Parlamentarischer Untersuchungsausschuss beendet  

erstellt am
11 12. 09

 Bartenstein: "Kein Renommierstück des Parlamentarismus"
UA-Vorsitzender bedauerte vertane Chance
Wien (övp-pk) - Vor fünf Monaten hat erstmals eine Fünf-Parteien-Einigung zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses geführt, bei dem es um die Untersuchung von Abhör- und Beeinflussungsmaßnahmen im Bereich des Parlaments ging. Am Anfang stand auch das gemeinsame Bestreben, Aufklärung zu betreiben. Aus dem guten Start wurde aber nach 17 Sitzungen, 120 Arbeitsstunden und 36 befragten Auskunftspersonen "kein Renommierstück des Parlamentarismus", fasste der Obmann des Untersuchungsausschusses, ÖVP-Abg. Dr. Martin Bartenstein, am 11.12. in seinem mündlichen Bericht im Plenum des Nationalrates zusammen und betonte gleichzeitig sein Bemühen, den Vorsitz überparteilich anzulegen.

In seinem Bericht dankte Bartenstein den Ministerien für die problemlose "ungeschwärzte" Anlieferung der angeforderten Akten, der Parlamentsdirektion für die hervorragende Abwicklung und dem Verfahrensanwalt Dr. Hoffmann für seine exzellente Tätigkeit. Mit der heutigen Diskussion im Plenum werde der Untersuchungsausschuss nun - entsprechend dem vereinbarten Zeitplan - vor Weihnachten abgeschlossen, sagte Bartenstein und kam damit zu den einzelnen Causen und Ergebnissen aus seiner Sicht als Vorsitzender:

Causa Westenthaler
Dabei ging es um die gesetzwidrige Überwachung von Abgeordneten ganz allgemein, aber auch um die Frage der Bürgerrechte, konkret um eine Rufdatenrückerfassung des Abgeordneten Westenthaler. Bartenstein: "Die Rufdatenrückerfassung war zwar rechtskonform, es gab eine richterliche Bewilligung. Die Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft aber war sicherlich überschießend. Denn prinzipiell sollte bei einem so schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre zuerst das gelindere Mittel der Zeugenbefragung zur Anwendung kommen. Das war nicht der Fall." Einen Vorsatz sehe er aber nicht, so Bartenstein, "allenfalls Nachlässigkeit." Zur Frage der Immunität ja oder nein bei Zeugenstellung von Abgeordneten habe das Justizressort bereits reagiert, seit Juli gibt es einen neuen, sehr strengen Immunitätserlass. Dem gemäß könne bereits durch die Zeugenbefragung eines Abgeordneten eine Verfolgungshandlung gesetzt und damit der Immunitätsfall ausgelöst werden, führte Bartenstein aus. Die Immunitätsfrage habe den Ausschuss mehrfach begleitet. So sei es auch um die Frage der sachlichen Immunität gegangen, am Beispiel der Veröffentlichung von Parlamentsreden mittels Presseaussendungen. "Es besteht Konsens darüber, dass es auch künftig möglich sein muss, über Nationalratssitzungen wahrheitsgetreu zu berichten. Eine Verfolgung von Pressereferenten kann nicht toleriert werden, das ist ungesetzlich."

Als "nicht mehr zeitgemäß" zu hinterfragen sei die außerberufliche Immunität, fuhr Bartenstein fort, machte aber auf die rechtliche Lage in anderen Ländern aufmerksam: "In unserem Nachbarland Deutschland sind verleumderische Beleidigungen vom Rednerpult des Bundestages nach dem Grundgesetz nicht zulässig und können verfolgt werden. Das wäre auch für eine Geschäftsordnungsreform in Österreich ein guter Hinweis." Problematisch sei, dass die Auslieferung eines Abgeordneten zu einem Stopp eines Strafverfahrens gegen andere Beteiligte führen kann.
Den Vorwurf der Politjustiz der Staatsanwaltschaft wies Bartenstein als "überschießend" zurück. "Es gab hervorragende Auftritte von Staatsanwälten im Untersuchungsausschuss, aber auch Staatsanwälte, die mehr als hundert Seiten an Akten übersehen haben." In diesem Zusammenhang begrüßte der ÖVP-Abgeordnete die Ankündigung von Ministerin Bandion-Ortner, die politische Abteilung der Staatsanwaltschaft Wien aufzulösen. "Darüber hinaus sollten wir die Kontrolle der Staatsanwaltschaft neu überdenken", kann sich Bartenstein eine parlamentarische Nachkontrolle durch vertraulich arbeitende ständige Unterausschüsse ähnlich wie bei den Nachrichtendiensten vorstellen.

