Allmähliche Erholung nach schwerer Rezession   

erstellt am
21 01. 10

Mittelfristige Prognose der österreichischen Wirtschaft bis 2014
Wien (wifo) - Nach der schwersten Rezession seit den 1930er-Jahren wird das Bruttoinlandsprodukt in Österreich von 2010 bis 2014 real um durchschnittlich 1,8% pro Jahr zunehmen. Aufgrund der Nachwirkungen der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise wird das Wachstum jährlich um knapp ¾ Prozentpunkte geringer ausfallen als im Durchschnitt des letzten Jahrzehnts vor der Wirtschaftskrise 2008/09. Der Wachstumsvorsprung gegenüber dem Durchschnitt des Euro-Raumes verringert sich deutlich, auch weil die Dynamik der Exporte nach Ostmitteleuropa schwach bleiben dürfte und der Finanzsektor weiterhin fragil ist. Vor allem auf den Arbeitsmarkt und die öffentlichen Haushalte wirkt die Rezession noch länger nach, die Inflation wird dagegen niedrig bleiben. Ab dem Jahr 2011 werden Maßnahmen zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte die gesamtwirtschaftliche Nachfrage dämpfen, aber eine Senkung des Budgetdefizits bewirken.

Die internationale Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise löste in Österreich Ende 2008 die schwerste Rezession seit den 1930er-Jahren aus. Wie die empirische Evidenz zeigt, erholt sich die Wirtschaft nach einer Finanzmarktkrise und einer weltweiten Rezession nur sehr langsam. Getragen von der sehr expansiven Geld- und Fiskalpolitik in den großen Wirtschaftsräumen trat Mitte 2009 eine Trendwende ein; ab 2010 wird mit einer Erholung gerechnet. Die österreichische Wirtschaft wird von 2010 bis 2014 mit +1,8% pro Jahr um ¾ Prozentpunkte langsamer expandieren als in den 10 Jahren vor der Wirtschaftskrise 2009 (+2½% p. a.)1). Selbst in den besten Jahren des Prognosezeitraumes (2012 bis 2014) wird das BIP-Wachstum nicht an diesen Durchschnittswert heranreichen. Die Weltwirtschaft wird die Folgen der Finanzmarktkrise nur allmählich überwinden, die Vergabe von Risikokapital für Unternehmen sowie die Kreditversorgung des privaten Sektors zur Finanzierung von Ausrüstungs- und Bauinvestitionen und Konsum bleiben restriktiv. Das Wachstum des Potentialoutputs wird nicht mehr so hoch sein wie in der Vergangenheit. Der Wachstumsvorsprung Österreichs gegenüber dem Durchschnitt des Euro-Raumes wird geringer, nicht zuletzt da die Exporte nach Ostmitteleuropa an Dynamik verlieren dürften.

Die österreichische Wirtschaftspolitik wirkte den Auswirkungen der internationalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise mit einer vorgezogenen Steuerreform, zwei Konjunktur- und zwei Arbeitsmarktpaketen entgegen. Da manche der größeren Bauprojekte 2009 noch nicht umgesetzt werden konnten, sollte ihre Wirkung im Jahr 2010 zum Tragen kommen und damit den Aufschwung unterstützen. Die österreichische Wirtschaft profitierte auch von den Konjunkturbelebungsmaßnahmen, die im Rahmen des "European Economic Recovery Plan (EERP)" von den EU-Nachbarländern und den anderen bedeutenden Handelspartnern (Schweiz und USA) getätigt wurden. Diese Rückwirkungen sind nach WIFO-Schätzungen in etwa gleich hoch wie jene Maßnahmen, die die österreichische Bundesregierung (einschließlich staatsnaher Unternehmen) selbst getätigt hat.

Die durch Sonderfaktoren und wirtschaftspolitische Maßnahmen begünstigte Entwicklung der verfügbaren realen Haushaltseinkommen (Steuerreform, niedrige Inflation, hohe Lohnabschlüsse im Jahr 2008, Ausweitung der Transfereinkommen) ermöglichte im Jahr 2009 in Österreich, im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern des Euro-Raumes, eine Zunahme des privaten Konsums (+½%). Jedoch floss ein größerer Teil des Einkommensanstiegs als in den letzten Jahren in die Ersparnisse. Für den Prognosezeitraum 2010/2014 wird mit einem Konsumwachstum von 1% gerechnet, das um knapp ½ Prozentpunkt niedriger ist als in der Fünfjahresperiode vor der Krise. Dabei wird unterstellt, dass die Sparquote der privaten Haushalte wieder kontinuierlich zurückgeht.

