Innsbrucker Festwochen feiern Pergolesi und Fux   

erstellt am
10. 12. 09

Das Festival der Alten Musik vergisst 2010 nicht auf die runden Geburtstage von zwei außergewöhnlichen Barockmeistern
Innsbruck (altemusik) - Im Jahr 2010 feiert die Musikwelt nicht nur runde Geburtstage von den romantischen Heroen Schumann und Chopin und dem postromantischen Symphoniker Mahler, sondern auch von den Barockmeistern Johann Joseph Fux (1660-1741) und Giovanni Battista Pergolesi (1710-1736). Zwei Komponisten, die bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik 2010 (8.-29. August) dem Anlass und Rahmen entsprechend eine besondere Stellung einnehmen werden.

Dem aus Jesi in den italienischen Marken stammenden Pergolesi blieb nicht viel Zeit, sein musikalisch außergewöhnliches Talent zu entfalten. Die Musikwelt feiert am 4. Januar 2010 den 300. Geburtstag eines wahrlich früh vollendeten Komponisten, der im Alter von nur 26 Jahren im März 1736 in der Nähe Neapels an Tuberkulose starb. Immerhin blieb ihm so viel Zeit, um eine besonders berührende Kirchenmusik, ein "Stabat mater", zu komponieren, das bis in unsere Zeit überlebt hat und in zahlreichen Platten- und CD-Einspielungen vorliegt. Die Innsbrucker Festwochen widmen sich 2010 aber in besonderem Maße dem Musikdramatiker Pergolesi, als der er auch Außergewöhnliches leistete und posthum mit einem seiner Werke zu großem Ruhm kam: "La serva padrona", eigentlich nur als komisches Intermezzo zwischen zwei Akten einer ernsten Oper komponiert, löste nach einer Aufführung 1752 in Paris den berühmten Buffonistenstreit, eine hitzige ästhetische Debatte über die Priorität von französischer oder italienischer Opernmusik aus. Eineinhalb Jahrzehnte nach seinem Tod trug Pergolesi dabei den Sieg davon: "La serva padrona", deren buffoneske Gestaltung und sprachlich-musikalische Synthese als schlichtweg ideal gefeiert wurden, avancierte zum Vorbild und Modell für die Opéra comique, für die komische Oper der kommenden Epochen schlechthin.

Alessandro De Marchi, der neue künstlerische Leiter der Innsbrucker Festwochen, kombiniert das Pergolesi-Intermezzo "La serva padrona" mit einer von Johann Sebastian Bachs weltlichen Kantaten, der berühmten "Kaffee-Kantate". Zum einen bewogen De Marchi musikalische Aspekte, diese beiden Werke in einer gemeinsamen, halbszenischen Version im Spanischen Saal des Renaissanceschlosses Ambras herauszubringen: Der Tonsprache und Melodik Pergolesis sei Bach in diesem seinen weltlichen Vokalwerk eng verwandt, ja Bach habe lebendig und originell seinen Beitrag zur Gattung des Opern-Intermezzos geleistet. Zum anderen ist es die inhaltliche Parallelität, die die beiden Werke verbindet: Sowohl in der "Kaffeekantate" als auch in "La serva padrona" nehmen starke Frauen in einer patriarchalischen Welt den Kampf um ihr Lebensglück selbst in die Hand. Darin erscheinen beide Werke gesellschaftlich als geradezu wegweisend. Die amerikanische Sopranistin Robin Johannsen wird die beiden weiblichen Hauptpartien in Innsbruck singen, begleitet von der Academia Montis Regalis unter der Leitung von Alessandro De Marchi und in der Regie von Christoph von Bernuth.