Causa Öllinger
Dabei ging es um die Bespitzelung von Mandataren im Auftrag von Mandataren durch Organe der Republik. "Die Schlüsselfrage dabei: War es Abg. Öllinger bekannt, ob der Polizist ein Polizist war, oder nicht", fasste Bartenstein zusammen. "Das wird noch zu klären sein. Grundsätzlich besteht aber Konsens darüber, dass bei der Genehmigung von Nebentätigkeiten künftig restriktiver vorgegangen werden sollte."

Causa Kasachstan
Dabei ging es um die Einflussnahme ausländischer Dienste auf das Parlament. "Ergebnis aus meiner Sicht: es gab sehr wohl Einfluss mit Hilfe österreichischer Staatsbürger", so Bartenstein, der einräumte, dass für ihn weitere Zeugenbefragungen wünschenswert gewesen wären. Er persönlich sei auch nicht grundsätzlich gegen die Ladung von Ministern in den Ausschuss gewesen, allerdings habe es bei den Untersuchungsgegenständen keine Weisung oder Einbindung eines Ministers gegeben. "Daher war es sicherlich auch argumentierbar, Minister nicht zu laden."

Zusammenfassend bekannte sich Bartenstein zu einer umfassenden Reform der Untersuchungsausschüsse. "Die nächsten drei Monate sind für uns Chance und Verpflichtung, hier voranzugehen. Vor allem eine Regelung bezüglich der Befragungstechnik sei nötig. "Mehr Respekt voreinander und der Verzicht auf persönliche Beleidigungen wären wünschenswert", betonte Bartenstein. Evident sei auch das Problem des überschießenden Zitierens und Verlesens aus vertraulichen Akten in öffentlicher Sitzung geworden. "Es braucht eine Regelung der Geschäftsordnung, um es dem Vorsitzenden zu ermöglichen, rasch einzugreifen und diese de-facto-Veröffentlichungen abzustellen." Dazu gehöre auch die Befragung von Mitgliedern der Nachrichtendienste in öffentlicher Sitzung. "Wenn es wirklich um Aufklärung geht, muss die Befragung in vertraulicher Sitzung durchgeführt werden können."

Schließlich kam Bartenstein zur Frage des künftigen Vorsitzes bei Untersuchungsausschüssen zu sprechen. "Vorsitzender sollte auch in Zukunft ein Parlamentarier sein. Ein pensionierter Richter wäre für mich eine Bankrotterklärung für unser Parlament." Dafür kann sich der Vorsitzende aber wie bei Plenarsitzungen ein vorgeschriebenes Zeitmanagement in Form von Tagesblockzeiten und eine angemessene Dauer der Ausschüsse von drei bis höchstens sechs Monaten vorstellen. "Ich hätte mir gewünscht, mit diesem Untersuchungsausschuss ein neues Kapitel aufzustoßen. Das ist nicht gelungen, wir sind auch in diesem Ausschuss in alte Verhaltensmuster zurückgefallen. Nehmen wir daher die nächsten Monate zum Anlass, wirklich Neuland zu entwickeln", fasste Bartenstein abschließend zusammen. "Ende März werden wir sehen, ob wir die Chance gemeinsam auf Basis einer Fünf-Parteien-Einigung genutzt haben.

