Ausstellung: "Verhaftet. Verurteilt. Davongekommen"   

erstellt am
15  02. 10

Wien (rk) - Für die strafrechtliche Verfolgung von Nationalsozialisten und deren Verbrechen wurde 1945 ein eigener Gerichtstyp, das Volksgericht, errichtet. Angestrebtes Ziel war eine raschere Verfahrensabwicklung als bei herkömmlichen Strafverfahren, möglichst viele Verbrechen sollten in möglichst kurzer Zeit geahndet werdet.

Verfahren vor dem Volksgericht Wien (1945 bis 1955)
Die Gerichtsverfahren dienten zwar der Rechtsprechung, jedoch nicht immer der (auch aus heutiger Sicht) erhofften Wahrheitsfindung. Die Nachhaltigkeit der Urteile war daher auch dementsprechend gering. Dennoch, die Justiz wickelte 1945 bis 1955 alleine in Wien immerhin 52.601 Verfahren ab, 25 Todesurteile wurden vollstreckt. Die in den Gerichtsspalten der Zeitungen dokumentierten Verbrechen und Urteile gerieten in der versöhnlichen Phase des Wiederaufbaus jedoch in Vergessenheit. War 1945 noch der echte Wille vorhanden, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen, ging ab 1948 die Zahl der Verurteilungen stark zurück. Bis Ende Jänner 1949 waren über 91 Prozent aller Schuldsprüche gefallen, viele der folgenden Verfahrenseinstellungen drangen nicht an die Öffentlichkeit. Jedoch erst der Abschluss des Staatsvertrages im Jahre 1955 öffnete den Weg zur Abschaffung der nun schon von vielen als entbehrlich eingestuften Volksgerichte.

Plötzlich "unpolitisch"?
Gemäß der Tatsache, dass politische Funktionsträger des Nationalsozialismus zur Verantwortung gezogen werden sollten, wimmelte es in Wien plötzlich nur so von Angeklagten, denen die eigene Haut näher war als ihre ehemalige (?) politische Überzeugung und die sich nun laut Eigendefinition als völlig "unpolitische" Personen bezeichneten, die, 1938 von der Situation überrascht, "nicht anders konnten". So beispielsweise auch ein Wiener Gestapobeamter, der als Leiter eines Wiener "Arbeits- und Erziehungslagers", in dem Personen zu Tode gequält wurden, bei seiner Einvernahme keine Verantwortung übernehmen wollte: "Ich gehörte nie einer politischen Partei an. Auch war ich um es gleich vorweg zu nehmen, kein illegaler Nationalsozialist bzw. SS Mann. Ich hatte überhaupt noch kein Mitgliederbuch, das Eintrittsdatum war 1.5.1938 ... Ich weiß die Nummer nicht mehr. Dies wird ja feststellbar sein. Nach der Machtergreifung der Nazi in Österreich wurde ich automatisch zur Staatspolizei kommandiert, obwohl ich kein Illegaler war. Da jedoch die Chefs von Deutschland nur österreichische Polizeibeamten wollten, die der Partei angehören mußten, hat man nun etwas geschaffen, um künstliche Nazibeamte zu machen. Darunter war auch ich einer. ... Nun was hätte ich als junger, in schlechter finanzieller Lage befindliche KRB [Kriminalbeamter] tun sollen? Haben nicht hunderte Beamte auch das gleich getan?"

Gerichtsakten im Wiener Stadt- und Landesarchiv
Vor vier Jahren übernahm das Wiener Stadt- und Landesarchiv die bis dahin im Landesgericht für Strafsachen verwahrten 170 Regalmeter an Strafakten, die nach Erschließungsarbeiten nun zur Verfügung stehen. Anhand der für die Zeitgeschichte einzigartigen Quelle lässt sich die breite Palette an Verfehlungen und Straftaten, die unter dem Deckmantel der Befehlsfolge, der Ausführung von gesetzlichen Vorschriften oder der wirtschaftlichen Zwangslage begangen wurden, nachvollziehen. Andererseits gibt sie auch Auskunft über so manches persönliche Schicksal.

Detailinformation
In der Kleinausstellung werden Gerichtsakten des Volksgerichts Wien erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Deren Bedeutung als zeitgeschichtliche Quelle für die Stadtgeschichte kann anhand von Wiener Beispiele gezeigt werden und soll zur weiteren Forschung animieren. Die Ausstellung ist vom 11. Februar bis 28. Mai 2010 im Foyer des Wiener Stadt- und Landesarchivs zu den Öffnungszeiten des Archivs zu besuchen. Der Eintritt ist kostenlos, ein Katalog zur Ausstellung liegt zur freien Entnahme auf.
     
Informationen: http://www.archiv.wien.at/    
     
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