Kartellrecht    

erstellt am
16. 12. 09

Kommission akzeptiert Verpflichtungszusagen von Microsoft, Nutzern bei Webbrowsern Wahlfreiheit zu geben
Brüssel (ec.europa.eu) - Die Europäische Kommission hat per Beschluss Verpflichtung szusagen für rechtsverbindlich erklärt, die Microsoft zur Förderung des Wettbewerbs auf dem Markt für Webbrowser angeboten hat. Microsoft reagierte mit seinen Zusagen auf Bedenken der Kommission, dass das Unternehmen durch die Koppelung seines Webbrowsers Internet Explorer an das PC-Betriebssystem Windows möglicherweise gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, kurz AEUV) verstoßen hat. Microsoft hat zugesagt, den Nutzern von Windows in Europa die Wahl zwischen verschiedenen Webbrowsern zu ermöglichen und Computerhersteller und Nutzer in die Lage zu versetzen, den Internet Explorer abzuschalten. Ferner veröffentlicht Microsoft heute eine Selbstverpflichtung, der zufolge das Unternehmen umfassende Interoperabilitätsinformationen zugänglich machen wird.

EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes erklärte: „Durch diesen Beschluss erhalten Millionen von Verbrauchern in Europa die Möglichkeit, ihren Webbrowser frei zu wählen. Diese Wahlfreiheit wird nicht nur dazu beitragen, den Nutzern positivere Erfahrungen mit dem Internet zu ermöglichen, sondern veranlasst die Branche auch zu Innovation und zur Entwicklung besserer Browser.“

Gemäß den von der Kommission angenommenen Verpflichtung szusagen wird Microsoft im Europäischen Wirtschaftsraum fünf Jahre lang (über ein Windows-Update) einen Auswahlbildschirm anbieten, über den die Nutzer von Windows XP, Windows Vista und Windows 7 auswählen können, welchen bzw. welche Webbrowser sie zusätzlich zu Microsofts Webbrowser Internet Explorer bzw. anstelle dieses Browsers installieren möchten.

Den Verpflichtung szusagen zufolge erhalten ferner Computerhersteller die Möglichkeit, konkurrierende Webbrowser zu installieren, sie als Default-Browser einzustellen und den Internet Explorer abzuschalten.

Der heutige Beschluss geht auf eine Mitteilung zurück, mit der die Kommission Microsoft am 15. Januar 2009 ihre Beschwerdepunkte bekannt gegeben hatte (siehe MEMO/09/15 ). In dieser Mitteilung hatte die Kommission die vorläufige Auffassung vertreten, dass Microsoft möglicherweise unter Verstoß gegen Artikel 82 EG-Vertrag (jetzt Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) seine beherrschende Stellung auf dem Markt für Client-PC-Betriebssysteme missbraucht hat, indem es seinen Webbrowser Internet Explorer an Windows gekoppelt hat.

Die Kommission vertrat den vorläufigen Standpunkt, dass Microsoft dadurch den Wettbewerb verzerrt hat . Durch die Kopplung hatte Microsoft bei mehr als 90 % der PCs einen künstlichen Vertriebsvorteil, der nicht im Produkt selbst begründet lag. Ferner war die Kommission der vorläufigen Auffassung, dass die Kopplung Innovationen auf dem Markt behindert und einen künstlichen Anreiz für Software-Entwickler und Inhalte-Anbieter geschaffen hat, ihre Produkte bzw. Websites so zu konzipieren, dass sie in erster Linie für den Internet Explorer geeignet sind.

Mit den angebotenen Verpflichtung szusagen werden die Bedenken der Kommission ausgeräumt. PC-Nutzer werden mithilfe des Auswahlbildschirms eine echte und unverfälschte Wahl zwischen dem Internet Explorer und konkurrierenden Webbrowsern haben. Dadurch soll ein Qualitätswettbewerb gewährleistet und im Interesse der Verbraucher dafür gesorgt werden, dass es auf dem Markt für Webbrowser und auf verbundenen Märkten wie dem für webgestützte Anwendungen zu technischen Entwicklungen und Innovation kommt.

Der Beschluss der Kommission stützt sich auf Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 zur Durchführung der EU-Wettbewerbsregeln. Er trägt den Ergebnissen des im Oktober 2009 durchgeführten Markttests Rechnung (siehe MEMO/09/439 ). Mit diesem Beschluss werden die von Microsoft angebotenen Verpflichtungszusagen für rechtsverbindlich erklärt. Zugleich wird die Untersuchung der Kommission damit eingestellt. Ob eine Zuwiderhandlung vorlag, ist dagegen nicht Gegenstand des Beschlusses. Sollte Microsoft seinen Verpflichtungen nicht nachkommen, könnte die Kommission eine Geldbuße von bis zu 10 % des jährlichen Gesamtumsatzes von Microsoft verhängen, ohne einen Verstoß gegen die Wettbewerbsvorschriften der EU nachweisen zu müssen.

Die Verpflichtung szusagen enthalten eine Klausel, der zufolge die Kommission die Zusagen nach zwei Jahren überprüfen kann. Microsoft wird der Kommission regelmäßig (erstmals in sechs Monaten) über die Umsetzung der Verpflichtungszusagen Bericht erstatten und gegebenenfalls auf Verlangen der Kommission den Auswahlbildschirm anpassen.

Interoperabilit ätsinformationen
Im Juli 2009 unterbreitete Microsoft auch Vorschläge über die Veröffentlichung von Informationen, durch die die Interoperabilität zwischen Produkten anderer Anbieter und mehreren Microsoft-Produkten einschließlich Windows, Windows Server, Office, Exchange und SharePoint verbessert würde (siehe MEMO/09/352 ). Nach ausführlichen Gesprächen mit der Kommission veröffentlicht Microsoft heute auf seiner Website eine verbesserte Fassung der entsprechenden Selbstverpflichtung und der damit zusammenhängenden Dokumente (zum Beispiel eine Garantievereinbarung und eine Patentlizenzvereinbarung). Die Kommission begrüßt diese Initiative zur Verbesserung der Interoperabilität. Zwar ist die öffentliche Selbstverpflichtung von Microsoft gegenüber der Kommission nur informeller Natur, doch sie beinhaltet für Dritte Zusicherungen, die privatrechtlich durchgesetzt werden können. Die Kommission wird die Auswirkungen dieser Selbstverpflichtung auf den Markt genau verfolgen und ihren Beobachtungen im laufenden Kartellverfahren betreffend die Interoperabilität Rechnung tragen.
     
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