 

Pendl: Für SPÖ stand Aufklärung und Transparenz im Vordergund
Pilz und Stadler rückten von wesentlichen Themen im U-Ausschuss ab - Opposition lehnte Terminvorschläge ab
Wien (sk) - "Von der ersten Sekunde des Untersuchungsausschusses an haben wir versucht, Aufklärung, Transparenz, und das Miteinander ins Zentrum zu stellen", so SPÖ- Sicherheitssprecher und SP-Fraktionsführer im U-Ausschuss Otto Pendl am 11.12. im Nationalrat. Pendl stellte klar, dass sowohl gegen den Vorsitzenden als auch gegen den Verfahrensanwalt von Beginn an polemisiert wurde, und dass die wesentlichen Themen des Ausschusses von den Abgeordneten Pilz und Stadler immer wieder in den Hintergrund gerückt wurden. Die Art und Weise, wie mit Auskunftspersonen umgegangen wurde, wäre zudem vor keinem Gericht haltbar gewesen: "Das haben unbescholtene Bürgerinnen und Bürger nicht verdient", so Pendl. Die SPÖ habe den Ausschuss "sicher nicht" abgedreht, da von der Opposition bei der letzten Sitzung alle angebotenen Termine abgelehnt worden waren.

"Wir sind ein Rechtsstaat und legen großen Wert darauf, auch in Zukunft in Österreich rechtsstaatliche Abläufe vorzufinden - es darf gegen niemanden ohne ordentliche Rechtsgrundlage ermittelt werden", erklärte Pendl in Richtung Pilz, der die illegale Weitergabe von Akten legalisiert haben möchte. In Zusammenhang mit der Zusammenarbeit mit Regierungsmitgliedern betonte Pendl, dass von den Ressorts alle benötigten Akten übermittelt worden waren, um sich ein ordnungsgemäßes Bild zu verschaffen. "Grundrechte müssen heilig sein - die Erkenntnisse aus dem U-Ausschuss gilt es jetzt in legistische Maßnahmen umzusetzen, für die Menschen und die Würde des Hohen Hauses", so Pendl abschließend.

 

Graf: ÖVP und SPÖ bilden eingetragene Vertuschungs-Partnerschaft
"Bartensteins Bericht war eher ein Geständnis!"
Wien (fpd) - FPÖ-Fraktionsführer NAbg. Martin Graf hat den Bericht des Untersuchungsausschuss-Vorsitzenden Bartenstein im Parlament heftig kritisiert: "Das war kein Bericht, das war eher ein Geständnis", erklärte Graf in Anspielung auf die massive Vertuschung durch die Regierungsparteien, die schließlich im Abwürgen des Ausschusses mündete.

Ähnlich wie beim abgedrehten Banken-U-Ausschuss werde allerdings auch diesmal die volle Wahrheit ans Licht kommen, erwartet Graf: "Damals hat man such die Vorgänge um die Hypo Alpe Adria und um die Meinl-Firmen vertuscht, und dennoch sind die Finanzskandale publik geworden."

Im Hinblick auf die geplante Reform der U-Ausschüsse warnte Graf vor einem neuerlichen Anschlag der ÖVP auf die Kontrollrechte des Parlaments: "Die ÖVP bastelt schon an einem Minderheitenrecht auf Vertuschung, damit sie sich dafür nicht immer der SPÖ bedienen muss." Inhaltlich habe der U-Ausschuss Poltjustiz zu Tage gefördert, die sich ausschließlich gegen Oppositionspolitiker richte. Und so Graf: "Die Regierungsparteien stecken tief in einem kasachischen Geheimdienst-Sumpf, der voll ist mit dreckigem Geld und dreckigen Methoden."

Schließlich sei auch der Grüne Spitzelskandal vollinhaltlich bestätigt worden, der dem Abgeordneten Öllinger nun ein weiteres Verfahren einbringen werde. Die von Peter Pilz heute im Nationalrat neuerlich konstruierten Verbindungen zwischen Rechtsextremen und der FPÖ seien keineswegs im Ausschuss festgestellt worden. "Nur Öllinger hat das behauptet. Und die Glaubwürdigkeit des Herrn Öllinger liegt nach diesem Ausschuss schon unter der Nulllinie."

Die FPÖ hat einen 100seitigen Zwischenbericht über die Ergebnisse und die Vertuschungen des U-Ausschusses erstellt und in Form eines Entschließungsantrages in den Nationalrat gebracht. Der Bericht kann auf http://www.unzensuriert.at eingesehen werden.

