Parlamentarische Enquete zum Sozialstaat  

erstellt am
21 01. 10

Verteilungs- und Leistungsgerechtigkeit in Österreich
Parlamentarische Enquete vereint Politik und ExpertInnen
Wien (pk) - "Verteilungs- und Leistungsgerechtigkeit in Österreich: Transparenz und Fairness". – Das war der Titel einer ganztägigen parlamentarischen Enquete, die am 20.01. im Plenarsaal des Nationalrats abgehalten wurde. Nach den Einleitungsreferaten von Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ging es mit Impulsreferaten von Alois Guger vom WIFO und Wirtschaftswissenschafter Franz Prettenthaler weiter.

Prammer: Frauen besonders von Armut und Ungleichheit betroffen
Die Begrüßung übernahm Hausherrin Präsidentin Barbara Prammer. Die Präsidentin wies auf die wirtschaftliche Krise hin, die auch vor Österreich nicht Halt gemacht habe. Im Zuge der Krise wurde häufig die Frage nach Gerechtigkeit gestellt, Rettungsmaßnahmen für den Finanzmarkt und zur Ankurbelung der Wirtschaft standen bislang im Vordergrund. Es bestehe kein Zweifel, es waren notwendige und in Österreich auch effektive Maßnahmen zur Sicherung von Arbeitsplätzen und des Wirtschaftsstandorts. Trotzdem, so Prammer, hätten Armutsgefährdung und Arbeitsplatzunsicherheit drastisch zugenommen, andererseits sei Vermögen heute ungleicher verteilt als je zuvor. Die Politik müsse im Stande sein, derartige Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten zu verringern.

Die Verteilungsdebatte ist aus ihrer Sicht eine echte Chance, die Basis für mehr Gerechtigkeit zu legen. Auch dürfe man die Situation der Frauen nicht außer Acht lassen. Frauen seien immer noch am meisten von Armut und Einkommens- und Chancenungleichheit betroffen. 600.000 Frauen hätten ein Einkommen unter der Armutsgrenze und 240.000 Frauen seien von akuter Armut betroffen, sagte die Präsidentin. Die reichsten 10 % besäßen hingegen relativ viel.

Cap befürwortet Bankensolidaritätsabgabe
Die Banken würden nicht erkennen, dass auch sie eine volkswirtschaftliche Aufgabe haben, dass der Steuerzahler eingesprungen sei und Risken übernommen habe, erklärte S-Klubobmann Josef Cap. Die Diskussion, dass es einen Risikopolster für die Zukunft geben sollte, sei berechtigt, und die ÖsterreicherInnen seien aus seiner Sicht sehr wohl dafür, dass die Banken einen Beitrag für die Zukunft leisten. Es sei nicht gerecht und nicht fair, wenn als Reaktion auf diesen Vorschlag darüber nachgedacht wird, den Standort zu verlagern oder die Kosten auf die Kunden abzuwälzen.

Die reichsten 10 % in Österreich besäßen 54 % des Geldvermögens (420 Mrd.) und 60 % des Immobilienvermögens. 3.200 Stiftungen hätten ein Vermögen von 60 Mrd. € und seien steuerlich begünstigt. Das seien 1.300 Mrd. €! Wenn man über Krisenfinanzierung debattiere, dann müsse dieser Bereich auch einbezogen werden. Die SPÖ denke u.a. eine Bankensolidaritätsabgabe zur Krisenbewältigung plus ein Konzept für die Zukunft und eine stärkere Besteuerung der Stiftungsvermögen an, sagte Cap.

Kopf: 68 % der ÖsterreicherInnen für Transferkonto

V-Klubobmann Karlheinz Kopf stellte fest, Österreich gehöre zu den Ländern, in denen die Einkommen am gleichmäßigsten verteilt sind. Dies deshalb, weil in Österreich mehr als in den meisten anderen Ländern umverteilt wird: vom oberen Einkommensdrittel hin zum unteren Einkommensdrittel. Trotz der massiven Umverteilung gebe es Probleme in der Armutsbekämpfung. Dies führte er auf ein Problem mit der Treffsicherheit der sozialen Leistungen zurück. Das sei nicht nur die Meinung der Experten, sondern auch der Bevölkerung, denn 48 % der Bevölkerung sagen, dass in Österreich nicht die, die die sozialen Leistungen brauchen, diese bekommen. Ursachen für die Probleme seien der fehlende Überblick für den einzelnen Bürger, bürokratische Hemmnisse, falsche Anreize, starre Einkommensgrenzen und Missbrauch. Daher müsse man über die Treffsicherheit des gesamten Transfersystems diskutieren; um eine politische Debatte führen zu können, brauche man Informationen, diese könnte das von seiner Partei vorgeschlagene Transferkonto ermöglichen. 68 % der ÖsterreicherInnen befürworten die Einführung eines Transferkontos.

Kickl spricht sich für "Transparenzkonto" aus
F-Abgeordneter Herbert Kickl gab Cap recht, dass die Banken im Sinne der Gerechtigkeitsidee einen Beitrag für den Schaden leisten sollten. Wie wolle man aber erreichen, dass die Banken dann nicht wieder bei jenen zugreifen, die sich nicht wehren können, nämlich beim Endverbraucher? Mit Kopf war Kickl einer Meinung, dass es nicht passieren dürfe, dass man die notwendige Debatte dadurch abzuwürgen versucht, indem man sie als eine Neiddebatte punziere.

Überleitend zur Studie des Joanneum Research meinte Kickl, diese Studie zeige, dass es im Bereich der Umverteilung und der sozialen Transferleistungen Schieflagen gebe. Die Idee der Gerechtigkeit könne man mit dem bestehenden System nicht umsetzen, denn mit vielem, was unter dem Deckmantel des sozialen Ausgleichs und Transfers verteilt wird, werde im Grunde genommen nicht die erwünschte Wirkung erzielt. Man sollte schauen, ob man nicht das System der Gießkanne durch eine zentrale Lösung ersetzen sollte. Kickl trat für ein "Transparenzkonto", das auch andere Bereiche wie Wirtschaftsförderung, Landwirtschaft umfassen sollte, ein.

Bucher: Zuerst Transferleistungen transparent aufzeigen
Laut B-Klubobmann Josef Bucher eint alle die Ansicht, dass die gegenwärtigen Systeme reformbedürftig seien. Leistungs- und Verteilungsgerechtigkeit stünden auch im Zusammenhang mit der Steuergerechtigkeit, meinte er. Fest stehe, dass es in Österreich keine Daten und Fakten gebe, um sich ein tatsächliches Bild zu machen, wie hoch die Transferleistungen sind, auf welchen Ebenen sie an die Anspruchsberechtigten ausbezahlt werden. Man wisse, es gibt über 200 Transferleistungen von der Gemeinde über die Landes- bis hin auf die Bundesebene, es gebe aber keine Transparenz und es herrsche Orientierungslosigkeit. Daher müsse einmal Transparenz und Übersichtlichkeit geschaffen werden, um von einer gemeinsamen Basis ausgehend Entscheidungen treffen zu können. Auch die Verwaltungseffizienz müsse mit betrachtet werden. Es dürfe in Zukunft nur mehr eine eintreibende und eine auszahlende Behörde geben, forderte er, damit Missbrauch ausgeschaltet werden kann und die Anspruchsberechtigten nicht um ihre Ansprüche umfallen.

Kogler: Für Sozialleistungsansprüche One-Stop-Shop einrichten
G-Abgeordneter Werner Kogler erklärte, man müsse sich die verschiedenen Rechtsansprüche ansehen; den Menschen gehe nicht das Transferkonto ab, sondern sie wüssten nicht, was ihnen zustehe. Ob das Konto dieses Problem lösen könne, bezweifelte Kogler, der dafür eintrat, jetzt für Sozialleistungsansprüche einen One-Stop-Shop einzurichten. Auch sollte man sich mit der Steuergerechtigkeit auseinandersetzen, denn auch die Staatseinnahmenseite brauche Transparenz. Das Stiftungssystem sei geschaffen worden, um bei Privatstiftungen Intransparenz zu schaffen. Mittlerweile gebe es 3.700 Stiftungen in Österreich, die nichts anderes tun, als steuerschonend – per Gesetz angeregt – ihr Geld zu "verstecken". Dies sei die größte Intransparenz, so Kogler und weiter: 1 Mrd. € gehe mit dieser Konstruktion an Steuergeldern verloren. Sehr wohl sollte man ein Transparenzkonto machen, um zu sehen, wie die obersten 10 % aufgestellt sind. Die Vermögensverteilung in Österreich sei ungerecht.

Hundstorfer: Beitrag der Stiftungen zur sozialen Gerechtigkeit
Sozialminister Rudolf Hundstorfer stellte die Frage in den Raum, warum man heute hier sei, denn nur 4 % der Sozialleistungen hätten die individuelle Bedürftigkeit als Voraussetzung, 96 % aller Sozialleistungen seien Versicherungsleistungen, für die die Menschen eingezahlt haben, oder einkommensunabhängige Leistungen. Hinzu kämen rechtlich zustehende Geldleistungen wie die Entgeltfortzahlung. 94 % aller Sozialleistungen würden vom Bund zur Verfügung gestellt. Von Intransparenz zu reden, versteht Hundstorfer nicht, denn die Politik wisse doch, was sie beschlossen habe.

Der Minister vermisste die Ehrlichkeit zu sagen, man wolle Sozialleistungen nicht ausbauen, sondern einschränken oder versteuern. Leistungskürzungen würden jene bestrafen, die schon jetzt durch Jobverlust und Kurzarbeit die Zeche für die Krise zahlten. Die ArbeitnehmerInnen dürften nicht noch einmal für die Krise zahlen, die sie nicht verursacht haben.

