Vor 10 Jahren: Angelobung der Schwarz-Blauen Koalitionsregierung  

erstellt am
04  02. 10

Edlinger, Hostasch und Tálos ziehen kritische Bilanz
Viele Strukturen wurden nachhaltig und irreversibel beschädigt oder zerstört
Wien (sk) - Finanzminister a.D. und Vizepräsident des Pensionistenverbands Österreich (PVÖ) Rudolf Edlinger, Arbeits-, Gesundheits- und Sozialministerin a.D. Eleonore Hostasch und der Sozial- und Politikwissenschafter Univ.Prof. Emmerich Tálos zogen am 04.02. im Zuge einer gemeinsamen Pressekonferenz eine kritische Bilanz anlässlich des zehnten Jahrestags der Angelobung der schwarz-blauen Bundesregierung. Edlinger kritisierte die Paradigmen des Neoliberalismus und des Nulldefizits sowie die dadurch resultierende "Verscherbelung von Volksvermögen und buchhalterische Tricks, die nur kurzfristig den Anschein einer Budgetkonsolidierung zuließen". Viele hätten sich am Abverkauf von Staatsbetrieben bereichert: "Das beschäftigt bekanntlich heute noch die Gerichte."

Viele Strukturen des Sozial- und Wohlfahrtsstaates seien in dieser Zeit "nachhaltig und irreparabel beschädigt worden", merkte Hostasch an. Tálos resümierte die nachhaltigen Auswirkungen auf die politische Kultur des Landes: "Man kann nicht nur von einer 'Wende' sprechen, sondern auch von einer Reihe von Brüchen."

"Politische Schmuddelkinder befinden sich heute noch in hohen Staatsfunktionen", sagte Ex-Finanzminister Edlinger über den Posterschacher der beiden Schüssel-Kabinette. Der Präsident des Wiener Pensionistenverbandes (PVW) übte ebenfalls scharfe Kritik an der "massiven Umverteilung von unten nach oben", die heute noch nachhaltig "negative Auswirkungen für eine Mehrheit der Bevölkerung" mit sich bringt: "Der Slogan von Schüssel und Grasser 'Mehr privat, weniger Staat' hat sich selbst ad absurdum geführt", wie sich speziell angesichts der Wirtschaftskrise gezeigt habe. "Es ging weniger um gute Politik, als um Selbstdarstellung und Show", so Edlinger. Und weiter: "Die großen Verlierer in Österreich waren die Pensionisten." Die Schwächung der ersten Säule im Pensionssystem zugunsten betrieblicher und privater Vorsorgeformen hätte sich besonders zu Ungunsten vieler Menschen ausgewirkt. Überdies sei das Nulldefizit-Dogma von Grasser ebenfalls kläglich gescheitert.

"Eine Fülle von Gesetzen musste vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) aufgehoben werden, da in der Legistik gepfuscht wurde. Die Rechtssicherheit wurde massiv beeinträchtigt, das war eines Rechtsstaates nicht würdig", schließlich habe man beispielsweise auf die traditionelle Expertise der Sozialpartner verzichtet und diese oft ausgelagert, so Eleonore Hostasch. Besonders verwerflich wirken sich heute noch unzählige irreversible oder nur schwer umkehrbare Gesetze von damals aus, bemängelte die Ministerin a.D.

Tálos führte aus, dass die schwarz-blaue Bundesregierung sich völlig von der bisherigen politischen Kultur des Landes unterschied: "Das war im Rahmen der Zweiten Republik ein Sonderfall, nicht nur ihr Start, sondern auch ihr Tun." Der Sozialwissenschafter übte besondere Kritik an der "gigantischen Personalpolitisierung" sowie am "Bruch mit der Verhandlungsdemokratie zugunsten des Mehrheitsprinzips", also dem Ausschluss der Sozialpartner. Lediglich 30 Prozent der damaligen Gesetzesvorhaben seien mit parlamentarischer Einhelligkeit beschlossen worden. Zur Budgetpolitik der Schüssel-Regierungen ließ Tálos wissen: "Man bewegte sich vom Leitbild des modernen Wohlfahrtsstaates hin zum Prinzip des Sozialhilfestaates."

