Jüdisches Museum Wien präsentiert Teofila Reich-Ranicki   

erstellt am
16. 09. 09

Bilder aus dem Warschauer Ghetto im Museum auf dem Judenplatz
Wien (rk) - "Teofila Reich-Ranickis Bilder sind ein Zeitdokument von ganz besonderer Qualität", sagte Direktor Karl Albrecht-Weinberger in seinem Eröffnungsstatement. Er erinnerte daran, dass erst vor wenigen Tagen an den Angriff Nazi- Deutschlands auf Polen vor 70 Jahren, der den Beginn des Zweiten Weltkriegs bedeutete, gedacht wurde. "Dies ist auch ein wesentlicher Grund dafür, dass wir diese Ausstellung, die vom Jüdischen Museum Frankfurt zusammengestellt wurde, übernommen haben", so Weinberger. Teofila und Marcel Reich-Ranicki konnten angesichts ihres angegriffenen Gesundheitszustands nicht zur Eröffnung nach Wien reisen und Marcel Reich Ranicki übermittelte eine Grußbotschaft, die auch auf der Homepage des Museums unter www.jmw.at abgerufen werden kann. Robert Schindel gestaltete eine sehr persönliche Würdigung des Oeuvres von Teofila Reich-Ranicki: In seinem eigens für die Eröffnung verfassten Essay "In der Finsternis", den er vor den zahlreich erschienenen Ehrengästen vortrug. Darin reflektiert er in eindringlichen Worten die dokumentarischen Bilder Teofila Reich-Ranickis und setzt sie in Beziehung zu seinem eigenen Schicksal. Der Essay ist ebenfalls in Kürze unter http://www.jmw.at zu finden.

Ein beklemmendes Zeitdokument
Das Jüdische Museum Wien zeigt Teofila Reich-Ranickis beklemmende Zeichnungen, die sie über ihre Erlebnisse im Warschauer Ghetto angefertigt hatte, bis 10. Jänner 2010 in seiner Außenstelle auf dem Judenplatz. Teofila (genannt Tosia) Reich- Ranicki, geborene Langnas, stammt aus Lodz, wo sie am 12. März 1920 geboren wurde. Ursprünglich sollte sie nach dem Schulabschluss in Paris Kunst und Kunstwissenschaft studieren, was durch den Einmarsch deutscher Truppen in Polen unmöglich wurde. Im Dezember 1939 floh sie mit ihren Eltern aus Lodz nach Warschau. Dort lernte sie ihren zukünftigen Mann Marcel Reich-Ranicki kennen. Im November 1940 musste sie in das von den Nazis eingerichtete Warschauer Ghetto umziehen und betätigte sich dort als Grafikerin. In dieser Zeit entstand ein großer Teil der in der Ausstellung gezeigten Bilder aus dem Ghetto.

Am 22. Juli 1942, dem Tag, an dem die Deportationen der Warschauer Juden nach Treblinka begannen, heiratete Teofila Marcel Reich-Ranicki. Zusammen mit ihm konnte sie Anfang Februar 1943 aus dem Warschauer Ghetto fliehen, woraufhin beide im Untergrund überlebten. Durch ihre Flucht gehörten die beiden zu den wenigen Überlebenden des Warschauer Ghettos. Über 400.000 Menschen waren hier seit November 1940 auf engstem Raum zusammengetrieben worden. Vom Rest der Stadt strikt getrennt, starben im so genannten "jüdischen Wohnbezirk" jeden Monat Tausende durch Hunger, den Terror der deutschen Besatzung und aufgrund der unzumutbaren hygienischen Verhältnisse. Teofila Reich-Ranicki hat noch im Ghetto mit einer Serie grafischer Blätter begonnen, die den alltäglichen Schrecken darstellen: Hunger, Terror, Kampf ums Überleben, Deportation. Bis auf die Knochen abgemagerte Kinder oder prügelnde Nazis sind auf ihnen zu sehen. Die meisten Zeichnungen entstanden 1942, die beiden letzten Blätter wurden einige Zeit nach der Flucht Teofila und Marcel Reich-Ranickis aus dem Warschauer Ghetto am 3. Februar 1943 hinzugefügt. Die Mappe mit den Blättern konnten die Reich-Ranickis vor ihrer Flucht aus dem Ghetto herausschmuggeln und verstecken lassen. Über 50 Jahre lang hielt Teofila Reich-Ranicki die Arbeiten unter Verschluss, erst 1999 wurden sie erstmals öffentlich gezeigt. Das Jüdische Museum Wien nimmt nun die Gelegenheit wahr, die vom Jüdischen Museum Frankfurt zusammengestellte Ausstellung im Museum Judenplatz zu zeigen.
     
Informationen: http://www.jmw.at    
     
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