Die Frage der Verteilungsgerechtigkeit werde von den Sozialdemokraten nicht ausgabenseitig gesehen. Die Verteilung der Markteinkommen sei vollkommen ungleich, das Steuersystem sei in Wahrheit ungleich und die wirkliche Umverteilung in Österreich finde rein über den Sozialtransfer statt und nicht über das Steuersystem. Arbeit und Einkommen seien sehr hoch besteuert, Vermögen praktisch gar nicht. Werde mangelnde Transparenz beklagt, dann gelte dies auch für die Vermögen, erklärte der Ressortleiter. Der Ertrag eines Sparbuchs werde mit 25 % besteuert, der Ertrag in einer Stiftung nur mit 12,5 %. – Das sei eine Frage der Gerechtigkeit. Auch Stiftungen sollten einen fairen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit leisten.

Der Sozialstaat nütze allen, sichere bei Risken wie Krankheit und Arbeitslosigkeit ab, schaffe Teilhabechancen für alle, stärke den Zusammenhalt der Gesellschaft, sei ein positiver Standortfaktor und fördere Wohlstand und Produktivität, betonte der Ressortchef. Ein funktionierender Sozialstaat sei ein Wettbewerbsvorteil. Er produziere nicht nur Transferleistungen, sondern schaffe Arbeitsplätze, Kaufkraft und Steuerleistung. Jeder Österreicher – ob Nettozahler oder Nettoempfänger – profitiere. "Sind wir froh, dass wir diesen Sozialstaat haben, auch wenn der eine oder andere ihn weniger in Anspruch nimmt", sagte Hundstorfer.

Mitterlehner plädiert für systematische Datenbasis
Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner replizierte auf seinen Ministerkollegen und verwies darauf, dass die Mehrkosten für die Verlängerung der Hacklerregelung sich nicht wie berechnet auf 1,3 Mrd. € belaufen, sondern 2 Mrd. € betragen, weil viel mehr Menschen diese in Anspruch nähmen. Auch das sei zu hinterfragen. Zu den Versicherungsleistungen meinte er, es gebe überall Zuschüsse und Zuschussnotwendigkeiten des Staats, das gelte für den Gesundheitsbereich ebenso wie für den Arbeitsmarkt- und Pensionsbereich. Wenn der Sozialstaat allen nütze, dann sei bei einer Wirtschaftskrise die Frage erlaubt, ob das System effizient und treffsicher ist, so Mitterlehner. Es gehe nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen und die Konsolidierung zu behindern, sondern es gehe um Steuerungsfragen. Als erstes brauche man eine Analyse; man brauche Transparenz, denn nur dann könne man Steuerungsfragen angehen. Man wisse zwar aus den Budgets, was alles koste, aber man kenne die Gesamtauswirkungen nicht, denn es gebe keinen Bundesländervergleich. Es könne aus seiner Sicht auch nicht negativ sein, wenn man dem einzelnen Bürger die Chance gebe, Transferleistungen in Anspruch zu nehmen. Man habe einen Entwurf entwickelt, wonach jeder sehe, welche Möglichkeiten es gebe. Das könne zwar für das System teurer werden, aber es sei auf jeden Fall gerechter. Man könne Doppelförderungen vermeiden, unter Umständen auch Missbrauch abstellen. Vom bewährten Steuersystem sollte man nicht abgehen.

Guger: Der Sozialstaat gleicht Einkommensunterschiede aus
Alois Guger (WIFO) stellte in seinem Impulsreferat die vom Nationalrat in Auftrag gegebene Umverteilungsstudie seines Instituts vor, die sich mit der Verteilung der Markteinkommen in den letzten Jahrzehnten und der Umverteilung durch die öffentlichen Budgets der Gebietskörperschaften und Sozialversicherungsträger befasst. Vorweg wies Guger auf das Problem starker Intransparenz bei Selbstständigen- und Vermögenseinkommen hin. Transparenz herrsche nur bei Lohn- und Transfereinkommen.

Bei der Verteilung der Markteinkommen registrierte der Experte ein Absinken der Lohnquote während der letzten Jahrzehnte, obwohl der Anteil der Unselbstständigen an den Erwerbstätigen zunahm. Zugenommen habe auch die Ungleichheit zwischen den Lohneinkommen. Während Spitzeneinkommen zuletzt deutlich stiegen, hätten die unteren 90 % der Einkommensbezieher Anteile am Gesamteinkommen verloren. Als Grund nannte Guger die Zunahme von Teilzeit- und atypischen Beschäftigungen. Die Einkommensrelation eines Top-Managers sei 2003 zum Durchschnittseinkommen bei 20:1, 2007 aber bereits bei 48:1 gelegen. Die zunehmende Ungleichheit der Markteinkommen sei auf der Ebene der einzelnen Personen stärker ausgeprägt als auf der Ebene der Haushalte, merkte Guger an.

Eine Momentaufnahme der Umverteilungswirkung staatlicher Maßnahmen zeige, dass eine Hälfte der Haushalte mit niedrigeren Einkommen Nettoempfänger, die andere Hälfte mit höheren Einkommen Nettozahler seien. Im Laufe ihres Lebens zählten die Menschen aber abwechselnd zur einen und zur anderen Gruppe: Als Kinder, in der Ausbildung oder als Arbeitslose empfange man in der Regel Sozialleistungen, im Haupterwerbsalter leiste man Beiträge zum System, um im Alter meist wieder zum Empfänger von Sozialleistungen zu werden.

Alois Guger legte Berechnungen vor, die zeigen, dass das untere Drittel der Einkommensbezieher seinen Anteil am Gesamteinkommen durch die staatliche Umverteilung von 14 % auf 23 % verbessert, das mittlere Drittel nur geringfügig von 29 % auf 30 %, während das obere Drittel von 57 % auf 47 % verliert. Die staatliche Umverteilung trägt zu einer gleicheren Wohlfahrtsverteilung in der Gesellschaft bei, stellte Guger fest.

Auf der Seite der Staatseinnahmen werde in Österreich hingegen kaum umverteilt. Die Steuer- und Abgabenbelastung sei laut Guger für alle Einkommensgruppen relativ gleich, weil die progressive, nach unten umverteilende, Wirkung der Einkommenssteuer durch die regressive Wirkung der indirekten Steuern und der Sozialversicherungsbeiträge weitgehend ausgeglichen werde. Würde man die Selbständigen- und Vermögenseinkommen in die Betrachtung einbeziehen, wäre die Verteilungswirkung des Abgabensystems sogar regressiv, stellte der Experte fest.

Die Umverteilung von hohen zu niedrigen Einkommen erfolge in Österreich also über die Staatsausgaben, resümierte Alois Guger und unterstrich dabei die klassischen Sozialausgaben wie Sozial- und Notstandshilfe, Hinterbliebenenpensionen, Arbeitslosengelder und Wohnbeihilfe. Dazu kämen - unter Berücksichtigung der Haushaltsgröße - Familien-, Bildungs- und Gesundheitsausgaben.

Abschließend empfahl Alois Guger, bei einer ausgabenseitigen Budgetkonsolidierung auf die damit verbundenen Verteilungswirkungen zu achten und zu berücksichtigen, dass bei der Finanzierung des Staats die Leistungsfähigkeit der Bürger unberücksichtigt bleibe: "Alle Einkommensschichten sind fast gleich belastet". Der Faktor Arbeit trage trotz sinkender Lohnquote eine immer größere Abgabenlast, während Vermögenseinkommen trotz starken Wachstums sehr gering besteuert seien. Wegen der Dominanz des Versicherungsprinzips - 80 % der Sozialausgaben sind Versicherungsleistungen - sei das System sehr leistungsfreundlich, sagte Guger und stellte fest, dass das System Probleme mit dem Solidaritätsprinzip habe, daher sei die Mindestsicherung wichtig.

Als Zukunftsaufgaben nannte Guger den Umbau des Sozialstaats vom Transfer- zum Dienstleistungsstaat, eine gerechtere Verteilung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt zwischen den Geschlechtern und die Einrichtung von Bildungseinrichtungen zur altersgerechten Integration von Kindern aus bildungsfernen Schichten.

Franz Prettenthalers Plädoyer für ein Transferkonto
Franz Prettenthaler (Joanneum Research) befasste sich als Finanzwissenschaftler mit drei Fragen, ob Armut durch vertikale Umverteilung ausreichend bekämpft werde (1), ob die individuellen Leistungsanreize ausreichten, um jenen Wohlstand zu produzieren, der umverteilt werden könne (2), und ob einzelne Gruppen in der Gesellschaft ungerecht behandelt würden (3). Außer Streit stellte Prettenthaler vorweg, dass Umverteilung notwendig und sinnvoll sei. Es sei gut, so der Forscher, einem hohen Beamten tausend Euro wegzunehmen und es seiner Enkelin zu geben, die das Geld dringend brauche, weil sie sich in der Familiengründungsphase befinde.

Als grundsätzliche Probleme bei der Umverteilung ortete der Forscher aber das unkoordinierte Nebeneinander von Transfers des Bundes, der Länder und der Gemeinden, was zur Kumulation von Transfers ohne gegenseitige Anrechnung und Abstimmung führe. Außerdem problematisierte Prettenthaler eine unterschiedlich hohe Besteuerung gleicher ökonomischer Einkommen. Konkret erläuterte Prettenthaler so genannte "Schwellenphänome": Infolge von Einkommensgrenzen bei Sozialtransfers könne das verfügbare Einkommen trotz steigender Leistung und steigenden Bruttolohns gleichbleiben oder sogar sinken. Daraus resultierten "Armuts- und Anreizfallen", warnte Prettenthaler. Seine Beispiele zeigten Menschen, die auf eine - mögliche - Bruttolohnerhöhung, etwa durch einen Wechsel von Teilzeit auf Vollzeitarbeit, verzichteten, weil sie dadurch keine Erhöhung ihres Nettoeinkommens erreichen könnten. In diesem Zusammenhang nannte Prettenthaler auch einkommensabhängige Tarife in Kindergärten und besprach aktuelle Änderungen auf diesem Gebiet positiv.

