkt anspringen." Neben der Verankerung EU-weiter sozialer Mindeststandards, um Lohn- und Sozialdumping einen Riegel vorzuschieben, verlangt der Gewerkschafter europaweit auch klare einheitliche technische und soziale Standards in den Bereichen ArbeitnehmerInnenschutz, berufliche Qualifikation, Berufszugangsvoraussetzungen, Umwelt sowie im Bereich der Aus- und Weiterbildung.

Beim Kampf gegen den Klimawandel gehe es darum, die europäische Klimapolitik langfristig so zu gestalten, dass sie auch positive Nebeneffekte wie etwa einen Impuls für die Beschäftigung habe. Besonderen Handlungsbedarf ortet Kaske in diesem Zusammenhang in der Verkehrspolitik, weil gerade der Verkehr in der EU seit 1990 stark angestiegen sei. "Priorität muss deshalb die Umsetzung des Ausbaus von Verkehrsinfrastrukturen und Verkehrsdienstleistungen für umweltfreundlichere Verkehrsträger wie Schiene, öffentlicher Verkehr und Wasserstraßen haben", unterstreicht der vida-Vorsitzende.

 

 Tumpel: Österreichs Abgeordnete müssen EU in Richtung Sozialunion bewegen
Wien (ak) - "Soziales geht vor: Diesen Grundsatz erwarte ich vom Europäischen Parlament, dafür müssen sich Österreichs Abgeordnete einsetzen", sagt Arbeiterkammer Präsident Herbert Tumpel. Der Europäische Gewerkschaftsbund hat ein Protokoll zum "sozialen Fortschritt" vorgeschlagen, das sozialen Grundrechten Vorrang vor Binnenmarkt und Wettbewerb gibt. Damit können die EU-Abgeordneten gleich am Anfang ihrer Amtszeit ein starkes Signal für ein sozialeres Europa setzen. Der AK Präsident ruft die neu gewählten Abgeordneten auf, den Vorschlag des Europäischen Gewerkschaftsbundes zu unterstützen und eine konkrete Umsetzung einzufordern. Denn Europa steckt in der schwersten Rezession der Nachkriegszeit. Die Arbeitslosigkeit steigt europaweit. Die Experten der Europäischen Zentralbank rechnen erst in zwölf Monaten wieder mit einem Wachstum im Euro-Raum. "Gerade jetzt ist ein entschiedenes Bekenntnis zu einem sozialeren Europa nötig", so AK-Präsident Herbert Tumpel.

Schon im Oktober 2008 hat das EU-Parlament mit großer Mehrheit eine Erklärung angenommen, die klar fordert: Die wirtschaftlichen Freiheiten, wie sie in den Verträgen verankert sind, müssen so ausgelegt werden, dass sie nicht die Wahrnehmung grundlegender Sozialrechte beeinträchtigen. Das muss jetzt mit einem Protokoll sichergestellt werden. Gleichzeitig muss das EU-Parlament vom Rat und den Mitgliedstaaten ein entschiedeneres Vorgehen gegen den massivsten Konjunkturabschwung der Nachkriegszeit einfordern. Eine Analyse des Europäischen Gewerkschaftsinstituts zeigt, dass die Konjunkturprogramme der EU-Mitgliedstaaten zusammengerechnet nur ein Prozent des EU-BIP 2009 bzw 0,6 Prozent für 2010 umfassen. "Das ist zu wenig. Europa wird weitere Schritte setzen müssen, um die Krise nachhaltig zu bewältigen. Dazu muss sich Europa in Richtung Sozialunion bewegen", so Tumpel.

In einer Sozialunion

  • müssen Vollbeschäftigung, sozialer Fortschritt und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit als gleichrangige Ziele verfolgt werden,
  • muss die Sozialpolitik als wichtiges Instrument zur Verbesserung der Lebensbedingungen gesehen werden. Stabile Beschäftigungsverhältnisse, soziale Absicherung in Notlagen, Chancengleichheit, Armutsvermeidung und andere sozialpolitische Errungenschaften bzw Ziele sind Werte an sich und nicht bloß Mittel zum Zweck,
  • müssen die Mitgliedstaaten ausreichend budgetären Spielraum für wachstums- und beschäftigungsfördernde Ausgaben haben, was eine Änderung des Stabilitätspakts erfordert,
  • müssen Maßnahmen gegen einen schädlichen Steuerwettbewerb ergriffen werden,
  • muss die Geldpolitik der EZB mehr Verantwortung für Wachstum und Beschäftigung übernehmen,
  • muss der Schutz der öffentlichen Dienstleistungen gewährleistet sein.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament vertretenen Parteien –
sofern vorhanden! Die Reihenfolge der Beiträge richtet sich in der Regel nach deren
Mandatsstärke im Parlament bzw. nach der Hierarchie der Personen. Die Redaktion

 
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