Sozialpolitik als Produktivkraft   

erstellt am
09. 12. 09

Internationale Beispiele zeigen, dass ein hohes Maß an Sozialleistungen nicht mit einer geringen Wirtschaftsleistung einer Volkswirtschaft in Verbindung steht.
Wien (wifo) - Sozialpolitik kann über verschiedene Transmissionsmechanismen positiv auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung wirken. Dafür müssen Anreizwirkungen berücksichtigt werden und Maßnahmen auch in anderen Politikfeldern aktiv den Strukturwandel der Wirtschaft begleiten.

Sozialpolitische Strategien in den Bereichen Bildung, Familie und Arbeitsmarkt, die auf eine Erhöhung der Arbeitsmarktbeteiligung abzielen, sind nicht nur die effektivste Möglichkeit zur Verringerung von Armut, sondern tragen über eine Erweiterung der individuellen Teilhabechancen auch zur gesellschaftlichen Stabilität sowie zur nachhaltigen Finanzierung des sozialen Sicherungssystems bei.

Für Frauen bedeutet eine verstärkte Integration in den Arbeitsmarkt eine eigenständige soziale Absicherung, die angesichts des Anstiegs von Scheidungsrate und Lebenserwartung an Bedeutung gewinnt. Studien belegen, dass sich mit einem eigenen Erwerbseinkommen die Verhandlungsposition von Frauen innerhalb der Familie verbessert und sie weniger häuslicher Gewalt ausgesetzt sind. Zudem ist ihre geringere Arbeitsmarkteinbindung ein wichtiger Erklärungsfaktor für die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede. Auf der Makroebene trägt eine Erhöhung der Frauenbeschäftigung zur nachhaltigen Sicherung eines qualifizierten Arbeitskräftepotentials bei.

Ein effektives Mittel zur verstärkten Arbeitsmarktintegration von Frauen liegt in der Schaffung eines flächendeckend verfügbaren, qualitativ hochwertigen, erschwinglichen und mit den Arbeitszeiten kompatiblen Angebotes an institutioneller Kinderbetreuung und Pflege. Mit einem Ausbau der sozialen Infrastruktur werden Teile der Haushaltsproduktion auf den Markt verlagert und so durch die Beschäftigungsmöglichkeiten für Betreuungspersonen direkt Arbeitsplätze geschaffen. Empirische Studien belegen außerdem eine förderliche Wirkung eines quantitativ und qualitativ geeigneten Betreuungsangebotes auf die Fertilität.

Investitionen in eine qualitativ hochwertige Bildung, beginnend mit der frühkindlichen Bildung über das Erstausbildungssystem bis hin zur Weiterbildung in anschließenden Erwerbs- und Lebensphasen, bilden eine wichtige Voraussetzung für Wirtschaftswachstum und wirken darüber hinaus positiv auf Indikatoren wie die Stabilität der Arbeitsmarktintegration, die Einkommenssituation, den Gesundheitszustand, die Lebenserwartung und die soziale Integration.

Für die Erwerbstätigen ist eine zukunftsorientierte Weiterbildungsstrategie notwendig, um den immer höheren Qualifikationsanforderungen Rechnung zu tragen, die der technologische Fortschritt stellt. Die Betonung mittlerer beruflicher Qualifikationen ist nicht mehr adäquat. Zentrales Element einer zukunftsorientierten Strategie wäre die Höherqualifizierung von Arbeitskräften mit geringer und mittlerer Qualifikation.

Besondere Bedeutung kommt einer aktiven Bildungspolitik für Kleinkinder zu. Die Lernfähigkeiten eines Kindes werden vor allem in den ersten Lebensjahren geformt. Gleichzeitig unterscheiden sich Eltern in ihrer Fähigkeit, in ihre Kinder zu investieren und ihnen den Weg in die Bildungsgesellschaft zu ebnen. Eine qualitativ hochwertige Betreuung, Erziehung und Bildung bereits von Kleinkindern trägt zu einer Verringerung der sozialen Vererbung, einer Egalisierung der Startbedingungen und zu einer besseren Erschließung der Bildungspotentiale aller Kinder bei. Bildungsausgaben sind im frühkindlichen Bereich (ab einem Alter von zwei Jahren) am effektivsten. Wie empirische Studien zeigen, trägt in demokratischen Ländern eine egalitäre Verteilung zur gesellschaftlichen Stabilität bei und wirkt sich somit positiv auf Kapital- und Humankapitalinvestitionen sowie auf die Wettbewerbsfähigkeit aus. Sozialpolitische Transfers verbessern die gesellschaftliche Integration und die Teilhabe von gesellschaftlichen Randgruppen. Auch sie können die soziale Vererbung mindern. Überdies geben Personen, die sozialpolitische Transfers erhalten, einen großen Teil ihres Einkommens für Konsumgüter aus, sodass diese Leistungen eine konjunkturstabilisierende Wirkung haben.
     
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