Fälle, in denen höhere Arbeitsleistungen zu weniger verfügbarem Einkommen führten, gaben dem Experten Anlass, von "vertikaler Ungerechtigkeit" zu sprechen. Prettenthaler präsentierte Berechnungen, aus denen hervorging, dass etwa eine Alleinerzieherin mit einem Kind eine Einkommensminderung hinnehmen müsse, wenn sie von Teilzeit auf Vollerwerb wechsle, ähnliche Wirkungen wies Prettenthaler für Paare mit Kindern nach, die ihr Nettoeinkommen auch durch höhere Bruttoeinkommen nicht steigern könnten. An diesem Befund ändere sich auch durch Berücksichtigung von Sonderzahlungen nichts, klagte Prettenthaler und machte darauf aufmerksam, dass Armutsfallen und Schwellenphänomene bei Personen mit niedrigen Einkommen besonders stark ausgeprägt seien.

Als "horizontale Ungerechtigkeit" qualifizierte Prettenthaler wiederum die eklatant unterschiedlichen Pro-Kopf-Einkommen in Haushalten mit und solchen ohne Kinder und legte auch dazu detaillierte Daten vor.

Als Resümee seiner Darstellungen plädierte Franz Prettenthaler für die Errichtung eines Transferkontos für jede BürgerIn, auf dem alle Einkünfte aufscheinen. Dies würde die Situation in allen drei Problemlagen verbessern, weil ein mikrodatenbasierter Ansatz es erlauben würde, die Armutsbekämpfung zu optimieren und bei Reformen die Auswirkungen auf Leistungsanreize besser zu überprüfen und Verschlechterungen für Einzelgruppen deutlicher zu erkennen.
   

Im Anschluss an die Impulsreferate stand das Thema Transparenz und Fairness bei öffentlichen Einnahmen auf der Agenda der Enquete. Vom Podium aus referierten Wirtschaftsprüfer und Steuerexperte Karl Bruckner (BDO Auxilia), der Generalsekretär der Industriellenvereinigung Markus Beyrer, Wirtschaftsforscher Markus Marterbauer (Wifo), die beiden Arbeiterkammer-ExpertInnen Christa Schlager und Bruno Rossmann sowie Familienexperte Helmuth Schattovits. Die sehr konträren Schlussfolgerungen aus präsentierten Fakten und die differenzierte Vorstellung von den Begriffen Leistungsträger und Fairness zeigten dabei deutlich, aus welch unterschiedlichem Blickwinkel man sich dem Thema Verteilungs- und Leistungsgerechtigkeit nähern kann, und lassen die Schwierigkeit konsensualer politischer Antworten auf offene Fragen erahnen.

Bruckner: Allgemeine Vermögensteuer nicht sinnvoll

Karl Bruckner (BDO Auxilia) wandte sich in seinen Ausführungen strikt gegen die Einführung einer allgemeinen Vermögensteuer. Er wies darauf hin, dass der internationale Trend genau in die gegenteilige Richtung gehe, und gab zu bedenken, dass die Besteuerung von Vermögen zu einem bedeutenden Standortnachteil führen könnte. Zudem sei eine Vermögensteuer, etwa aufgrund der Bewertung von Grund- und Immobilienbesitz, extrem aufwendig einzuheben, skizzierte er, um substanzielle Einnahmen zu erzielen, müsste man überdies den Mittelstand einbeziehen. Dass Österreich im internationalen Vergleich eine relativ geringe Besteuerung von Vermögen aufweist, führte Bruckner nicht zuletzt darauf zurück, dass es beispielsweise in Großbritannien und den USA hohe kommunale Abgaben auf Grundstücke gebe.

Wenn man schon Vermögen besteuern wolle, so wäre es nach Meinung Bruckners sinnvoller, den Ertrag von Vermögen zu besteuern. Ungerechtigkeiten im Steuersystem könnten ihm zufolge außerdem dadurch beseitigt werden, dass man die Sozialversicherung in den Lohn- und Einkommensteuertarif integriere. Österreich habe zwar einen progressiven Einkommensteuertarif, skizzierte er, die tatsächliche Belastung ändere sich aber durch begünstigte Sonderzahlungen und die Sozialversicherungsbeiträge. Die Einführung eines Transferkontos könnte laut Bruckner dazu benutzt werden, die derzeitige Abgabeneinhebung, für ihn "ein unglaublicher Bürokratismus", zu konzentrieren.

Beyrer: Österreich ist ein "extrem umverteiltes Hochsteuerland"

Markus Beyrer (Industriellenvereinigung) warf in die Diskussion über Verteilungs- und Leistungsgerechtigkeit ein, dass Österreich bereits jetzt ein Hochsteuerland sei und unter den OECD-Ländern den höchsten Umverteilungsgrad aufweise. Drei Viertel aller Steuern werden ihm zufolge in Österreich als Transfers umverteilt. Man müsse sich generell fragen, ob es fair sei, dass die Mehrheit zusätzliche staatliche Ausgaben wünsche, die dann von einer Minderheit bezahlt werden müssten, meinte er. Schließlich seien Studien zufolge nur 25 % der Österreicher Nettotransferzahler und damit Leistungsträger, die, so Beyrer, 75 % Nettotransferempfänger "schultern" müssten.

Beyrer untermauerte seine Ausführungen mit einer Fülle von Zahlen. So steuert ihm zufolge das unterste Einkommensdrittel nur 13 % zum gesamten Steuer- und Abgabeneinkommen bei, bezieht jedoch 43 % der gesamten Sozialtransfers. Auf das oberste Einkommensdrittel fällt hingegen 49 % der Abgabenlast, während es nur 25 % der Transferleistungen erhält.

Die Dynamik dieser Entwicklung habe zudem in den letzten Jahren stark zugenommen, sagte Beyrer. Demnach haben die ärmsten 10 % der Haushalte vor gut 20 Jahren noch mehr Markteinkommen erzielt als sie an Transfers erhielten. Mittlerweile sind die Transferleistungen zweieinhalbmal so hoch wie das von dieser Gruppe erwirtschaftete Einkommen. Das unterste Drittel der Haushalte erhält laut Beyrer nach Umverteilung 149 % des ursprünglich erwirtschafteten Markteinkommens, das mittlere Drittel 95 % und das oberste Drittel 74 %. Von einer aufgehenden Einkommensschere zu sprechen, sei daher, bezieht man die Transferleistungen mit ein, nicht angebracht, bekräftigte er.

Generell mahnte Beyrer, dass der allgemeine Wohlstand in Österreich nur gehalten werden könne, wenn die Rahmenbedingungen für erfolgreiches unternehmerisches Handeln entsprechend gestaltet seien. Leistung müsse sich lohnen und dürfe nicht bestraft werden. Es gibt ihm zufolge auch keinen Hinweis darauf, dass die Zufriedenheit der Begünstigten bei zunehmender Umverteilung steigt, das Gegenteil sei der Fall. Beyrer hielt auch fest, dass gerade in Ländern mit relativ moderater Vermögensbesteuerung der Wohlstand relativ gleich verteilt sei.

Marterbauer: Es gibt keine starke Umverteilung von oben nach unten
Ganz andere Fakten als Beyrer präsentierte Markus Marterbauer (Wifo). Er hielt, mit Verweis auf eine vom Wifo erstellte Verteilungsstudie, fest, dass der in der Öffentlichkeit bestehende Eindruck, wonach es eine starke Umverteilung von oben nach unten durch Steuern gebe, empirisch keine Bestätigung erhalte. Dem progressiven Steuertarifsystem stünden extrem regressive Effekte bei den Verbrauchssteuern und eine leicht regressive Wirkung bei den Sozialversicherungsbeiträgen gegenüber. Insgesamt gebe es, so Marterbauer, keine umverteilende Wirkung des Abgabensystems, alle Haushalte zahlten, gemessen an ihrem Einkommen, gleich viele Sozialversicherungsbeiträge und Steuern.

Was sich unterscheidet, ist laut Marterbauer die Struktur der Abgaben zwischen den Haushalten. Vor allem untere Einkommen seien durch die Sozialversicherungsbeiträge stark belastet. Er sprach sich daher in Anlehnung an Bruckner langfristig für einen integrierten Steuertarif aus, der auch die Sozialversicherung beinhalte.

Marterbauer urgierte aber auch allgemein mehr Fairness im Abgabensystem. So gab er zu bedenken, dass Leistungseinkommen aus unselbstständiger und selbstständiger Tätigkeit deutlich stärker besteuert werden als leistungsloses Einkommen aus Vermögensbesitz. Für ihn ist das unter dem Gesichtspunkt des Leistungsanreizes problematisch zu sehen. Marterbauer verwies in diesem Zusammenhang auch auf eine Studie der Österreichischen Nationalbank, der zufolge das oberste Promille der ÖsterreicherInnen mit 8 % gleich viel Geldvermögen besitzt wie die untere Hälfte der Bevölkerung. Noch ungleicher verteilt ist demnach das Immobilienvermögen.

Schlager: Wenig Einkommen bedeutet nicht wenig Leistung
Christa Schlager (AK) hinterfragte den oftmals verwendeten Begriff Leistungsträger und meinte, für sie seien alle arbeitenden Menschen darunter zu subsumieren, unabhängig von ihrem Einkommen. In vielen Branchen gebe es eine schlechte Bezahlung, ohne dass man den betreffenden ArbeitnehmerInnen vorwerfen könne, sie würden zu wenig für die Gesellschaft leisten, bekräftigte sie. Überdies verwies Schlager darauf, dass vor allem Frauen viel unbezahlte Arbeit leisteten. Sie sieht es als Aufgabe des Sozialstaats, hier ausgleichend zu wirken, gerade auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Ungleichheit beim Markteinkommen in Österreich in den letzten Jahren stark gestiegen sei.