 

Korosec zu Edlingers "Rückwärtsblick"
Die Schüssel-Regierungen haben unsere Pensions-Systeme nachhaltig gesichert!
Wien (rk) - Ingrid Korosec, Wiener Seniorenbund-Chefin und Bundesobmann-Stellvertreterin von Dr. Andreas Khol, erklärt in Antwort auf die heutigen Erklärungen des ehemaligen Finanzministers Rudolf Edlinger (des heutigen Chefs der Wiener SPÖ-Senioren):"Die Sozialdemokraten Wiens dürften angesichts der im Herbst anstehenden Wahlen schon reichlich nervös sein. Nach der Wahlkampf-Volksbefragung nutzt man nun auch den 10. Jahrestag der Angelobung der Schwarz-Blauen-Regierung für rückwärtsgerichtete Wahlkampfrhetorik. Was die Senioren in Wien jedoch brauchen, ist ein Zukunftskonzept!"

Zu den Fakten:
Emmerich Talos, an der Pressekonferenz teilnehmender Sozial-Experte antwortete auf die Frage, was unter "Schwarz-Blau" gut gelungen sei, "die Harmonierung der Pensionssysteme".

Dem stimmt Korosec mit großer Überzeugung zu: "Bundesweit wurden die Pensionssysteme vereinheitlicht, wurden endlich unverschämte Privilegien abgeschafft. Und was glauben Sie, welches Bundesland hier auch 10 Jahre später noch immer säumig ist? Richtig: Wien natürlich! Hier gehen Beamte so früh in Pension wie nirgendwo sonst. Und die Ungerechtigkeiten bestehen noch für die nächsten drei Jahrzehnte!"

Dazu ein Zitat aus dem entsprechenden Rechnungshof-Bericht (RH Bund 2009/8): "Das vorliegende Pensionsrecht führte zu keiner Harmonisierung der Ruhegenussberechnung der Beamten mit den übrigen Bediensteten (Vertragsbedienstete, Landeslehrerbeamte, Landesvertragslehrer). Die Umsetzung der Empfehlung des RH betreffend die Parallelrechnung und das Pensionskonto würde von 2010 bis 2047 ein Einsparungspotenzial von insgesamt rd. 130 Mill. EUR (betreffend die Gemeindeverwaltung im engeren Sinn) mit sich bringen."

"Alt bekannt natürlich auch Edlingers Behauptungen des 'Ausverkaufs des Familiensilbers'. Dass er persönlich einen Staatshaushalt nahe am Bankrott der Nachfolgeregierung übergeben hat, dass die heutigen wenigen Staatsbeteiligungen mehr Wert sind als alle Beteiligungen des Jahres 2000 zusammen, dass damals Unsummen in jedem Jahr in diese Staatsbeteiligungen zugezahlt werden mussten, während man heute jährlich beachtliche Renditen damit erzielt - das verschweigt der Wiener SPÖ-Seniorenchef geflissentlich. Und dass unser heutiges Pensionssystem nur aufgrund der damaligen Reformen überhaupt noch finanzierbar ist, kehrt Edlinger auch lieber unter den Tisch! Gut, Edlinger begnügt sich mit dem emotionalen und unsachlichen Blick in den Rückspiegel, wir vom Seniorenbund entwerfen dagegen umsetzbare Modelle für die Zukunft!" so Korosec abschließend.

 

Scheibner: Wir brauchen wieder eine Regierung des Handelns
Mit welchem großen Projekt verbindet man die Regierung Faymann/Pröll?
Wien (bzö) - Zu 10 Jahre Wenderegierung nahm der stellvertretende BZÖ-Bündnisobmann Herbert Scheibner in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit BZÖ-Generalsekretär Stefan Petzner Stellung. "Ich bin stolz, dass ich Teil dieser Regierung 2000 (als Verteidigungsminister, Anm.) gewesen bin." Anders als bei der aktuellen "Stillstandsregierung" habe es damals zwei Parteien gegeben, "die mit großer Dynamik wichtige Probleme gelöst haben", erklärte Scheibner. Er verlangte: "Wir brauchen wieder eine Regierung des Handelns, nicht eine Regierung des Stillstands!"

