Wien Museum thematisiert Kunst und Wahn im Wien um 1900   

erstellt am
20 01. 10

Wien (wienmuseum) - Ein vierjähriges britisches Forschungsprojekt, dann eine erfolgreiche Schau in London in der Wellcome Collection, die ab morgen, Donnerstag, auch in Wien zu sehen ist: kein Wunder, dass sich die beiden Kunsthistorikerinnen und Kuratorinnen Gemma Blackshaw und Sabine Wieber "very amused" beim Mediengespräch im Wien Museum zeigten. "Madness & Modernity" ist keine weitere Überblicksdarstellung zum Fin de Siecle - "Das braucht man heute gar nicht mehr", so Museumschef Wolfgang Kos -, sondern eine fokussierte Schau, die mit wenigen Objekten den Umgang der Wiener Gesellschaft mit "Nervosität", "Geisteskrankheit" und "Kunst" schildert. Wieber, die in Glasgow lehrt, erinnerte daran, dass neben Freuds "Seele", immer auch das körperliche Leiden an sich zur Debatte stand. Zur Jahrhundertwende sei es durchwegs schick gewesen, an einer "Nervosität" zu leiden, "geisteskranke Verwandte versteckte man aber".

Neben Freuds Couch bzw. legendärem Perserteppich, auf dem seine Patientinnen und Patienten lagen - "Das aufgeladenste Objekt der Schau" (Kos) - widmet sich die Schau nach einem kurzen Vorspann, der an den Narrenturm erinnert, den Großprojekten von Steinhof bzw. Mauer-Öhling. Als Antwort auf massive Kritik am Zustand der Psychiatrie waren die beiden großzügig angelegten Areale seinerzeit dezidierte Renommierprojekte gewesen. Steinhof etwa bestand aus dem elitären, nur Privatpatienten zugänglichen Sanatorium, andere Pavillions waren den staatlich eingewiesenen Patienten vorbehalten, die, im Unterschied zum Narrenturm, aber auch dort über "utopische Verhältnisse" (Wieber) verfügten.

Diverse Schiele-Porträts, ein Kokoschka-Porträt über den Patienten Ritter von Janikowski, welches 1911 zu heftiger Kritik am Malstil Kokoschkas führte, erinnern daran, wie sehr damals vermeintliche "Madness" bedrohliches Gesprächsthema der Wiener Gesellschaft, wie auch Thema in der Porträtkunst war. Aus dem Technischen Museum konnte ein Modell der Otto-Wagner-Anlage "Am Steinhof" herbei geschafft werden, ein Werbeplakat für das Sanatorium wirbt mit Heilung gegen "Hypochondrie, Morphinismus, Kokainismus und Alkoholismus". Peter Altenberg, Schriftsteller und allseits bekannte schräge Figur der Wiener Kulturszene, war öfters dort zu Gast: Briefe aus Steinhof, aber auch Porträts über Altenberg, angefertigt von Gustav Jagerspacher - eines davon wirbt auch für die Ausstellung-, zeigt die für Wien leicht adaptierte Schau ebenso, wie berührende Gouachen Josef Karl Rädlers, der - eine Seltenheit für die Zeit vor dem ersten Weltkrieg - zarte Bilder aus dem Patientenalltag in den Psychiatrischen Anstalten schuf. Die ausgehängte schwere Holztür eines Isolationszimmers, wo aggressive Patienten untergebracht wurden, setzt einen Kontrapunkt zur oft ästhetisch überhöhten "Nervosität" der damaligen Zeit.

Die in mehreren Räumen untergebrachte Schau ist in heller Farbe und mittels manchmal freistehender Holzkonstruktionen unterteilt. Videoaufnahmen aus dem Narrenturm, ein elegisch wirkender Video-Rundgang durch Steinhof, wie auch diverses von der Wiener Werkstätten angefertigtes Mobiliar runden das "britische Gastspiel" (Kos) ab, dem Wien bereits in früheren Zeiten aufgrund diverser Forschungsarbeiten zu Wien um 1900 einiges zu verdanken hat.

Wien Museum (4., Karlsplatz) "Madness & Modernity", Laufzeit: 21. Jänner bis 2. Mai 2010, Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag/Feiertag 10.00 bis 18.00 Uhr. Führungen: Sonntag und Feiertag 11.00 bzw. 16.00 Uhr,
     
Informationen: http://www.wienmuseum.at    
     
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