In Richtung Beyrer räumte Schlager ein, dass die Steuerleistung aus Gewinn und Besitz in den letzten Jahren stark gestiegen sei, machte aber gleichzeitig geltend, dass die Zunahme dieser Steuerleistung geringer sei als der Anstieg von Besitz und Gewinn. Überdies hätten die Lohnsteuereinnahmen viel stärker zugenommen. Das Vermögen in Österreich sei sehr ungleich verteilt, warnte Schlager, dabei sei nachgewiesen, dass Vermögensungleichgewichte Finanzblasen verursachen könnten. In diesem Sinn sprach sie sich dafür aus, bei der aktuellen Krisenbewältigung auf der Einnahmenseite anzusetzen und unter anderem den schädlichen Steuerwettbewerb zu beenden, Steuerlücken zu schließen und Vermögen angemessen zu besteuern.

Schattovits: Generationenaspekt bei Debatte berücksichtigen
Helmuth Schattovits forderte in seiner Wortmeldung, den Generationenaspekt in der Debatte um Verteilungs- und Leistungsgerechtigkeit zu berücksichtigen. Er machte geltend, dass es vor allem in Familien viel unentgeltliche Arbeit gebe, ohne die die österreichische Gesellschaft nicht bestehen könne und die bei der Berechnung von Leistungen zu wenig berücksichtigt werde. Seiner Darstellung nach zeigt etwa eine Studie, dass Familien mit drei und mehr Kindern kinderlose und Ein-Kind-Familien mit 3 Mrd. € finanzieren.

Dem Staat misst Schattovits eine ausgleichende Funktion zwischen den drei Generationen, der Erwerbsgeneration, der Noch-nicht-Erwerbsgeneration und der Nicht-mehr-Erwerbsgeneration, zu. Wenn man die Familienbeihilfen auf einem Transferkonto sichtbar mache, müsse man auch die Pensionszahlungen anführen, die von der Qualität her nichts anderes als Transferzahlungen seien, forderte er. Eine komplette Intransparenz ortet Schattovits bei den Finanzierungsbeiträgen des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF). Zudem ist es für ihn nicht generationsgerecht, dass Unterhaltszahlungen für Kinder versteuert werden müssten.

Rossmann: Eklatantes Missverhältnis zwischen einzelnen Steuern

Bruno Rossmann (AUGE) betonte, in Österreich gebe es ein eklatantes Missverhältnis zwischen der Besteuerung von Arbeit und Kapital, mit steigender negativer Tendenz. Konkret kritisierte er u.a. die steuerliche Begünstigung von Stiftungen, die Nichtbesteuerung von Erbschaften und Schenkungen und die Privilegierung der Wertzuwächse bei Aktien und Immobilien. Außerdem sieht er ein "Missmatch" zwischen jenen, die den Familienlastenausgleichsfonds mit Beiträgen speisen, und jenen, die Beiträge daraus erhalten. Vor allem Bauern und Gewerbetreibende seien hier bevorzugt.

Dass die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer den Mittelstand treffen würde, wertete Rossmann als "Mythos". Er wies auf die sehr hohe Konzentration von Vermögen in Österreich hin und skizzierte etwa, dass 10 % der ÖsterreicherInnen 53 % des Bruttogeldvermögens, 61 % der Immobilien und 92 % der Unternehmensbeteiligungen besitzen. Im Übrigen gebe es, so Rossmann, mit Italien und Portugal nur zwei Länder in Europa, die weder eine Erbschafts- und Schenkungssteuer noch eine Vermögenssteuer hätten.

Zur Beseitigung von Steuerungerechtigkeiten forderte Rossmann auch eine umfassende Steuerstrukturreform. Er will das Leistungsfähigkeitsprinzip stärken, die Progressivität im gesamten Abgabensystem erhöhen, Vermögen mit Fokus auf die obersten 10 % stärker besteuern, Anpassungen bei der Grundsteuer vornehmen und die Stiftungssteuer "auf die europäische Normalität zurückführen". Nur mit einer ausgabenseitigen Budgetkonsolidierung ist seiner Meinung nach gewährleistet, dass untere Einkommensschichten nicht doppelt für die gegenwärtige Finanzkrise zahlen.

Das Podium 2 befasste sich sodann mit dem Thema "Transparenz und Fairness bei öffentlichen Leistungen".

Mazal fordert mehr Transparenz hinsichtlich der Sozialleistungen
Wolfgang Mazal (Universität Wien) betonte einleitend, dass der Sozialstaat für ihn ein "heiliges Instrument" darstelle, das erhalten werden müsse. Eine Verteilungsdebatte halte er für sehr wichtig, da klar gelegt werden müsse, wer, aus welchen Gründen, was vom Sozialstaat bekommt bzw. sich an der Finanzierung des Sozialstaats beteiligt. So sei es etwa ein Manko, dass man nicht genau sagen könne, welche Beträge Bund, Länder und Gemeinden tatsächlich für Kinderbetreuung ausgeben, bemängelte der Experte für Sozialrecht. Es fehle zum Beispiel auch ein Überblick darüber, was Selbständige und Unselbständige vom Sozialstaat bekommen bzw. was sie dazu beitragen. Durch diese lückenhafte Datenlage würden natürlich unseriöse Diskussionen über den Sozialstaat sowie Neiddebatten begünstigt, urteilte Mazal. Bei der Ausweitung der Transparenz müsse jedoch auch auf die gebotenen "Privacy-Rechte" geachtet werden. Ihm gehe es vor allem darum, den BürgerInnen Transparenz über ihren Status zu verschaffen sowie ausgewählten Behörden Informationen zur Verfügung zu stellen. Strikt abzulehnen sei natürlich eine öffentliche Bloßstellung von Gebern und Nehmern. Im so genannten Transferkonto, das als Instrument grundsätzlich zu befürworten sei, sah Mazal daher sowohl Chancen als auch Gefahren, die im vorhinein gründlich abgewogen werden müssen.

Wöss: Diskussion über Transferkonto lenkt von realen Problemen ab
Josef Wöss (Arbeiterkammer) ortete erhebliche Defizite im Hinblick auf Verteilungsgerechtigkeit, Leistungsgerechtigkeit, Fairness und Transparenz. Als Beispiel dafür führte er etwa an, dass es in Österreich allein 230.000 erwerbstätige Personen gibt, deren Einkommen unter der Armutsgrenze liegen. Auf der anderen Seite seien auf der Vermögensseite aber oft riesige Zuwächse feststellbar. Wöss wies weiters darauf hin, dass 50 % der vollzeitbeschäftigten ArbeiterInnen ein Nettoeinkommen beziehen, das unterhalb von 1.200 Euro im Monat liegt, während manche Manager Gehälter und Provisionen in Millionenhöhe erhalten. Was die Diskussion um das Transferkonto angeht, so lenke sie nach Ansicht des AK-Experten von den realen Problemen eher ab. Sie ziele im Wahrheit wohl eher darauf ab, die Krisenfinanzierung über die Sozialbudgets laufen zu lassen. Zur Bewältigung der Krisenfolgen und der ganz großen Herausforderungen der Zukunft brauche man aber einen starken und dynamischen Sozialstaat, unterstrich Wöss, wobei man sich bei der Weiterentwicklung an den best-practice-Modellen in den nördlichen Ländern orientieren sollte. Es sei kein Zufall, dass gerade jene Staaten, die hohe Sozialquoten haben, auch ökonomisch – und zwar nachhaltig - sehr erfolgreich sind.

Lehner: Transferkonto würde zu mehr Transparenz beitragen
Nach Auffassung des Wirtschaftsforschers Gerhard Lehner könnte das Transferkonto dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und vor allem objektive Entscheidungsgrundlagen für die PolitikerInnen zu liefern. Er könne die Kritik daran nicht ganz nachvollziehen, da er es als reines statistisches Hilfsmittel ansehe. Es sei ein sehr guter Ansatz, wenn das Transferkonto - wie derzeit geplant - in einem ersten Schritt "nur" auf die Sozialtransfers und die auf die direkten zurechenbaren Steuern und Sozialversicherungsbeiträge beschränkt wird.

Pirklbauer fordert mehr Investitionen in Zukunftsbereiche
Die Gesellschaft der Zukunft müsse es schaffen, das Potential der Menschen auch tatsächlich zu nutzen, konstatierte einleitend Sybille Pirklbauer von der Arbeiterkammer. Als positives Beispiel könnte man sich die nordischen Staaten nehmen, weil dort hohe Beschäftigungsquoten, ein sehr hohes Wohlstandsniveau und ein geringer Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern mit einem guten sozialen Zusammenhalt einhergehen. Um dies zu erreichen müssten jedoch auch viel mehr Mittel in die Zukunftsbereiche investiert werden, also etwa in Bildung, in den Pflegesektor und in eine flächendeckende, qualitativ hochwertige und ganztägige Kinderbetreuung, was einerseits die Berufstätigkeit der Eltern erleichtert und andererseits die Chancengleichheit der Kinder erhöht. Wenn man die 3 Mrd. €, die nun in den Bankensektor geflossen sind, stattdessen in solche Zukunftsbereiche investiert hätte, wären zehntausende Arbeitsplätze geschaffen worden, war Pirklbauer überzeugt. Bezüglich des Transferkontos zeigte sie sich sehr skeptisch, weil es dem einzelnen recht wenig nutze. Außerdem lenke die Diskussion darüber von den eigentlichen Zukunftsfragen des Sozialstaats ab.