Der reale Außenbeitrag wird im Prognosezeitraum dem Wirtschaftswachstum Impulse geben. Der Exportprognose liegt die Einschätzung zugrunde, dass die Weltwirtschaft die realwirtschaftlichen Folgen der Finanzmarktkrise allmählich überwindet und im Jahr 2010, getragen von den weltweiten Konjunkturprogrammen und niedrigen Zinssätzen, eine Erholung einsetzt. Die Belebung des Welthandels bewirkt eine Zunahme der österreichischen Exporte um durchschnittlich 5½% pro Jahr, um knapp 1 Prozentpunkt weniger als in den zehn Jahren vor der Krise. Das Anspringen der Exportkonjunktur wird im Jahr 2010 aufgrund der sehr geringen Kapazitätsauslastung noch keine Belebung der Investitionstätigkeit auslösen. Über den gesamten Prognosezeitraum sollten die Investitionen um durchschnittlich 2% p. a. zunehmen. Rezessionsbedingt erreichte die Arbeitslosigkeit 2009 das höchste Niveau seit Mitte der 1950er-Jahre. Die Ausweitung der Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Kurzarbeit, Schulungen und Bildungskarenz bremste den Anstieg der Arbeitslosenzahl im Jahr 2009 zwar um etwa 13.000, die Arbeitslosigkeit wird aber eine zentrale wirtschaftspolitische Herausforderung der kommenden Jahre bleiben. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen dürfte von 2008 bis 2014 um gut 90.000 auf über 300.000 steigen. Im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2014 dürfte die Arbeitslosenquote (laut AMS-Definition) 8,1% erreichen. Im Falle einer ungünstigeren Entwicklung der Wirtschaft würde die Arbeitslosigkeit jedoch noch stärker wachsen. Die Beschäftigung wird in den Jahren 2010 bis 2014 um 0,4% pro Jahr zunehmen, die Vollzeitbeschäftigung dürfte aber erst gegen Ende der Prognoseperiode stärker ausgeweitet werden.

Der freie Zustrom von Fachkräften aus den neuen EU-Ländern seit dem Jahr 2009 und das Ende der Übergangsfristen im Jahr 2011 werden die Pendler- und Zuwanderungsströme erhöhen. In erster Linie hängt das Ausmaß dieser Wanderungsbewegungen aber von der heimischen Nachfrage nach Arbeitskräften ab.

Die Dämpfung der Staatseinnahmen durch die Krise und die Steuerreform sowie die rezessionsbedingte Ausweitung der Staatsausgaben werden das Defizit der öffentlichen Haushalte 2010 auf 5¼% des BIP steigen lassen. Neben der Verbesserung durch die Konjunkturerholung müssen Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung ergriffen werden, falls die Defizitquote bis zum Jahr 2014 wieder auf unter 3% des BIP gesenkt werden soll.

Nach dem Preisverfall von Mitte 2008 bis ins I. Quartal 2009 kehrte sich der Trend auf den internationalen Rohstoffmärkten um. Auch in den kommenden Jahren werden die Rohölund Rohstoffpreise anziehen. Die Prognose nimmt einen Anstieg des Rohölpreises mit der Erholung der Weltkonjunktur von 60 $ je Barrel im Jahr 2009 auf 100 $ im Jahr 2014 an. Von inländischen Faktoren werden in den kommenden Jahren kaum inflationäre Effekte ausgehen. Im Zeitraum 2010 bis 2014 dürfte die Inflationsrate in Österreich durchschnittlich 1½% betragen.
Die in der vorliegenden Prognose unterstellte Erholung der Wirtschaft hängt wesentlich von der Verbesserung der internationalen Konjunktur ab. Sollte sich diese nicht im erwarteten Ausmaß einstellen, würde das auch die Belebung in Österreich beeinträchtigen. Ebenso ist die Stabilisierung der Finanzmärkte und des Bankensystems noch fragil. Das starke Engagement der österreichischen Banken in Ostmitteleuropa und Südosteuropa birgt hier noch beträchtliche Risken.

1) Die Wachstumsprognose für die Jahre 2010 und 2011 entspricht der kurzfristigen WIFO-Prognose vom Dezember 2009. Für die folgenden Jahre wurden mittelfristige Trends geschätzt.
     
zurück