Evangelisierung und Priesterfrage sind für Kardinal Schönborn Hauptakzente seines Dienstes   

erstellt am
25 01. 10

Wiener Erzbischof erinnert in „Radio Stephansdom“-Interview daran, dass in der österreichischen Hauptstadt seit jeher viele Priester „von außen“ tätig waren
Wien (pew) - Die Verkündigung des Evangeliums, die Mission, und die Sicherung des priesterlichen Dienstes in den Pfarrgemeinden bezeichnete Kardinal Christoph Schönborn in einem „Geburtstagsinterview“ mit „Radio Stephansdom“ als zentrale Anliegen seines Dienstes als Erzbischof von Wien seit 1995. Mit diesen beiden Akzenten sei ihm auch die Ökumene sehr wichtig und in den letzten Jahren der Kontakt zum Islam. Beides, das ökumenische wie das interreligiöse Gespräch, habe viel mit der historisch bedingten Rolle des Erzbischofs von Wien zu tun.

Im Hinblick auf die Entwicklung der Priesterzahlen setze er – ebenso wie seine Vorgänger – auf Priester aus dem Ausland, sagte der Kardinal. Das sei im übrigen nichts Neues, seit jeher habe es in Wien viele Priester aus dem „Ausland“ gegeben. Schon der erste Bischof von Wien stammte aus dem Trentino, auch der bisher längstdienende Erzbischof der österreichischen Hauptstadt – Kardinal Cristoforo Migazzi im 18. Jahrhundert – war Trentiner. In der Barockzeit habe es in Wien viele Priester, vor allem Ordensleute, aus Italien und Spanien gegeben. Im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert seien die nördlichen Kronländer das Reservoir für den Priesternachwuchs gewesen. Der „Dienst des Priesters“ sei unersetzlich, betonte der Wiener Erzbischof, freilich müsse der Priester auch imstande sein, gut mit den Laienchristen zusammenzuarbeiten.

In dem „Radio Stephansdom“-Interview machte Kardinal Schönborn zugleich deutlich, dass in der Erzdiözese Wien schon aus strukturellen Gründen großflächige Pfarrzusammenlegungen – wie sie etwa in Frankreich üblich sind – nicht in Frage kommen. In Frankreich gebe es eine dramatische Entvölkerung des flachen Landes, damit gehe dort auch die Zahl der Katholiken im ländlichen Bereich drastisch zurück. Dadurch seien Entwicklungen wie in der südfranzösischen Diözese Carcassone erklärbar, wo die früher 200 Pfarrgemeinden in 17 Großpfarren zusammengefasst wurden. „Das kommt für uns nicht in Frage“, so der Wiener Erzbischof wörtlich.

Insbesondere im niederösterreichischen Anteil der Erzdiözese Wien gebe es aber zwei Modelle. Das Modell „Pfarrverband“ sehe vor, dass zwei bis vier kleine Pfarren zu einem Verband zusammengeschlossen werden; sie bleiben eigenständige Pfarren, machen möglichst viel gemeinsam und haben zusammen einen Pfarrer und oft auch einen Kaplan. Das Modell „Seelsorgeraum“, das vor allem im Vikariat Unter dem Wienerwald praktiziert wird, gehe von der „Geographie des Lebensraums“ aus: Wo gehen die Kinder in die Schule, wo sind die Verkehrslinien, wo geht man einkaufen, wo verbringt man die Freizeit. Ein solcher „Lebensraum“ könne auch ein „Seelsorgeraum“ sein, in dem die Pfarren vieles gemeinsam tun – von der Erstkommunionvorbereitung über die Jugendarbeit bis zu Seniorenaktivitäten.

Auch im großstädtischen Bereich seien „große Veränderungen“ zu registrieren, so Kardinal Schönborn. Unter den Immigranten seien nicht nur Muslime, sondern viele Christen: Katholiken etwa aus Polen, Kroatien, Vietnam, Südindien, von den Philippinen, Orthodoxe vor allem aus dem Raum des ehemaligen Jugoslawien, „allein in Wien leben 200.000 serbisch-orthodoxe Christen“. Für diese christlichen Immigranten gebe es zuwenige Kirchen, zuwenige Räume für die Seelsorge. Daher sei es schon seit einigen Jahren die Linie der Erzdiözese Wien, diesen anderssprachigen Gemeinden in Wiener Pfarren Heimatrecht zu geben. So sei etwa die albanische katholische Gemeinde in der Pfarre Rudolfsheim im 15. Bezirk angesiedelt: „Wenn die albanische Gemeinde feiert, ist die Kirche gesteckt voll“. Das „church sharing“ zwischen der ansässigen Wiener Pfarre und der Sprachgemeinde funktioniere in den meisten Fällen hervorragend.

Es gebe auch Überlegungen, die eine oder andere katholische Kirche, die für die Seelsorge nicht mehr so dringend gebraucht wird, den serbisch-orthodoxen Christen zu übergeben, die in Wien „für 200.000 Gläubige nur drei Pfarrkirchen haben“. Wörtlich meinte Kardinal Schönborn in diesem Zusammenhang: „Es muss natürlich auch im Sinn des katholischen Bischofs sein, dass diese Christen, unsere Brüder und Schwestern, ein kirchliches Zuhause haben. Daher schauen wir, wie wir ihnen helfen können, damit sie Gotteshäuser haben“.

„Augen und Ohren aufmachen“
In dem „Radio Stephansdom“-Interview nahm der Wiener Erzbischof auch zu den nächsten Etappen des missionarischen Vorgangs „Apostelgeschichte 2010“ Stellung (von 11. bis 13. März findet die 2. Diözesanversammlung statt). Zu dem Gesamtvorgang „Apostelgeschichte 2010“ werde „ganz bewusst inhaltlich relativ wenig geplant“: „Wir wollen auf das schauen, was Gott uns zeigt, wenn wir aufeinander hören – auf die Erfahrungen der Gemeinden, der Gemeinschaften, der Menschen in unserer Diözese , in einer Zeit, in der viele ratlos sind. Und warum dürfen wir nicht zugeben, dass auch wir mitunter ratlos sind: Wohin geht unsere Gesellschaft, und wohin geht die Kirche? Aber wir sind sicher, Christus führt seine Kirche. Wir müssen unsere Ohren und Augen aufmachen und auf die Spuren achten, die er uns zeigt“.

Als Grundakkord des Vorgangs „Apostelgeschichte 2010“ nannte Kardinal Schönborn: „Wir haben genug Dokumente, wir brauchen das Leben“. Die Weitergabe des Evangeliums geschehe nicht primär durch Papier, sondern „durch Menschen, die einander begegnen“. Daher werde es bei der 2. Diözesanversammlung auch darum gehen, bewusst missionarische Erfahrungen anzuhören, miteinander zu besprechen und dann auch selber zu schauen, wo man direkt oder indirekt missionarisch sein kann. Auch bei der „Missionswoche“ ab dem Pfingstmontag werden alle, die mitmachen, eingeladen werden, selber Wege zu suchen, wie sie Menschen in ihrer Umgebung ansprechen können, um ihnen das Evangelium näher zu bringen. Wörtlich meinte der Wiener Erzbischof in diesem Zusammenhang: „Wir sind eine sehr dezentrale Organisation im Gegensatz zu dem, was viele glauben, dass die Kirche eine Art monolithische Zentralorganisation ist. Es gibt vermutlich wenige Organisationen, die so dezentral funktionieren“.
     
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