Österreichische Bundesbahnen - Österreichs berühmteste Baustelle?   

erstellt am
11. 12. 09

Nationalrat debattiert Tätigkeitsbericht 2008 der Schienen-Control
Wien (pk) - Der Tätigkeitsbericht 2008 der Schienen-Control GmbH bot den MandatarInnen am 10.12. Gelegenheit zu einer ausführlichen Debatte über die ÖBB. Abgeordneter Anton HEINZL (S) sprach von einem bewegten und erfolgreichen Jahr der Schieneninfrastrukturgesellschaft, die die Zahl der Fahrgäste um 11.000 erhöhen und auch im Fernverkehr Marktanteilsgewinne verbuchen konnte. Im Taktfahrplan konnten Verbesserungen für die BahnfahrerInnen erreicht werden. Im Fernverkehr wurden Entschädigungen bei Verspätungen eingeführt. Künftig sollen auch PendlerInnen Anspruch auf Verspätungsentschädigung erhalten. Die Interessen der Fahrgäste rücken immer mehr in das Zentrum der ÖBB, lobte Abgeordneter Heinzl.

Abgeordneter Ferdinand MAIER (V) kritisierte hingegen Unpünktlichkeit und Unfreundlichkeit im Umgang mit den Kunden bei den ÖBB und zeigte sich angesichts der Entwicklungen im Jahr 2009 besorgt um die ÖBB. Bei dem negativen Publikumspreis "Frustikus" führten die ÖBB bereits wegen unbrauchbarer Fahrplanauskünfte, Fahrscheinautomaten und wegen einer wenig benutzerfreundlichen Homepage. Es mangle an Service-Orientierung bei den ÖBB, klagte Maier, darüber könnten auch enorme Werbeaufwendungen nicht hinwegtäuschen. Das Management sei gefordert, die Anforderungen an eine kundenfreundliche Bahn zu erfüllen.

Abgeordneter Mario KUNASEK (F) bemühte sich um Wahrheitsfindung zwischen den gegensätzlichen Ausführungen seiner beiden Vorredner. Er klagte über zu geringe Zuwächse der ÖBB im Güterverkehr und übte seinerseits Kritik an Verspätungen im Personenverkehr und abnehmende Kundenzufriedenheit. Der Redner beklagte ausgedünnte Fahrpläne und die geplante Einstellung der Direktverbindung zwischen Linz und Graz, die nur durch massive Beiträge der beiden Länder verhindert werden konnte. Landeshauptstädte seien direkt zu verbinden, zeigte sich Abgeordneter Kunasek überzeugt und legte einen Entschließungsantrag für die Aufrechterhaltung von Direktzügen zwischen Graz und Bregenz vor.

Abgeordneter Erich TADLER (B) buchstabierte ÖBB mit "Österreichs berühmteste Baustelle" und stimmte seinerseits in den Klagechor wegen häufiger Verspätungen von Bundesbahnzügen ein. Es hapere aber auch bei der Betreuung von Behinderten und auch beim Reservierungssystem zeigten sich Mängel. Geld für teure Inserate lehnte der Redner ebenso ab wie die große Zahl freigestellter Betriebsräte bei den ÖBB. Tadler trat für eine Privatisierung des Unternehmens ein.

Abgeordnete Gabriela MOSER (G) sprach von einem guten Bericht und empfahl Ministerin Bures das genaue Studium der darin erhobenen Daten. Im internationalen Vergleich lägen die ÖBB gar nicht so schlecht, räumte Moser ein, bedauerte aber, dass die Zahl der Langsamfahrstellen und jene der Verspätungen enorm zugenommen haben. Nicht nur in der schwarz-blauen Periode, sondern auch unter Verkehrsminister Faymann sei viel zu wenig Augenmerk auf laufende Investitionen in die Bahn gelegt worden, sagte die Rednerin und bemängelte die verspätete Einschulung des Personals auf die neue Situation am "Südbahnhof" Meidling. Die Errichtung des neuen Zentralbahnhofs in Wien werde ein Chaos nach sich ziehen, befürchtete Moser, übte Kritik an der Personalpolitik der ÖBB, aber auch an Ländern wie Niederösterreich, die Leistungen für Pendler bei den ÖBB bestellten, bei der Abgeltung aber knausrig seien, was zur Einstellung von Pendler-Verbindungen führe.

