"Kleine Eheverbrechen"   

erstellt am
09. 09. 09

von Éric Emmanuel Schmitt (Text) im Wiener Stadttheater in der Walfischgasse
Wien (cmm) - "Ich habe mich immer gefragt, zu welchem Genre das Eheleben gehört. Zur Tragödie oder zur Komödie? Die einzige Gewissheit, die mir bleibt, ist, dass es zur Gattung des Dramas gehört…" Mit diesem Zitat des Schriftstellers und Theaterdichters Éric-Emmanuel Schmitt ist der Grundton des faszinierenden Stückes über den haarsträubenden Geschlechterkampf eines Paares, das seit 30 Jahren verheiratet ist, gegeben. Gilles hat einen mysteriösen Unfall erlitten, kommt nach seinem Krankenhausaufenthalt wieder nach Hause und erkennt weder seine Wohnung noch seine Ehefrau wieder, weil er unter Amnesie leidet.

Wer ist Lisa? Wie haben sie als Ehepaar zusammengelebt? Wie war er? Erst langsam, langsam kehrt die Erinnerung zurück. Doch mit dieser kommen auch Zweifel. Und in weiterer Folge Aufdeckungen. Weiß seine Frau etwas, was er nicht wissen darf? Und was, wenn er weiß, dass sie weiß, was er nicht wissen darf? Ein komplexes Spiel zwischen Verwirrung und Wahrheit beginnt.

Jedes Mal, wenn der Zuschauer glaubt, nun hat er die Hintergründe dieses Beziehungskampfes verstanden, macht das Stück eine radikale Kehrtwendung, und blickt man in neue Abgründe. Automatisch entsteht die Assoziation zu "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?", dem grandiosen Ehedrama, das Edward Albee 1962 schrieb, das 1966 mit Richard Burton und Liz Taylor in den Hauptrollen verfilmt wurde, und das den Kampf, der hinter der Fassade einer scheinbar heilen, glücklichen Ehe liegt, gnadenlos aufdeckt. Doch nein, "Kleine Eheverbrechen" ist viel heutiger, kompromissloser, überraschender und raffinierter, hält Hannes Gastinger fest, der die männliche Hauptfigur spielt. Gilles ist Krimiautor – der persönliche Bezug zu Schriftsteller Schmitt ist damit klarerweise gegeben.

Éric-Emmanuel Schmitt wurde 1960 bei Lyon geboren, seine Großeltern stammten jedoch aus Deutschland und so wuchs er mit beiden Sprachen auf. Er studierte Philosophie und Klavier an der Eliteuniversität École Normale Supérieure und begann, als Theaterautor zu arbeiten. Bereits sein zweites Bühnenstück "Der Besucher" brachte ihm drei Prix Molière und internationale Anerkennung ein. Schmitt gab seine Stelle als Philosophie-Professor auf, um sich ganz dem Schreiben widmen zu können.

Für sein Buch "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran" erhielt er 2004 den Deutschen Bücherpreis. Die Kinoverfilmung mit Omar Sharif in der Hauptrolle wurde zu einem weltweiten Erfolg. Das Stück "Kleine Eheverbrechen" wurde 2003 im Pariser Théâtre Edouard VII. uraufgeführt und war dort monatelang ausverkauft. Damals spielten Charlotte Rampling und Bernard Giraudeau das um ihre Liebe ringende Ehepaar. Die deutsche Erstaufführung folgte 2004 im Theater Baden-Baden. Für das stadtTheater walfischgasse hat Direktorin und Schauspielerin Anita Ammersfeld das Stück ausgewählt: "Ich war auf der Suche nach einem Stück für mich und war bei der Lektüre sofort begeistert. Es lässt einen nicht mehr los." Sie spielt Lisa, deren Rolle als liebevolle Ehefrau mehr und mehr ins Wanken gerät.

Der französisch-belgische Erfolgsautor Éric Emmanuel Schmitt („Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“, „Enigma“) erhielt 2000 den „Grand Prix du théâtre“ der Académie française für sein Gesamtwerk. Seine Stücke wurden in 35 Ländern aufgeführt und in mehrere Sprachen übersetzt. Für Schmitt ist wichtig, dass es im Stück nicht um das Ende einer Liebe geht, sondern darum, sie zu retten: "Liebe hat nichts mit Kennen zu tun, und erst recht nichts mit Besitzen. Wenn man jemanden liebt, bedeutet das, dass man dessen Geheimnis, sein Rätsel begehrt."

Die Inszenierung erfolgt durch den deutschen Schauspieler und Regisseur Thomas Schendel, der dem stadtTheater-Publikum bereits vertraut ist: er führte 2006 Regie beim Kammermusical „Babytalk“ sowie bei "Marlene Moves" und heuer bei der berührenden musikalischen Eigenproduktion "Cabaret der verlorenen Seelen". Das Bühnenbild liegt wieder einmal in den bewährten Händen von Daria Kornysheva, die bereits "Babytalk", "Marlene Moves" und "Cabaret der verlorenen Seelen" mit Bühne, Kostümen und Requisiten ausgestattet hat. Ihre Kunst ist es, Räume zu schaffen, die auch in ihrer ganzen Fülle bespielbar sind.

KLEINE EHEVERBRECHEN
Regie Thomas Schendel
Mit Anita Ammersfeld, Hannes Gastinger

PREMIERE
21. Oktober,
weitere Termine 24., 28., 31. Okt., 6., 7., 19., 20., 26. Nov., 6. Dez., jeweils 20 h
     
Informationen: http://www.stadttheater.org    
     
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