steirischer herbst 24/09 - 18/10/2009   

erstellt am
05. 08. 09

"All the Same – Was gilt, wenn alles gleich und gültig ist?"
Graz (steirischer herbst) - Was gilt, wenn alles gleich und gültig ist? Wir erleben das Paradox täglich: Einerseits leben wir in einer Gesellschaft, deren Verfassung die Gleichheit des Menschen garantiert. Andererseits wissen wir, dass selbst in hoch industrialisierten Ländern von Chancengleichheit keine Rede sein kann. Im Gegenteil, auf vielfältige Weise wird es für untere Gesellschaftsschichten immer schwieriger, soziale Grenzen zu überwinden. Das Gleichheitsgebot wird so zu einem immer weiter entfernten Ziel. Unter dem Leitmotiv „All the Same“ spielt der steirische herbst 2009 mit dem Begriff „gleichgültig“ in allen Bedeutungen – von der Gleichgültigkeit als Desinteresse bis hin zur Gleichberechtigung als Utopie und Alltagsforderung.

Zur Eröffnung des Festivals wird in einen Tempel geladen, den „Tempel der Vernunft“ – entwickelt von Theater im Bahnhof, raumlaborberlin und dem steirischen herbst in der Helmut-List-Halle. Ein zentrales Projekt ist die herbst-Ausstellung „Utopie und Monument“, kuratiert von Sabine Breitwieser. Sie greift die Frage nach der Gültigkeit von Kunst im zunehmend privatisierten und überwachten öffentlichen Raum auf und stellt provokant zwei Begriffe zur Disposition, die aus der Debatte um Öffentlichkeit weitgehend verschwunden sind: die Utopie als Möglichkeits- und das Monument als Erinnerungsraum. Als Festivalzentrum besetzt der steirische herbst 2009 das Grazer Orpheum, dem die Architekten Michael Rieper und Siegfried Frank (MVD Austria | frank, rieper) ein „Schauhaus“ vorbauen und so die gesamte Erscheinung des altbekannten Konzerthauses auf Zeit verschwinden lassen.

„Radio Muezzin“, die Eröffnungsprodutkion im Theaterbereich von Stefan Kaegi / Rimini Protokoll bringt Menschen auf die Bühne, die in den erhitzten Debatten um den Islam bestenfalls als Klischee auftauchen: vier ägyptische Muezzine. Der österreichische Choreograf Philipp Gehmacher präsentiert mit dem Videokünstler Vladimir Miller eine choreografische Videoinstallation, von der jungen dänischen Choreografin Mette Ingvartsen gibt es am zweiten Festivalwochenende gleich zwei Uraufführungen zu sehen. Weitere Arbeiten zeigen die legendäre britische Theatergruppe Forced Entertainment, die belgische Truppe deepblue, die deutsche Performerin Antonia Baehr, der Iran-stämmige Choreograf Hooman Sharifi sowie die beiden argentinischen Autoren und Regisseure Federico León und Lola Arias. Die belgische Künstlergruppe Berlin lädt in ein eigens entworfenes Zelt in den Grazer Volksgarten und präsentiert ihr musikalisch-filmisches Stadtporträt „Moskau“.

Der öffentliche Raum wird nicht nur von der herbst-Ausstellung „Utopie und Monument“ bespielt, sondern auch von Projekten des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark und < rotor >. Die Ausstellung „talk talk“ im Kunstverein Medienturm befragt Methoden und Techniken des Interviews im Kontext zeitgenössischer Kunstformen. Camera Austria zeigt die Dokumentarfilmserie „Democracies“ und andere Arbeiten des polnischen Künstlers Artur Žmijewski und der Grazer Kunstverein fragt ausgehend von Adolf Loos und Siegfried Kracauer, in „Provisorisches Yoga“ nach dem Widerspruch zwischen universalen Gestaltungsanliegen und dem Aspekt des individuellen Spielraums. Das Projekt „Real Energy World / NIGER DELTA“ im Forum Stadtpark greift! das ökologische, soziale und humanitäre Desaster infolge der Ölproduktion im Nigerdelta auf. Das Leitmotiv „All the Same“ über die Gültigkeit von Wertesystemen in unserer Gesellschaft, scheint auch in weiteren Ausstellungsprojekten auf und ermöglicht zahlreiche konkrete wie assoziative Bezüge.

Das musikprotokoll am dritten Festivalwochenende präsentiert Uraufführungen von Olga Neuwirth, Bernhard Gander, Rebecca Saunders und Johannes Maria Staud. Im Rahmen der herbst-Theorie-Schiene Spielfeldforschung gibt es eine „Konferenz der Wahlverwandtschaften“ mit namhaften internationalen Theoretikern zu der jeder Gast von seinem Vorredner eingeladen wird.
     
Informationen: http://www.steirischerherbst.at/    
     
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