Nach 14 Jahren war die rot/schwarze Koalition am Ende, erinnerte Scheibner. Sichtbares Zeichen: der große Wahlerfolg Jörg Haiders. Doch es sei, auch von der SPÖ, alles versucht worden, "dass die Wenderegierung in wenigen Wochen weg ist." Trotz dieser Schwierigkeiten zum Start gelang es u.a. das Kindergeld und die Abfertigung neu ebenso umzusetzen, wie Änderungen in der Asylpolitik und eine Steuersenkung; "obwohl die SPÖ vieles verhindert hat", so Scheibner.

Man sei damals angetreten mit dem Vorsatz: "Wir wollen alles Notwendige tun, um Österreich wieder nach vorne zu bringen"; erklärte Scheibner. Auf einen Einsparungsbedarf von 5 Mrd. Euro zum Start der Regierung folgten ein rasch vorgelegtes Budget und ein Null-Defizit. Damals hätten "Staatsmänner und -Frauen für Österreich gearbeitet." "Wo sind jetzt die Konzepte?", fragte Scheibner in Richtung Rot/Schwarz. Es könne nicht sein, dass ein Jahr Zeit für die Budgeterstellung nicht ausreicht. Bei der Großen Koalition sei Ideenlosigkeit vorherrschend. "Mit welchem großen Projekt verbindet man die Regierung Faymann/Pröll?", will Scheibner wissen. Seine Gegenüberstellung der Regierungsarbeit aus 2000 und 2010 fällt klar aus: " Damals: Steuersenkung, jetzt angekündigte Steuererhöhung; eine Reform des Pensionssystems - keine weitere Adaption; Pragmatisierungsstopp - keine Einigung bei mehr Stunden für Lehrer."

 

 Grasser hat Staat ausgeplündert und Private bedient
"Früher gingen die Mieteinnahmen an die Bundesimmobiliengesellschaft BIG, nun gehen sie an Private"
Wien (grüne) -
Infrastruktursprecherin Gabriela Moser erhebt schwere Vorwürfe gegen Ex-Finanzminister Karl Heinz Grasser. Dieser haben "den Staat ausgeplündert und Private bedient", was alleine bei den Mieteinnahmen des Bundes zu einem jährlichen Schaden von 20 Mio. Euro geführt habe. Moser forderte am Donnerstag Finanzminister Josef Pröll (V) und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (V) auf, das "System Grasser" endlich zu beenden.

Laut Moser hat Grasser, noch in seiner Zeit als FPÖ-Minister, "ein Geflecht von Spezis, Freunderln und Profiteuren der blauen Immobilienpolitik aufgebaut, die einen Millionenschaden für die Republik Österreich verursacht haben". Denn Grasser habe Bundesinstitutionen wie etwa das Handelsgericht nicht bei der Republik eingemietet, sondern gegen teures Geld bei privaten Investoren, wobei immer wieder der Name von Freund und Geschäftspartner Ernst Karl Plech auftauche. "Früher gingen die Mieteinnahmen an die Bundesimmobiliengesellschaft BIG, nun gehen sie an Private", so das Resümee von Moser. So sei bei der Übersiedelung von Finanzämtern in die Finanz-City in Wien Mitte die BIG nicht einmal angefragt worden.

Moser verwies vor Journalisten auf die Aussage von Ex-Rechnungshofpräsident Franz Fiedler, wonach Grasser in seiner Amtszeit als Finanzminister in der ÖVP-FPÖ/BZÖ-Regierung an die Grenzen des Legalen gegangen sei, vielleicht sogar darüber hinaus. Die Grüne wollen nun mit einer parlamentarischen Anfrage und der Einschaltung des Rechnungshofes mehr Licht in die Causa bringen, denn aus dem Büro von Finanzminister Pröll sei bisher nur sehr wenig zu erfahren gewesen, so Moser.
 

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