Borchert kritisiert die ungerechte Behandlung der Familien
Jürgen Borchert (Darmstadt) unterstrich die Bedeutung des Transparenzprinzips im Hinblick auf den Sozialstaat, da es darum gehe, wirtschaftliche Freiheit und soziale Verantwortung miteinander zu verbinden. Wenn ein System aber so intransparent geworden ist, dass die ethische Grundentscheidung darüber, wer nun genau Unterstützung braucht, nicht mehr möglich ist, dann führe dies zu einem Zerfall der Gesellschaften. Was die Situation in Österreich angeht, so gebe es ihm zu denken, wenn 43 % der BürgerInnen auf öffentliche Transferleistungen angewiesen sind. Dies sei seiner Meinung nach kein Beleg für einen besonders gut ausgestatteten Sozialstaat, sondern vielmehr dafür, dass auf der Einnahmenseite ziemlich viel im Argen liegt, resümierte der deutsche Sozialrichter. Dies bedeute, dass sich der Staat in einer Weise Gelder besorgt, die möglicherweise zu jenen Problemen führt, die er dann hinterher mit einem großen Aufwand auf der Leistungsseite zu kurieren versuche. Borchert wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in Österreich der Anteil von Sozialbeiträgen und indirekten Steuern an den öffentlichen Einnahmen insgesamt bei etwa 66 % bis 67 % liegt. Er gab auch zu bedenken, dass vor allem Familien in einem System strukturell benachteiligt sind, in dem die Menschen zu 80 % auf Lohneinkommen angewiesen sind. Problematisch sei aus seiner Sicht auch, dass in Österreich – ebenso wie in Deutschland – die Altersversorgung im wesentlichen sozialisiert und die Kindererziehung privatisiert ist. Das Transferkonto stelle keine Lösung für all diese zentralen Fragen dar, urteilte Borchert, sondern es zäume nur das Pferd von hinten auf.

Danhel schlägt Gesetz für Generationengerechtigkeit vor
Im Mittelpunkt der Ausführungen von Günter Danhel (Institut für Ehe und Familie, Wien) stand vor allem das Thema Generationengerechtigkeit. Seiner Meinung nach sollten nicht so sehr Einzelmaßnahmen diskutiert, sondern eine völlige Neukonzeption der gesamten Familien-, Sozial- und Steuerpolitik überlegt werden. Dabei müsste eine Kinder- und Familienorientierung als "neues gesellschaftliches Betriebssystem" unter der Devise "generation mainstreaming" im Vordergrund stehen. Dadurch könnte ein horizontaler Ausgleich zwischen jenen Menschen, die Kinder haben und jenen, die keine haben, gewährleistet werden. Danhel würde sich zudem adäquate politische Rahmenbedingungen für jene Eltern wünschen, die eine höhere Kinderzahl anstreben. Er schlug auch die Erstellung von so genannten Generationenbilanzen vor, die eine gute Basis für die Beurteilung der Nachhaltigkeit und der Verteilungswirkung von politischen Maßnahmen darstellen würden.

Schenk plädiert für integrativen Ansatz in der Armutsbekämpfung
Martin Schenk (Armutskonferenz) befasste sich in seinem Vortrag vor allem mit den Auswirkungen der sozialen Krise sowie mit dem Thema Treffsicherheit von Sozialeistungen. In seiner täglichen Arbeit mit Betroffenen konnte er feststellen, dass mittlerweile eine sehr breite Palette von Menschen unter Armut leide. Es kämen sowohl der Dauerpraktikant mit Uni-Abschluss als auch der Schulabbrecher in die Beratungszentren, ebenso wie die Alleinerzieherin mit drei Kindern, die früher als Dolmetscherin die Welt bereiste oder der Langzeitarbeitslose, der früher einmal eine Firma geleitet hat. Er fürchte, dass sich die Lage in den nächsten beiden Jahren noch verschlimmern werde, weil die Wirtschaftskrise dann erst voll schlagend werde. Während aber der Banken- und Finanzsektor mit Milliarden an Steuergeldern stabilisiert wird, müsse man im Sozialbereich um jede Million kämpfen, stellte Schenk mit Bedauern fest. Was die Frage der Treffsicherheit angeht, so hätten Studien ergeben, dass Länder, die ihre Sozialleistungen hauptsächlich auf die Ärmeren konzentrieren, zu den Staaten mit der höchsten Armut gehören. Eine Gefahr bestehe unter anderem darin, dass es dann nur mehr "Poor Services" für "Poor People" gibt und dass nicht mehr von Anspruchsberechtigung, sondern nur mehr von Bedürftigkeit die Rede ist. Abschließend plädierte Schenk für einen integrativen Ansatz in der Armutsbekämpfung, da etwa hohe Familienleistungen allein noch nicht garantieren, dass ein Land eine möglichst geringe Quote bei der Kinderarmut aufweist.

Die Diskussion
In der anschließenden Diskussion forderten die Abgeordneten Kurt Gaßner, Christoph Matznetter (beide S) und Karl Öllinger (G) Aufklärung über die Frage, was denn nun beim Transferkonto dargestellt werden solle. Abgeordnete Heidrun Silhavy (S) äußerte die Befürchtung, das Transferkonto könne zu Kürzungen von Sozialleistungen führen, während Herbert Vonach (Experte des F-Klubs) die Meinung vertrat, das Transferkonto sei bloß ein Vorwand, um notwendige Reformen auf die lange Bank zu schieben. Abgeordnete Birgit Schatz (G) bemerkte schließlich, eine entsprechende Koordinierung der Gebietskörperschaften wäre hinsichtlich Transparenz effizienter als ein Transferkonto.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) sah angesichts des Umstands, dass Österreich bei der Steuerquote und der Umverteilungsquote im europäischen Spitzenfeld liegt und trotzdem eine hohe Verteilungsungleichheit aufweist, die Frage der sozialen Treffsicherheit von Sozialleistungen angesprochen. Die Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager und August Wöginger sowie Bundesrat Michael Hammer (alle V) erwarteten sich vom Transferkonto mehr Transparenz sowie einen besseren Überblick der Sozial- und Familienleistungen der einzelnen Gebietskörperschaften. Abgeordnete Ridi Maria Steibl (V) schlug die Schaffung von Mechanismen vor, die eine Anerkennung der Familienarbeit ermöglichen. Ihr Fraktionskollege Konrad Steindl wiederum stellte die Frage in den Raum, ob ein stärker ausgeprägter Sozialstaat Leistungsanreize geben könne.

Die Idee des Familiensplittings als Ausdruck größerer Steuergerechtigkeit für Familien propagierten Abgeordneter Christian Höbart und Bundesrat Elmar Podgorschek (beide F) in ihren Debattenbeiträgen, während Abgeordneter Andreas Karlsböck (F) auf die hohe Belastung von Familien durch indirekte Steuern hinwies.

Anliegen der Abgeordneten Ursula Haubner und Robert Lugar (beide B) war es, durch das Sozialsystem höhere Generationengerechtigkeit sicher zu stellen.

Josef Wöss bemerkte kritisch, die Debatte über das Transferkonto diene bloß der Ablenkung, die Sozialleistungen seien schon jetzt sehr gut dokumentiert. Nicht der Sozialstaat, sondern die überproportional hohe Besteuerung des Faktors Arbeit würde Leistungsanreizen entgegenstehen.

Gerhard Lehner betonte, das Transferkonto solle sich in erster Linie auf monetär zurechenbare Sozialleistungen beziehen, eine diesbezügliche Zusammenfassung wäre nützlich, um einen Überblick über die Salden der aggregierten Konten zu erhalten.

Sybille Pirklbauer äußerte sich ebenso wie Christa Schlager skeptisch zum Vorschlag eines Familiensplittings, wobei sie meinte, dieses Modell würde einen schlechten Anreiz für die Erwerbstätigkeit setzen, zumal der nicht erwerbstätige Partner – meist die Frau – im Falle einer Erwerbstätigkeit dann wesentlich höher besteuert würde als zuvor. Schlager gab einer individuellen Besteuerung sowie Sachtransfers den Vorrang gegenüber dem Familiensplitting.

Jürgen Borchert stellte zur Familienbesteuerung fest, man müsse sich endlich mit dem Gedanken anfreunden, dass Investitionen in Kinder die wichtigsten Investitionen überhaupt sind. Unterhaltszahlungen für die Kinder sollten demnach von der Steuerbemessungsgrundlage der Eltern abgezogen werden. Ein Transferkonto wiederum schafft nach Meinung Borcherts keine Transparenz, da es, wie er zu bedenken gab, die Revenue-Seite nicht berücksichtigt.

Günter Danhel forderte mehr Generationengerechtigkeit und bemerkte, es wäre hoch an der Zeit, für Familien eine analoge Interessensvertretung wie für die Senioren einzusetzen.

Martin Schenk sprach von Schwachstellen des österreichischen Sozialstaatmodells im Zusammenhang mit dem Armutsrisiko und nannte die starke Konzentration auf das Normalarbeitsverhältnis und das Prinzip des männlichen Ernährerhaushalts, die schlechten Aufstiegschancen von Kindern aus einkommensschwachen Familien sowie die geringe Zahl von existenzsichernden Leistungen.

Karl Bruckner mahnte, an erster Stelle bei der Budgetsanierung müssten die Verwaltungsreform und die Bundesstaatsreform stehen. Einsparungen erwartete er sich unter anderem von einer einheitlichen Einhebung sämtlicher Abgaben durch eine zentrale Behörde. Vorstellbar war für Bruckner überdies auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Markus Marterbauer plädierte für die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer und für eine Wertzuwachssteuer und warnte im Übrigen davor, die Debatte über die Verteilung zu sehr auf Lohn- und Einkommensteuer zu konzentrieren und dabei volumensmäßig größere Abgaben wie die Verbrauchsteuern und die Sozialversicherungsbeiträge außer Acht zu lassen.

Helmuth Schattovits sprach sich dafür aus, bei Studien über die Transparenz von Transferleistungen auch den Aspekt zu berücksichtigen, dass Frauen, die Mütter sind, im Erwerbsbereich stärker benachteiligt werden als Frauen, die nie Mütter waren.

Bruno Rossmann merkte kritisch an, beim Transferkonto gehe es in erster Linie um vorbereitende Maßnahmen zur Kürzung von Sozialleistungen bei der kommenden Budgetkonsolidierung. Bevor man dieses Thema angeht, müsste man sich über Ziele und Nutzen klar werden, meinte er. Auch sei eine Entscheidung darüber zu treffen, welche Leistungen und welche Verzichte von Steuern man auf dem Konto erfasst.