Verkehrsministerin Doris BURES wollte bei den ÖBB "nichts schönreden", wandte sich aber vehement dagegen, das größte Infrastrukturunternehmen Österreichs schlecht zu reden. Sie werde es nicht zulassen, dass dieses Unternehmen verscherbelt werde, wie dies manche wünschten und erteilte Privatisierungsvorschlägen eine entschiedene Absage. Dies deshalb, weil sie für die Interessen der PendlerInnen, SchülerInnen und aller ÖBB-KundInnen eintrete. ÖBB-Kritiker sollten daran denken, wie viele Menschen die ÖBB brauchten, sagte Bures und legte ein Bekenntnis zum Ausbau des Nahverkehrs ab. Ohne ÖBB werde es auch nicht gelingen, Verkehr von der Straße zu bringen. Kaum anderswo in der EU würden mehr Menschen per Bahn transportiert, erinnerte die Ministerin, "kein anderes EU-Land hat einen höheren Bahnanteil am Gütertransport". Froh zeigte sich die Ministerin über die hohen Investitionen in die Bahn-Infrastruktur. "Das dient der wirtschaftlichen und der ökologischen Zukunft des Landes und unserer Kinder. Wir brauchen starke ÖBB", unterstrich Bures und wies auf die klaren Ziele für den zukunftsorientierten Ausbau der Bundesbahnen hin. "Eine Privatisierung hingegen würde den Untergang der ÖBB bedeuten", wiederholte Verkehrsministerin Bures.

Abgeordneter Johann HELL (S) betonte die Leistungen der ÖBB-Bediensteten, die es sich nicht verdient hätten, in diesem Haus so schlecht besprochen zu werden, wie dies manche Oppositionsredner tun. Hell betonte den hohen Sicherheitsstandard auf den ÖBB-Strecken und würdigte die technische Überwachung des Schienenverkehrs. Angesichts von Liberalisierungen im Güter- und Personenverkehr nehme die Bedeutung technischer Kontrollen weiter zu. Zu vermeiden seien Wettbewerbsnachteile für die ÖBB gegenüber privaten Eisenbahnunternehmen, die das österreichische Bahnnetz benützen, meinte der Redner. Schließlich klärte der Abgeordnete darüber auf, dass die Zahl der Betriebsräte bei den ÖBB genau den Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes entspreche.

Auch Abgeordneter Johann RÄDLER (V) bekannte sich zu den ÖBB und zu den Leistungen der Bahn im Interesse des ländlichen Raums und ökologischer Zielsetzungen in der Verkehrspolitik. Kritik übte der Redner an den ÖBB wegen Problemen auf der Südbahn, unter denen PendlerInnen zu leiden haben. Politische Schuldzuweisungen an frühere Bundesregierungen wies der Redner zurück.

Abgeordneter Peter STAUBER (S) sprach von einem positiven Bericht und warnte davor, bei den ÖBB immer nur Kritikpunkte zu suchen. Die ÖBB arbeiteten engagiert daran, die Pünktlichkeit der Züge wieder zu verbessern, sagte der Redner, der sich auch sehr positiv über den steigenden Güterverkehrsanteil auf der Schiene äußerte. Positive Nachrichten registrierte Stauber auch über den Verkehr auf den Schienenverbindungen nach Prag und München sowie über den Ausbau des Nahverkehrs.

Abgeordneter Johann SINGER (V) informierte darüber, dass Österreich relativ mehr Schienenverbindungen aufweise als andere EU-Länder. Häufige Verspätungen ließen aber Mängel beim Betrieb der Strecken erkennen. Daher sei es zu begrüßen, wenn Mittel des Infrastrukturpakets für die Beseitigung von Langsamfahrstellen eingesetzt werden. Verbesserungsbedürftig sei laut Abgeordnetem Singer auch die Zugsverbindung zwischen den Landeshauptstädten Linz und Graz.

Abgeordneter Hermann GAHR (V) befasste sich mit dem Problemen unpünktlicher ÖBB-Züge und appellierte an das Management der Bundesbahnen, für mehr Kundenzufriedenheit auf der Bahn zu sorgen. Entscheidend für die Zukunft werde es sein, die im vorliegenden Bericht aufgezeigten Qualitätsmängel zu beseitigen und Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern.

Abgeordneter Josef LETTENBICHLER (V) befasste sich zunächst mit den Fernverkehrsangeboten der Bahn und sprach im Hinblick auf den Nahverkehr sein Bedauern darüber aus, dass hier der finanzielle Einsatz der ÖBB leider endenwollend sei. In diesem Zusammenhang betonte der Abgeordnete das Engagement seines Bundeslandes Tirol bei der Finanzierung von Pendlerzügen. Durch Reformen bei den ÖBB sollten Mittel freigemacht werden, um in den Nahverkehr investieren zu können.

Abgeordneter Christoph HAGEN (B) verwies auf erfolgreiche ausländische Modelle bei der Privatisierung von Schienenverkehrsinfrastrukturinvestitionen und forderte einmal mehr dazu auf, die Privilegien bei den ÖBB zu beenden.

Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen.

Der Entschließungsantrag des Abgeordneten Kunasek betreffend Aufrechterhaltung der Direktverbindung zwischen Graz und Bregenz erhielt keine Mehrheit und wurde abgelehnt.
     
Informationen: http://www.parlament.gv.at    
     
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