"Hast Du meine Alpen gesehen?"   

erstellt am
16. 12. 09

Kulturstadtrat Mailath-Pokorny eröffnet Ausstellung im Jüdischen Museum Wien
Wien (rk) - "Dieses Ausstellungsprojekt ist ein gutes Beispiel für die Vernetzung des Wiener Jüdischen Museums mit anderen Häusern dieser Art", betonte Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny bei der Eröffnung der Ausstellung "Hast Du meine Alpen gesehen? - Eine jüdische Beziehungsgeschichte". Das Thema spanne auch inhaltlich den adäquaten Bogen von Vorarlberg nach Wien, gehe man doch auf die Erschließung der Bergwelt der Schweiz ebenso ein wie auf die Sommerfrische des jüdischen Großbürgertums auf dem Semmering vor den Toren Wiens, so Mailath. "Es ist erfreulich, dass ungewöhnliche Themen neue Publikumsschichten ansprechen, behandelt die Ausstellung doch die verschiedensten Aspekte eines Themenkreises, den man im langläufigen Sinn nicht unbedingt mit jüdischer Identität assoziieren würde", erläuterte Museumsdirektor Karl Albrecht-Weinberger in seinem Eröffnungsstatement. Die Ausstellungskuratoren Hanno Loewy (Hohenems) und Gerhard Milchram (Wien) zeigten anhand verschiedener Beispiele die vielfältigen Zugänge zum Thema und Robert Schindel sorgte mit seinem Essay "Friedvolles Nebeneinander" für den literarischen Ausklang des Abends.

Die Faszination der Alpen
"Hast Du meine Alpen gesehen? - Eine jüdische Beziehungsgeschichte" lautet der Titel einer Ausstellung, die das Jüdische Museum Wien gemeinsam mit dem Jüdischen Museum Hohenems erarbeitet hat. Nach der erfolgreichen Erstpräsentation in Hohenems wird die Schau nun im Palais Eskeles gezeigt. Ein ungewöhnliches Thema, das ungewöhnliche Zugänge erfordert, denn für die europäischen Juden waren die Berge in der Mitte des Kontinents von jeher Faszinosum, Herausforderung und Rätsel zugleich. Diese Verschwendung der Natur, diese Üppigkeit von Schönheit, Schroffheit und Energie musste einen Sinn haben, den es zu entdecken galt. So begann eine wechselvolle Beziehungsgeschichte, die Geschichte einer oftmals enttäuschten Liebe. Die Ausstellung erzählt Geschichten von Menschen, Orten und Objekten, die der Besucher auf dieser Reise entdecken kann, assoziativ verbunden, quer durch die Zeit, mit überraschenden und irritierenden Bezügen. Die Geschichte der Juden im Alpenraum beginnt mit der Ausdehnung des Römischen Reiches - doch jüdische Gemeinden in den Alpentälern entstanden erst spät und blieben eine Seltenheit: Hohenems, Innsbruck und Meran, noch später kamen etwa Lugano oder Luzern hinzu oder das saisonale jüdische Leben in den Kurorten Graubündens und im Wallis. Die Ausstellung führt die Besucher auf eine Entdeckungsreise durch Zeit und Raum - von Hohenems aus nach Wien, von Wien bis in die Schweiz und schließlich nach Meran: eine Reise durch die Welten des jüdischen Alpinismus und die Erschließung der Berge für den internationalen Tourismus, eine Reise zu den intellektuellen Kindheiten und erwachsenen Träumen jenseits der Städte, durch die Widersprüche von Assimilation und Migration, Verfolgung und Neubesinnung.

Die Ausstellung rückt die Bedeutung jüdischer Bergsteiger und Künstler, Tourismuspioniere und Intellektueller, Forscher und Sammler und ihre Rolle bei der Entdeckung und Erschließung der Alpen als universelles Kultur- und Naturerbe zum ersten Male ins Rampenlicht. Die Wahrnehmung der Berge als Ort geistiger und sinnlicher Erfahrung ist mit der jüdischen Erfahrung und dem Eintritt der Juden in die bürgerliche Gesellschaft Europas auf vielfältige Weise verbunden. Seit Moses, dem "ersten" Bergsteiger der Geschichte, haben Juden an der Schwelle von Himmel und Erde, von Natur und Geist nach spirituellen Erfahrungen und den Gesetzen und Grenzen der Vernunft gesucht. Die Ausstellung behandelt in mehreren Kapiteln Spannungsfelder des Alpinismus. Die Themenkreise setzen sich unter anderem mit der Bedeutung der Alpen für die jüdische Diaspora bis zur Wahrnehmung des jüdischen Alpinismus durch die österreichische, deutsche und schweizerische Gesellschaft, mit dem Streit über die Trachten bis zur Arisierung des Alpenvereins und des Österreichischen Skiverbandes, mit dem Widerstreit zwischen der humanistischen Wahrnehmung alpiner Traditionen und Folklore und einer ins Extrem gesteigerten rassistischen Heimattümelei und mit der Verwandlung der Berge als Ort spiritueller Erfahrung in einen Schauplatz von Verfolgung und Flucht im Nationalsozialismus auseinander.

"Hast Du meine Alpen gesehen? - Eine jüdische Beziehungsgeschichte" ist von 16. Dezember 2009 bis 14. März 2010 im Jüdischen Museum Wien (1., Dorotheergasse 11) zu sehen. Das zu den Kulturbetrieben der Wien Holding zählende Jüdische Museum ist von Sonntag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 6,50 Euro / 4,- Euro ermäßigt. Schulklassen haben freien Eintritt, Führungen und pädagogische Programme: Tel.: +43-1-535 04 31-130, 131 bzw. kids.school@jmw.at . Weitere Informationen sind unter www.jmw.at zu finden. Zur von Hanno Loewy (Hohenems) und Gerhard Milchram (Wien) kuratierten Ausstellung ist ein umfassender, reich illustrierter Katalog zum Preis von 29,80 Euro im Bucher-Verlag (ISBN 978-3-902679-41-3) erschienen.
     
Informationen: http://www.jmw.at    
     
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