Franz Prettenthaler trat dafür ein, zunächst die monetären Transfers in das Transferkonto aufzunehmen, gab aber zu bedenken, dass für die Frage der sozialen Gerechtigkeit die ermäßigten Sachleistungen ebenfalls von entscheidender Bedeutung seien.

Alois Guger stellte zur Umverteilung klar, diese sei im internationalen Vergleich nicht hoch, erscheine aber hoch, weil dabei in Österreich auch reale Transfers berücksichtigt werden, während die OECD bei ihrer Berechnung nur Geldtransfers einbezieht.
   

In einer weiteren Diskussionsrunde kamen die Sozialpartner zu Wort, wobei die unterschiedlichen Auffassungen von ÖGB und Arbeiterkammer einerseits und Wirtschaftskammer andererseits abermals deutlich wurden. Der Vertreter der Landwirtschaftskammer hielt es für ungerecht, wenn hohe Transparenzvorschriften nur für den Agrarsektor gelten sollen.

Foglar (ÖGB): Den Faktor Arbeit entlasten und Vermögen belasten
Zunächst kam der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbunds, Erich Foglar, zu Wort. Ihm zufolge darf man das Thema der Verteilungs- und Leistungsgerechtigkeit nicht losgelöst von der steigenden Arbeitslosigkeit diskutieren. Foglar befürwortete zwar die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bewältigung der Finanzkrise, hielt es aber für falsch, wenn die betreffenden Unternehmen, insbesondere Banken, zwar die Gewinne einstecken, die Verluste der Katastrophe aber auf die SteuerzahlerInnen umwälzen. Das sei das Gegenteil von Fairness und Verteilungsgerechtigkeit, sagte Foglar, der in diesem Zusammenhang von einem "System der organisierten Verantwortungslosigkeit" sprach. Er kritisierte auch die bisherigen Vorschläge zur besseren Kontrolle der Finanzmärkte als einen Ausdruck der politischen Willenlosigkeit.

Der ÖGB-Präsident machte aus seiner ablehnenden Haltung zum Transferkonto kein Hehl, zumal seiner Meinung nach nichts so transparent ist wie die Transferleistungen. Im Gegensatz dazu gebe es etwa große Gestaltungsmöglichkeiten bei der Steuerbemessungsgrundlage für Unternehmen und eine große Intransparenz bei der direkten und indirekten Besteuerung von Unternehmen und in der Agrarwirtschaft.

Als vordringlich bezeichnete Foglar Maßnahmen für Wachstum und Beschäftigung, insbesondere im Bereich Bildung, Forschung und Innovation aber auch im gesamten Pflegebereich. Man müsse den privaten Konsum stärken, merkte er weiter an. Die Budgetkonsolidierung dürfe ausgabenseitig nicht auf Kosten der Sozialleistungen erfolgen. Deshalb halte er es für einen wichtigen Beitrag zur Verteilungsgerechtigkeit, den Faktor Arbeit zu entlasten, das Vermögen stärker zu besteuern, Steueroasen zu schließen und rigoros gegen Steuerhinterziehung vorzugehen. Von den Banken einen Solidarbeitrag zu verlangen, stellt für Foglar ebenfalls einen richtigen Ansatz dar.

Foglar wies auch darauf hin, dass viele Menschen trotz Arbeit in Armut leben, was man nicht als Fairness bewerten könne. Ein Steuersystem, das Spekulationsgewinne und Erbschaft steuerfrei stellt, ist seiner Meinung nach leistungsfeindlich. Zusammenfassend forderte er eine Politik, die Arbeit entlastet und einen fairen Beitrag bei Vermögen einfordert.

Hochhauser (WKÖ): Sozialstaat durch Reformen fit halten
Die Generalsekretärin der Wirtschaftskammer, Anna Maria Hochhauser, stellte eingangs fest, wer den Sozialstaat bewahren will, müsse ihn auch fit halten. Internationale Untersuchungen machten deutlich, dass Österreich im Hinblick auf sein soziales System den Vergleich nicht zu scheuen brauche. Das untere Einkommensdrittel zahle 13 % des Steueraufkommens, erhalte aber 43 % der Staatsausgaben über soziale Transferleistungen. Man dürfe die Diskussion nicht nur aus der Sicht der TransferbezieherInnen betrachten, meinte Hochhauser, sondern auch aus jener der SteuerzahlerInnen. In Anbetracht der Tatsache, dass 43 % aller EinkommensbezieherInnen von der Lohnsteuer befreit sind und zwei von drei erwerbstätigen ÖsterreicherInnen mehr vom Staat bekommen als sie einzahlen, sei darauf zu achten, dass das restliche Drittel nicht überlastet werde.

In Österreich gebe es ein breites Netz von Transferleistungen, das teilweise unüberschaubar und wenig treffsicher sei. Daher trat Hochhauser für mehr Transparenz sowie für eine Vereinfachung des Systems ein. Sie regte auch an zu überlegen, ob man die Transferleistungen nicht aus dem Steuerrecht herauslösen und diese in Direktzahlungen umformen könnte.

Jedenfalls befürwortete die Generalsekretärin der Wirtschaftskammer das Transferkonto. Es soll darüber informieren, was der Einzelne selbst zahlt und was er bekommt. Das Konto könnte eine sachliche Grundlage für weitere politische Entscheidungen darstellen und auch die Schwächen des Systems offenlegen, bemerkte sie. Wenn man den Sozialstaat fit halten will, dann seien Reformen des Systems dringend notwendig. Ein Ignorieren des Reformbedarfs würde zu einer Abwärtsspirale und letztendlich zu einer Schocktherapie führen. Hochhauser lehnte dezidiert höhere Steuern und Abgaben ab, weil diese das BIP langfristig senken und damit Arbeitsplätze vernichten würden. Die beste Sozialleistung sei die Sicherung der Arbeitsplätze. Ein funktionierender Sozialstaat setze eine leistungsfähige Marktwirtschaft voraus und nicht umgekehrt, Umverteilung setze Leistung und Fairness voraus und nicht umgekehrt, so das Resümee Hochhausers.

Astl (LWK): Was für die Bauern gilt, muss auch für andere gelten
August Astl, Generalsekretär der Landwirtschaftskammer, wies darauf hin, dass es im Agrarbereich zwei herausragende Beispiele für die Umsetzung von Transparenz gibt. Das sei einerseits der Grüne Bericht mit seiner umfassenden Dokumentation der Kosten und Einkommensstruktur in der Landwirtschaft. Er zeige, dass die Einkommen in der Landwirtschaft mit durchschnittlich 26.000 € pro Betrieb jährlich relativ gering sind, dass es aber durch die EU gute Möglichkeiten gebe, benachteiligte Bauern besonders zu fördern. Astl nannte in diesem Zusammenhang etwa die Bergbauernförderung und die Förderung von Biolandbau.

Andererseits habe die Transparenzinitiative der EU, auf deren Basis Zahlungen der EU im Agrarsektor offengelegt werden müssen, große Unruhe hervorgerufen. Seit 2008 sind nun auch in Österreich die Daten öffentlich einsehbar. Diese Transparenz habe dazu geführt, dass die Förderungen besser akzeptiert werden, aber auch besser erklärt werden können. Die Unruhe habe sich daher auch in der Zwischenzeit gelegt. Es sei jedoch nicht fair, wenn die Transparenz nur für den landwirtschaftlichen Sektor gilt, stellte Astl fest.

Tumpel (AK): Solidarbeitrag der Banken ist gerechtfertigt
Der Präsident der österreichischen Arbeiterkammer, Herbert Tumpel, ging zunächst auf die Präsentation des Transferkontos kritisch ein. Die Beispiele damals seien eklatant falsch gewesen, die Auswahl der Beispiele absurd, meinte Tumpel. Die Gegenbeispiele der Arbeiterkammer hätten gezeigt, dass sich Leistung durchaus lohnt. Wenn man immer wieder den Graubereich zu den Ländern und Gemeinden anspricht, so sei es Aufgabe der Bundesregierung, mit diesen Gebietskörperschaften in Hinblick auf mehr Transparenz und soziale Verträglichkeit Gespräche zu führen.

Tumpel ortete weniger bei den Transferleistungen Missbrauch als vielmehr bei der Schwarzarbeit. Das Transferkonto könne solche Fälle jedoch nicht ausschließen, sagte er.

Tumpel verteidigte auch das Antragsrecht zum Bezug von Sozialleistungen, da die Menschen von den verantwortlichen Stellen informiert würden. In Reaktion auf die Ausführungen von Anna Maria Hochhauser, die auf die große Zahl der von der Einkommensteuer befreiten ArbeitnehmerInnen hingewiesen hatte, listete Tumpel auf, dass in diese Gruppe sämtliche Arbeitslose und Teilzeitbeschäftigte sowie jene Beschäftigte fallen, die prekäre Verträge haben. Man müsse daher immer in Betracht ziehen, über welche Einkommen diese Menschen verfügen, stellte er fest.

Als die größte Herausforderung für die Sozialpartner sowie für die Regierung bezeichnete der AK-Präsident die steigende Arbeitslosigkeit. Um dieser gegenzusteuern, bedürfe es einer Wachstumspolitik, die durch Ausgaben der öffentlichen Hand Beschäftigung schafft. Als wesentliche Sektoren sah Tumpel den Bildungs- und Pflegebereich. Er hielt es für gerechtfertigt, wenn die Banken dazu angehalten werden, einen nennenswerten Beitrag zur Budgetkonsolidierung zu leisten. Schließlich habe der Staat mit rund 10 Mrd. € die Funktionsfähigkeit des Bankensektors erhalten und zugleich den Vermögenswert der AnteilsinhaberInnen abgesichert.