Das Hauptereignis in Hinblick auf Pergolesi wird in Innsbruck 2010 die Produktion seiner höchst selten aufgeführten, ja eigentlich vergessenen Opera seria "L'Olimpiade" sein. Eines der berühmtesten Libretti des Wiener Hofdichters Pietro Metastasio wurde von Pergolesi ein Jahr vor seinem allzu frühen Tod für Rom komponiert, für ein damals sehr heikles Opernpflaster, auf dem keine Frauen auftreten durften, und demnach auch die Heldin in "L'Olimpiade", Aristea, von einem Kastraten gesungen wurde. Für die Innsbrucker Neuproduktion der Oper konnte die italienische Sopranistin Raffaela Milanesi gewonnen werden, die sich im Haydn-Jahr 2009 bereits in "L'isola disabitata" in die Herzen der Innsbrucker Festwochenbesucher gesungen hat.

Der junge Pergolesi hat mit seinem Sängerwettstreit von Olympia nach Meinung des Dirigenten De Marchi etwas ganz Neues gegenüber den Vorgängern, die dieses Libretto vertont haben (unter ihnen Vivaldi und Caldara), erreicht: "Die Charakteristik der Opera seria mit Momenten der Opera buffa zu verbinden." Damit leitete Pergolesi eine maßgebliche Neuentwicklung der Operngattung ein, die ein halbes Jahrhundert später in Mozarts Dramma giocoso "Don Giovanni" gipfelte. De Marchi: "'L'Olimpiade' ist der Idealfall dessen, was wir Italiener Commedia di caratteri nennen."

Das olympische Spiel um Liebesglück, Freundschaft und Ehre, das im antiken Olympia seinen Ausgang nimmt und Parallelen zur griechischen Mythologie aufweist, wird in der modernen Olympiastadt Innsbruck als Neuinszenierung von dem deutschen Regisseur Alexander Schulin, der von den deutschen Medien als "Peter Brook des Musiktheaters" gefeiert wurde, auf die Bühne des Tiroler Landestheaters kommen.

Im Innsbrucker Dom zu St. Jakob erinnern die Festwochen 2010 an einen der bedeutendsten österreichischen Barockkomponisten, Johann Joseph Fux, der als Wiener Hofkomponist und als Theoretiker mit der Schrift "Gradus ad Parnassum" zu Lebzeiten große Anerkennung fand. Die Nachwelt anerkennt bis heute seine Autorität als Tonsetzer wie als Musikgelehrter, allerdings nahm er in der Rezeption nie eine vergleichbare populäre Stellung wie etwa Bach (der Fux als einzigen vorbildhaft nannte) und Händel ein. Der Musikwissenschaftler Ludwig von Köchel, dessen Name durch sein Werkverzeichnis von Mozarts Schaffen populär wurde, hat ebenso Fux ein chronologisches Werkverzeichnis und eine Biografie gewidmet. Also auch für Fux ist ein "Köchel-Verzeichnis" relevant.

Der mit ziemlicher Sicherheit 1660 im damaligen Hirtfeld bei Graz (heute Gemeinde Langegg) geborene Bauernsohn Johann Joseph Fux darf 2010, 350 Jahre nach seiner Geburt, in Österreich als ein "großer musikalischer Sohn" gefeiert werden, der in seinem Schaffen einerseits an die einzigartige Schule des Italieners Palestrina anknüpfte und andererseits mit seiner Harmonik und seiner facettenreichen musikalischen Gestaltung zukünftigen Komponistengenerationen wichtige Wege bereitete. Dem im selben Jahr und in derselben Stadt wie Vivaldi, 1741 in Wien, verstorbene Fux wird bei den Innsbrucker Festwochen mit der Aufführung einer seiner bedeutenden, großen Messen, der "Missa Corporis Christi" geehrt. Das L'Orfeo Barockorchester unter der Leitung seiner Dirigentin Michi Gaigg setzt dem grandiosen Werk eine der so genannten "Lutherischen Messen" von Fux-Bewunderer Johann Sebastian Bach voraus. Als GesangssolistInnen werden Ulrike Hofbauer (Sopran), Margot Oitzinger (Alt), Daniel Johanssen (Tenor) und Markus Volpert (Bass) zu hören sein.
     
Informationen: http://www.altemusik.at    
     
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