Mehr Demokratie durch den Vertrag von Lissabon   

erstellt am
16  02. 10

Klubobmänner Josef Cap und Karlheinz Kopf legen Entwurf zur Änderung der Bundesverfassung vor
Wien (sk/övp-pk) - Am 15.02. legten die Klubobmänner von SPÖ und ÖVP, Josef Cap und Karlheinz Kopf, einen gemeinsamen Entwurf zur Änderung der Bundesverfassung vor, mit dem die Stärkung der nationalen Parlamente - wie im Vertrag von Lissabon vorgesehen - umgesetzt wird. "Mit dem Vertrag von Lissabon werden die nationalen Parlamente besser in den europäischen Gesetzgebungsprozess eingebunden. Unser Ziel war es daher, einen Gesetzesvorschlag zu erarbeiten, der die neuen Möglichkeiten bestmöglich nützt, um so zu einer Demokratisierung der Europäischen Union beizutragen", erläuterte Cap. ÖVP-Klubobmann Kopf betonte: "Der Entwurf verankert die Informationsrechte des Parlaments in der Verfassung. Durch das Instrument der Subsidiaritätsrüge und Subsidiaritätsklage wird Sorge getragen, dass die zwischen den Mitgliedsstaaten und der Union geteilten Kompetenzen genau eingehalten werden. Ich begrüße es, dass es gelungen ist, einen umfassenden Entwurf zur Stärkung der Demokratie vorzulegen."

Der Vertrag von Lissabon macht eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes zweckmäßig, wozu nun ein gemeinsamer Entwurf der Regierungsparteien vorliegt. In einem neuen Artikel 23f wird darin festgehalten, dass die Wahrnehmung der Rechte durch den Vertrag von Lissabon Zuständigkeit von Nationalrat und Bundesrat ist.

Daher werden auch die Informationsrechte des Parlaments weiter ausgebaut und in der Verfassung verankert: Dazu hat jeder Bundesminister am Beginn eines Kalenderjahres dem Parlament einen EU-Vorhabensbericht inklusive der Darstellung der österreichischen Position zu übermitteln. "Diese Berichte tragen zur besseren Information der Abgeordneten und der Öffentlichkeit bei. Damit wird eine bereits bewährte parlamentarische Praxis auf eine ausdrückliche rechtliche Grundlage gestellt", so Karlheinz Kopf. "Die Landtage werden erstmals ausdrücklich in diesen Informationsfluss mit eingebunden und die Aufgaben des Bundesrates wesentlich ausgebaut."

"Ein wesentliches Prinzip der Europäischen Union ist das der Subsidiarität", erläuterte SPÖ-Klubobmann Cap weiter. "Subsidiarität bedeutet, dass die EU nur dort tätig wird, wo ein gemeinsames Vorgehen sinnvoll ist, um einen "europäischen Mehrwert" zu verwirklichen. Die Union soll in die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten nicht unnötig eingreifen." Zur Umsetzung dieses Prinzips werden zwei neue Instrumente in der Verfassung verankert - die Subsidiaritätsrüge und die Subsidiaritätsklage. Die Subsidiaritätsrüge wirkt vor dem Beschluss einer Gesetzesmaterie auf europäischer Ebene. Dazu sind alle Entwürfe von EU-Gesetzgebungsakten den nationalen Parlamenten zu übermitteln. Diese haben nun das Recht, innerhalb von acht Wochen mit einer Subsidiaritätsrüge der Kommission die "gelbe Karte" zu zeigen, wenn die vorgeschlagene EU-Regelung zu weit geht und dadurch das Subsidiaritätsprinzip verletzt. Diese Rüge kann - sofern genügend nationale Parlamente anderer EU-Mitglieder ebenfalls eine Rüge aussprechen - sogar dazu führen, dass die Kommission ihren Gesetzgebungsvorschlag nicht mehr weiter verfolgen kann. Eine Subsidiaritätsklage wiederum bezieht sich auf bereits beschlossene Gesetzgebungsakte der EU. Hier kann jedes einzelne Parlament eines Mitgliedstaates innerhalb von zwei Monaten nach Beschluss Klage beim Europäischen Gerichtshof erheben.

Im neuen Artikel 23i der österreichischen Bundesverfassung wird für die im Vertrag von Lissabon vorgesehene so genannte Brückenklausel ("Passerelle") Vorsorge getroffen. Hierbei kann es aufgrund eines einstimmigen Beschlusses des Europäischen Rates unter gewissen vertraglich genau festgelegten Bedingungen zu einem Übergang vom Einstimmigkeitsprinzip zur qualifizierten Mehrheit kommen. Um die Einbindung der nationalen Parlamente bei diesem Schritt sicher zu stellen, ist vorgesehen, dass der Nationalrat mit Zustimmung des Bundesrates einem entsprechenden Antrag der Bundesregierung mit Zwei-Drittel-Mehrheit ausdrücklich und bereits im Vorhinein zustimmen muss. "Hiermit wurde ein ganz wesentliches Element der parlamentarischen Mitbestimmung geschaffen. In diesen Fällen kann vom Einstimmigkeitsprinzip nur abgegangen werden, wenn eine Genehmigung von Nationalrat und Bundesrat vorliegt", betonte ÖVP-Klubobmann Kopf. Auch nach der Beschlussfassung kann vom Parlament noch innerhalb von sechs Monaten ein Einspruch erhoben werden.

"Mit der Subsidiaritätsrüge und -klage, der Informationspflicht des Parlaments und der Ausgestaltung der Brückenklausel ist die direkte Mitwirkung des österreichischen Parlaments am europäischen Gesetzgebungsprozess sichergestellt. Wir werden nun Gespräche mit den Oppositionsparteien aufnehmen und sind optimistisch, dass hier rasch eine Einigung erzielt werden kann", betonten die Klubobmänner abschließend.
     
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