Mohr: Österreichs Steuersystem weitgehend fair
Egon Mohr vom Amt der Vorarlberger Landesregierung nannte als erstes Thema die Transparenz öffentlicher Einnahmen. Hier hielt er eingangs fest, dass nur ein Teil der Bundesabgaben abgebildet werde. In einem Transferkonto könne daher nicht die gesamte individuelle Abgabenbelastung enthalten sein. Von der Länderseite werde im übrigen davon ausgegangen, dass der dazu erforderliche Mehraufwand an Personal und Ressourcen durch den Bund getragen wird, der auch die zu erwartenden Mindereinnahmen auszugleichen hätte.

Zur Fairness bei den öffentlichen Einnahmen erklärte Mohr, es sei wohl primär eine Frage der politischen Betrachtung, inwieweit diese Vorgangsweise fair genannt werden könne, doch er persönlich sei der Auffassung, dass die Fairness prinzipiell gegeben sei, denn es werde niemand über Gebühr belastet. Extremfälle dürften nicht als die allgemeine Regel präsentiert werden, und unter den gegebenen Bedingungen sei das heimische Steuerwesen weitgehend fair. Aus diesem Grunde sei Vorarlberg auch nur für eine gesamteuropäische Finanztransaktionssteuer. Weiters äußerte sich der Redner zur Transparenz der öffentlichen Ausgaben der Länder. Auch hier sei die erforderliche Fairness gegeben, wiesen die dementsprechenden Leistungen doch hohe soziale Treffsicherheit auf.

Stanzl: Länder haben schon jetzt erforderlichen Einblick
Peter Stanzl vom Wiener Magistrat erklärte eingangs, er sei beim Studium der in Rede stehenden Materie nicht wirklich klug geworden. Er wisse nicht, was in diesem Transferkonto nun tatsächlich enthalten sein solle und könne sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich um eine noch eher unausgegorene Idee handle. Dennoch werde er sich bemühen, die bereits am Tisch liegenden Vorschläge aus seiner Sicht zu beurteilen.

Der Redner ging auf die drei Bereiche der öffentlichen Leistungen ein und beleuchtete diese im Licht der zu diskutierenden Materie. Hier zeige sich, dass die Länder und Gemeinden bereits jetzt Einblick in die entsprechenden Daten haben. So stelle sich die Frage, was man mit diesem Transferkonto wirklich erreichen wolle. Missbrauch werde man dadurch nicht mehr verhindern können als bislang schon, und zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten wäre eine derartige Maßnahme nicht notwendig.

Viel wichtiger sei jedoch die Frage, ob es denn gerecht sei, dass es Erwerbstätige gibt, deren Einkommen nicht zum Leben reicht. An dieser Stelle gelte es anzusetzen, über diese Menschen müsse man reden, hielt der Redner fest. Gerechtigkeit definiere sich auch über das Steuersystem, doch zeige sie sich auch darin, wie die Gesellschaft mit derartigen Problemen umgehe, schloss der Experte, dessen Fazit lautet, ein Transferkonto werde die nötige Gerechtigkeit sicherlich nicht herbeiführen.

Müller: Verteilungsgerechtigkeit auch zwischen Gebietskörperschaften
Bernhard Müller vom Österreichischen Städtebund thematisierte Leistungs- und Verteilungsgerechtigkeit bei Bund, Ländern und Gemeinden und meinte, solange es nicht gelinge, diese wichtigen Punkte im institutionellen Bereich sicherzustellen, werde es auch nicht möglich sein, Leistungs- und Verteilungsgerechtigkeit im individuellen Rahmen zu erreichen. Solange sich die eine Körperschaft eine Idee ausdenken könne, die jedoch eine andere finanzieren solle, werde man ein Problem haben. An dieser Stelle müsse man ansetzen, und zwar in ganzheitlichem Rahmen, denn eine solche Fehlentwicklung könne man auch auf europäischer Ebene konstatieren.

Laut Meinung des WIFO seien Konsolidierungsmaßnahmen primär ausgabenseitig zu finden, und der Sparwille der Kommunen sollte nicht unterschätzt werden. Es bestehe aber die Gefahr, dass die Sozialleistungen nennenswert gekürzt würden. In diesem Lichte werde es ohne einen aufgabenorientierten Finanzausgleich nicht gehen, wenn man die Dinge im richtigen Maß halten wolle, schloss Müller. Leistungsgerechtigkeit werde es nur geben, wenn man auch soziale Gerechtigkeit in den Fokus nehme.

Schöpf: für eine effiziente Verwaltung
Ernst Schöpf vom Österreichischen Gemeindebund wies auf Doppelgleisigkeiten im Verwaltungsbereich hin, was kein gelungenes Beispiel für eine schlanke und effiziente Verwaltung sei und auch nicht unbedingt den Erfordernissen von Bürgernähe entspreche. Auch Schöpf setzte sich mit dem Thema Verteilungsgerechtigkeit auseinander und ortete da immer noch Optimierungsmöglichkeiten.

Es wies auf die beachtlichen Herausforderungen für die Klein- und Kleinstgemeinden hin und monierte hier eine stärkere Berücksichtigung der Bedürfnisse der Kommunen. In diesem Lichte schloss er sich der Forderung seines Vorredners nach einem aufgabenorientierten Finanzausgleich an. In diese Richtung müssten die Überlegungen primär gehen.

Die Diskussion
Die Diskussion leitete Abgeordneter Josef Muchitsch (S) mit der Forderung nach voller Transparenz für sämtliche Förderungen und Subventionen auch im Bereich der Wirtschaft und Landwirtschaft ein. Die Budgetkonsolidierung sollte überdies seiner Meinung nach die Punkte Vermögen, Kapital und Banken nicht aussparen. Sein Fraktionskollege Bundesrat Gerald Klug ortete Transparenzdefizite bei den Einkommen der Selbständigen und bei den Vermögenden. Für volle Transparenz trat auch Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) ein, der klarstellte, dass dies für Betriebe ebenso wie für die Banken sowie für sämtliche Transferleistungen zu gelten habe.

Bundesrat Gottfried Kneifel (V) diagnostizierte in der Diskussion über das Transferkonto bei manchen Teilnehmern panische Angst vor Transparenz und Öffentlichkeit und gab zu bedenken, Angst sei ein schlechter Ratgeber bei der Sicherung des Sozialstaats. Fest stand für Kneifel, dass Gerechtigkeit jedenfalls keine Einbahnstraße sei. Bundesrat Georg Keuschnigg (V) zeigte kein Verständnis für Voreingenommenheit und ideologische Verbrämung bei der Debatte über das Transferkonto und meinte, es gehe doch in erster Linie um die Schaffung von sicheren Daten und um mehr Bürgernähe. Diesen Standpunkt vertrat auch Abgeordneter Josef Lettenbichler (V), der sich vom Transferkonto mehr soziale Treffsicherheit und Transparenz sowie eine Harmonisierung der Daten erwartete. Abgeordneter Konrad Steindl (V) wiederum sprach in seinem Beitrag den Zusammenhang von Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Österreich und Sozial- und Abgabenquote an.

Bundesrat Elmar Podgorschek (F) stellte die Frage zur Diskussion, inwieweit es möglich wäre, durch die Zusammenlegung von Gemeinden Einsparungen und Synergieeffekte auszulösen.

Abgeordneter Robert Lugar (B) äußerte sich kritisch zur Generationengerechtigkeit und bemerkte, Österreich lebe heute auf Pump und belaste damit die zukünftigen Generationen.

Für den Abgeordneten Karl Öllinger (G) waren vor allem die Fragen nach den Kosten des Transferkontos und nach der Bezifferung der einzelnen Leistungen offen.

Hannes Bauer (Seniorenrat) konnte die Sinnhaftigkeit eines Transferkontos nicht erkennen. Der ehemalige Nationalratsabgeordnete der SPÖ trat überdies dafür ein, die Budgetkonsolidierung nicht ausschließlich durch Einsparungen im Sozialbereich, sondern vielmehr auch über Mehreinnahmen zu finanzieren.

Ralf Kronberger (WKÖ) wandte hingegen ein, in einer ohnehin schon schwachen Konjunktur dürfe man das Wachstum nicht noch weiter dämpfen.

Kritik am Pensionssystem übte Rolf Gleissner (WKÖ), der darüber hinaus dazu aufrief, stärker in den Wirtschaftsstandort und in die Ausbildung der Jugend zu investieren.

Wolfgang Moitzi und Andreas Berger (Bundesjugendvertretung) warnten schließlich davor, bei der Budgetkonsolidierung auf Kosten der Jugendlichen und insbesondere bei der Bildung zu sparen.

Ernst Schöpf sah in der Fusion von Gemeinden nur bedingt ein Rezept gegen die knappen Kassen und drückte seine Skepsis mit den Worten aus, wenn man zwei Blinde zusammenspannt, dann schaffe man noch keinen Sehenden. Vorstellbar waren für Schöpf allerdings Einsparungen durch eine bessere Zusammenarbeit der Gemeinden in bestimmten Bereichen.

Bernhard Müller unterstützte hingegen den Vorschlag einer Zusammenlegung der Gemeinden, hielt es aber für problematisch, dies gegen den Willen der Bevölkerung durchzuboxen. Verstärkte Kooperationen müssten seiner Meinung nach jedenfalls angedacht werden. Zum abgestuften Bevölkerungsschlüssel meinte er, es sollte nicht über Köpfe, sondern über Aufgaben diskutiert werden, um die Mittel für deren Erbringung zu bekommen.

Peter Stanzl erhob Bedenken gegen das Transferkonto und argumentierte, die Art der Leistungen und deren Bewertung sei nach wie vor unklar, auch wäre das Konzept nicht geeignet, um tatsächlich steuern zu können.

Egon Mohr betrachtete hingegen das Transferkonto unter dem Aspekt von Verwaltungsreform und Bürgerservice.

