Prammer: Zivilgesellschaft ist gefordert   

erstellt am
07. 12. 09

NR-Präsidentin fordert Auseinandersetzung mit Feindbildern
Wien (pk) - "Wir müssen die Auseinandersetzung mit Feindbildern, Vorurteilen und Rassismus offensiv suchen und sachlich führen", formulierte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer einen Auftrag an die Politik. Prammer hielt am 04.12. bei der Tagung des Bundesverbandes für Psychotherapie im AK-Bildungszentrum in der Theresianumgasse ein Referat zum Thema "Demokratie braucht Zivilgesellschaft". Das Generalthema der Tagung lautete "Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzungs- und Gewaltbereitschaft gegenüber ,Fremden’".

Prammer betonte eingangs den demokratiepolitischen Zusammenhang und zitierte dazu die heuer veröffentlichte Studie "Wertewandel in Österreich". Laut dieser interessieren sich 44 Prozent der Befragten kaum bis gar nicht für Politik. Überhaupt nur ein Fünftel der Unter-30jährigen hat "ziemlich starkes Interesse" an politischen Entwicklungen. Dahinter verberge sich auch Perspektivenlosigkeit, argumentierte Prammer.

Die Frage sei, so die Präsidentin, ob eine Gesellschaft bereit und fähig ist, sich mit Interessenskonflikten auch demokratisch zu befassen – in der Schule, an den Universitäten, in den Betrieben, auch in den Familien. Und Prammer weiter: "Wenn Auseinandersetzung per se als unnötig und falsch abgetan wird, erfolgt bald die Abkehr von Demokratie."

Die NR-Präsidentin räumte in diesem Zusammenhang durchaus ein, dass die Politik zu dieser Entwicklung beitrage. Etwa, indem sie sich zu sehr am Konflikt und weniger an der Lösung orientiere. Wenn jedoch demokratische Auseinandersetzung zu einer rein parteitaktischen werde, gehe jeder zivilgesellschaftliche Dialog zwangsläufig unter.

Erklärtes Ziel müsse sein, die Menschen zur Partizipation zu motivieren und zu befähigen. Prammer zeigte zwei Wege dorthin auf: Zum einen brauche es eine Bevölkerung , die den Willen zur Artikulierung der Meinung hat, auch die Lust am Austausch, an der Diskussion gesellschaftlich relevanter Themen; zum anderen brauche es eine Sensibilisierung für Populismus, Stigmatisierung, Intoleranz und nicht zuletzt Fremdenfeindlichkeit. Dem stehe das klare Bekenntnis zu den Menschenrechten gegenüber, argumentierte die Präsidentin.

2009 hätten in Europa rassistische Übergriffe deutlich zugenommen. Zugleich hätten jene politischen Kräfte Zuspruch bekommen, die mit Ausgrenzung, Hetze und Diffamierung operieren, warnte Prammer: "Es besteht durchaus die Gefahr, dass Rechtsradikalismus weiter in die Mitte unserer Gesellschaft vordringt."

Feindbilder hätten vielfach ihre Ursache in den Veränderungen seit 1989, in Migration und Multikulturalität. Verantwortungsvolle Politik müsse Verunsicherungen und Unbehagen in der Bevölkerung ernst nehmen, aufgreifen und zur Diskussion stellen. Allerdings könne Politik eine aktive Zivilgesellschaft nicht ersetzen, schloss Prammer: "Ohne diese Zivilgesellschaft kann selbst das stärkste Parlament auf Dauer eine Demokratie nicht aufrecht und lebendig erhalten."
     
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