 

Stadler: Abgedreht ist nicht verhindert
"Herzlichst Abgedreht - Ihr Martin Bartenstein
Wien (bzö) - Schwere Kritik an ÖVP und SPÖ übte der Fraktionsführer des BZÖ im U-Ausschuss Ewald Stadler angesichts der Tatsache, dass die Regierungsparteien die Aufklärungsarbeit mit heutigem Tage im Parlament abdrehen. Das BZÖ hat gegen diese Vorgangsweise mit Tafeln die den Ausschussvorsitzenden Martin Bartenstein in kasachischer Tracht mit dem Titel "Abgedreht" zeigen, protestiert.

"Bartenstein hat dieses Taferl persönlich mit "Herzlichst Abgedreht" signiert. Das zeigt mehr als deutlich, dass der Ausschussvorsitzende die Aufklärungsarbeit im Auftrag von ÖVP-Chef Pröll abgedreht hat", so Stadler. Kritik übte Stadler auch an "der Jammerei, besonders der Staatsanwälte", dass im U-Ausschuss Fragen gestellt worden sind. Im Gegensatz zu Zeugen und Angeklagten vor normalen Gerichten, hätten die Auskunftspersonen im U-Ausschuss sogar einen Verfahrensanwalt an ihrer Seite. Jeder Bürger könne sich selbst in den öffentlichen Protokollen ein Bild von der Fairness machen.

Wie uninformiert besonders die SPÖ gewesen sei, zeige auch die heutige Rede der Abgeordneten Lapp, die wieder einmal mit falschen Informationen beweise, dass "die Peinlichkeit der Wurstsemmelfraktion SPÖ (das Hauptinteresse der SPÖ im Ausschuss galt der persönlichen Versorgung mit Wurstsemmel) keine Grenzen hat". Die Wurstsemmelfraktion sei aber sofort auf der Abdreherseite der ÖVP gewesen, als Vorwürfe gegen den SPÖ-Pensionistenchef Blecha aufgetaucht sind. SPÖ und ÖVP hätten nur ein "Anpatzungsinteresse an der Opposition" gehabt.

"Die aufgetauchten willkürlichen Überwachungen können jeden einzelnen Bürger treffen. Das wollten wir mit Justiz- und Innenministerin unter Wahrheitspflicht im U-Ausschuss diskutieren. Davor hat besonders die ÖVP Angst und die Bürger zahlen die Rechnung für eine ausgedünnte und überforderte Polizei". Deshalb sei Aufklärung im U-Ausschuss so wichtig, denn nur dort gebe es Wahrheitspflicht und nur dort könne man die entsprechenden Dokumente anfordern. Es wäre für Stadler sonst beispielsweise nie bewiesen worden, dass ein Staatsanwalt dicke Akten gegen den ehemaligen Innenminister und jetzigen ÖVP-Europa-Abgeordneten Ernst Strasser trotz mehrmaliger Nachfragen des Anzeigers einfach "übersehen" hat, während eine zweiseitige Anzeige Strassers gegen den Grün-Abgeordneten Peter Pilz vom selben Staatsanwalt sofort behandelt worden sei und mit den Ermittlungen die von Strasser gegründete Behörde BIA beauftragt wurde. "Ich nenne das Spitzelpolizei und Regierungsjustiz", so Stadler. Auch der Hauptteil Kasachstan sei nicht abgearbeitet worden. Zentralfiguren wie ein ehemaliger ORF-Journalist oder der Ex-Botschafter Alijew seien nicht geladen worden. Auch sei nicht erhoben worden, wie Alijew, der vorher ÖVP-nahen Firmen lukrative Aufträge erteilt hat, binnen 24 Stunden über die erzschwarze BH Horn gemeinsam mit seinen "Bodyguards" eine Daueraufenthaltsgenehmigung in Österreich erhalten konnte. "Hier wird nicht aufgeklärt". Der ehemalige SPÖ-Abgeordnete Gaal habe offensichtlich Adressen von Entführungsopfern besorgt - "Hier wird nicht aufgeklärt". Geldflüsse an Parteien, mit einer Geldkofferübergabe im Sacher - "Hier wird nicht aufgeklärt". "Aber abgedreht ist nicht verhindert. Die Opposition wird für eine demokratische Weiterentwicklung und Aufklärung sorgen", so Stadler abschließend.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament vertretenen Parteien –
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