Herbert Tumpel nahm zum Verhältnis von Wettbewerbsfähigkeit und Steuerquote Stellung, und betonte, für Investitionsentscheidungen sei vor allem die Qualität der österreichischen FacharbeiterInnen ausschlaggebend, steuerliche Fragen würden bei der Standortbeurteilung im Hintergrund bleiben.

August Astl gab zu bedenken, jetzt sei nicht der richtige Zeitpunkt, um über neue Steuern und Steuererhöhungen nachzudenken. Eine reine Substanzbesteuerung in der Land- und Forstwirtschaft würde ebenfalls zur Vernichtung von Existenzen führen, warnte er.

Anna Maria Hochhauser versicherte, Transparenz, Verteilungsgerechtigkeit und Leistungsgerechtigkeit würden selbstverständlich auch im Bereich der Wirtschaft gelten. Wo es Transferleistungen gibt, werde die Wirtschaft ebenfalls zu erfassen sein. Angesichts der kommenden Budgetkonsolidierung hielt Hochhauser Systemreformen in den Bereichen Gesundheit, Schule und Bildung sowie eine Pensionsreform und eine Verwaltungsreform für unerlässlich.

ÖGB-Präsident Erich Foglar plädierte für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zur Eindämmung der Spekulation, wobei er vorschlug, die daraus lukrierten Einkommen für Beschäftigung und Bildung auszugeben. Im übrigen verteidigte er den Sozialstaat, der, wie er sagte, in der Wirtschaftskrise das schlimmste verhindert habe. Handlungsbedarf ortete er aber in den Bereichen Freie Dienstnehmer, Praktikanten und Teilzeitarbeitnehmer.

Die Ergebnisse der Enquete aus der Sicht der Fraktionen
Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) fasste die seiner Meinung nach spannende Diskussion zusammen, indem er das allgemeine Bekenntnis der TeilnehmerInnen zum Sozialstaat begrüßte und von der allgemeinen Erkenntnis sprach, dass der Sozialstaat als ein Motor der gesellschaftlichen Entwicklung anzusehen sei, der Wachstum und Beschäftigung erzeuge. Für die Zukunft sei ein investiver Sozialstaat gefragt, der statt monetärer Leistungen mehr Infrastrukturleistungen biete.

Die Enquete habe auch gezeigt, dass bei den ArbeitnehmerInnen hinsichtlich Einnahmen, Steuern, Transfers und sogar bei den Ausgaben ein hohes Maß an Transparenz herrsche. Wenig bis keine Transparenz herrsche hingegen bei unselbstständig Beschäftigten, in der Land- und Forstwirtschaft und vor allem bei den Vermögen. Eine durchschnittliche Arbeitnehmerin müsse zwei Jahre arbeiten, um das Einkommen zu erzielen, das Veit Sorger bei einem Geschäft der Hypo-Alpe-Adria "mit zwei Unterschriften" verdient habe, sagte Kai Jan Krainer pointiert und verlangte deshalb einen "Nacktscanner für Millionäre".

Abgeordneter August Wöginger (V) meinte bedauernd, manche Politiker hätten in der Diskussion am Thema "Transferkonto" vorbeigeredet und zeigte sich verwundert darüber, wovor sich die Gegner des Transferkontos eigentlich fürchten. Die ÖVP trete dafür ein, den BürgerInnen einen Gesamtüberblick über Geldleistungen zu bieten, die sie von allen Gebietskörperschaften erhalten. Auch sollten die Menschen wissen, welche Sozial- und Familienleistungen zur Verfügung stehen. Dadurch soll Bewusstsein geschaffen, Doppelgleisigkeiten und Missbrauch verhindert und die soziale Gerechtigkeit erhöht werden.

Die ÖVP wolle keinen Sozialabbau und keinen Abbau von Familienleistungen, sie lehne auch das Konzept des gläsernen Menschen ab, sie trete für das Transferkonto ein, weil es Transparenz und damit Voraussetzungen für soziale Gerechtigkeit schaffe.

Abgeordneter Andreas Karlsböck (F) sah es durch die Studie von Franz Prettenthaler als bewiesen an, dass mittelständische Familien im Rahmen des bestehenden Transfersystems "unter die Räder kommen". Er plädierte nachdrücklich für die Einführung eines Familiensteuersplittings nach französischem Vorbild. Die Einführung eines Transferkontos hielt Karlsböck für positiv, weil es als ein Instrument der Kontrolle und Evaluierung auf dem Weg zu einem Transfersystem mit höherer sozialer Treffsicherheit dienen könne. In diesem Zusammenhang machte der Redner auf das in Deutschland diskutierte "Bürgergeld" aufmerksam, das von einer einzigen Stelle ausgezahlt werden könnte und verlangte im Interesse der sozialen Gerechtigkeit, für einen besseren finanziellen Ausgleich zwischen kinderlosen Familien und Familien mit Kindern zu sorgen. Die Aufregung in der Diskussion über das Transferkonto könne er nicht nachvollziehen, sagte Karlsböck abschließend und zeigte sich angesichts der Anfeindungen zwischen den Koalitionsparteien besorgt um die Arbeitsfähigkeit der Regierung.

Abgeordneter Robert Lugar (B) wandte sich einleitend gegen das Prinzip "jedem nach seinen Bedürfnissen" und meinte, in der Diskussion über das richtige Maß der Umverteilung solle man nach dem Grundsatz vorzugehen: "Jedem nach seiner Leistung". Kritik an hohen Einkommen hielt Lugar entgegen, es sei zu berücksichtigen, dass höhere Einkommen mehr Ausbildung und mehr persönliches Engagement zur Voraussetzung haben. Umverteilung sei nur dort gerechtfertigt, wo Behinderte keine Möglichkeit haben, Leistungen zu erbringen. Das Beispiel des "realen Sozialismus" habe gezeigt, dass ein System nur lebensfähig sei, wenn sich persönlicher Einsatz lohne. Darin sah der Abgeordnete einen Hauptmangel des österreichischen Transfersystems: Es biete Menschen mit niedrigem Einkommen zu wenig Anreiz, Arbeit aufzunehmen. Dieses System sei leistungsfeindlich, kritisierte Lugar.

Die ÖVP argumentiere beim Thema Transferkonto scheinheilig, weil sie nicht zugeben wolle, dass es ihr durchaus darum gehe, Sozialleistungen zu kürzen. Dies sei auch notwendig, wenn verhindert werden solle, dass die heutige Generation auf Kosten der Zukunft unserer Kinder lebe. Sozialleistungen sollen nur jene bekommen, die sie wirklich brauchen, sagte Lugar, und problematisierte gleichzeitig die Vorschläge der SPÖ für eine höhere Besteuerung des Kapitals. Denn dieses sei ein "scheues Rehlein", das rasch ins Ausland flüchte, wenn es dort bessere Bedingungen vorfinde.

Da sie von Abgeordnetem Lugar direkt angesprochen wurde, reagierte Präsidentin Prammer auf dessen Ausführungen mit der Anmerkung, sie halte eine leistungsgerechte Bezahlung etwa der tausenden Supermarktkassierinnen durchaus für ein Thema in der Diskussion über leistungsgerechte Einkommen.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) sah sich durch die Diskussion über das Transferkonto an gescheiterte Versuche zur Einführung eines "Pensionskontos" erinnert. Die Diskussion habe gezeigt, dass jeder unter diesem Konzept etwas anderes verstehe, und hielt seinerseits fest, dass Versicherungsleistungen nicht als Transfers angesehen werden könnten. Gegen Transparenz habe sich niemand ausgesprochen, bei diesem Thema stelle sich aber die Frage, wie Vorgänge bei der Hypo-Alpe-Adria zu bewerten seien, wo für mündliche Beratungsleistungen Millionenbeträge ausbezahlt wurden. Er glaube nicht, dass hohe Einkommen automatisch großen Leistungen entsprechen, meinte Öllinger.

Positiv sah der Abgeordnete den Vorschlag zur Einführung eines One-Stop-Shops für Menschen, die soziale Leistungen brauchen. Nichts sei auch dagegen einzuwenden, die Menschen über ihre Ansprüche besser zu informieren. Wer über die Aufhebung starrer Einkommensgrenzen diskutiere, müsse aber auch klar sehen, dass das mehr Geld koste.

Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) trat für eine Versachlichung der Diskussion, für mehr Transparenz bei den Einkommen der obersten Zehntausend sowie dafür ein, mit einem Bruchteil der Kosten, die die Einführung des Transferkontos nach sich ziehen würde, mehr Transparenz in der Vermögens- und Einkommensverteilung zu schaffen.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) sah angesichts der Diskussion zwischen SPÖ und ÖVP keine Chance, ein Transferkonto noch in der laufenden Gesetzgebungsperiode einzuführen. Mehr Transparenz zu schaffen und Doppelgleisigkeiten abzuschaffen, sei zu befürworten, sagte Dolinschek, der sich auch dazu bekannte, soziale Schieflagen zu beseitigen, eine Verwaltungsreform durchzuführen und ein gerechteres Steuersystem zu schaffen, das Arbeit entlaste, die Kaufkraft stärke und so die Vollbeschäftigung erhalte.

Abgeordnete Birgit Schatz (G) zeigte sich verwundert darüber, welch große parlamentarische Aufmerksamkeit dem Vorschlag für ein "Transferkonto" gewidmet werde, während zugleich in den Ausschüssen zukunftsträchtige Anträge der Opposition für Maßnahmen gegen die zunehmende Armut vertagt werden. Die Rednerin beklagte die stark ungleichen Primäreinkommen in Österreich und verlangte Existenz sichernde Löhne für Vollzeitbeschäftigte und auch die Einführung einer Existenz sichernden Mindestsicherung. Bei der Budgetkonsolidierung sei es laut Schatz erforderlich, Vermögenssteuern heranzuziehen. An die ÖVP richtete die Abgeordnete die Frage, wie viel Parteispenden sie von jenen hundert ÖsterreicherInnen erhalte, die 8 % des gesamten Geldvermögens besitzen.
 
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