Armut, in Zahlen gefasst   

erstellt am
23  02. 10

Ein Forschungsteam der Technischen Universität (TU) Wien entwickelt Methoden, um Statistiken zur Armut in der EU verlässlicher und verständlicher zu machen.
Wien (tu) - Die Europäische Union (EU) hat das Jahr 2010 zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung erklärt. Die Armut in Zahlen zu fassen ist jedoch kein einfaches Unterfangen. Ein Forschungsteam der TU Wien arbeitet seit zwei Jahren in europaweiten Kooperationen an der statistischen Erfassung von Armut. "Hinter einem Armutsindikator, der eigentlich nur eine Zahl ist, steht eine Fülle von Einzeldaten, Fehlerquellen und statistischer Bearbeitung", weiß Matthias Templ vom Institut für Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie. Bei einer Konferenz von 24. bis 26. Februar, die Templ an der TU Wien organisiert, diskutieren internationale ExpertInnen die neusten Entwicklungen zu Datenerhebungsmethoden und zur Schätzung von Armutsindikatoren.

Kritischer Umgang mit Daten
Alljährlich werden in der gesamten EU pro Land an die 15.000 BürgerInnen zu ihrer Lebenssituation befragt, das legt eine EU-Richtlinie fest. Die Art, wie diese Daten erhoben und weiterverarbeitet werden, ist entscheidend dafür, wie aussagekräftig eine Armutsstatistik überhaupt sein kann. "Oft fehlen wichtige Daten, weil Antworten verweigert werden, die müssen wir dann möglichst sinnvoll mit statistischen Methoden schätzen. Oder es werden gar offensichtlich falsche Antworten gegeben", erklärt Statistiker Templ. Weil besonders für die Arbeit mit kleinräumigen Regionen der Datensatz manchmal zu klein ist, müssen Templ und sein Team zusätzliche Information durch komplexe Modelle einfließen lassen, um aussagekräftige Schätzungen der Armut zu ermöglichen. Die Entwicklung der für all das benötigten Techniken und deren Evaluierung durch Computersimulationen ist das zentrale Forschungsfeld des TU-Statistikteams.

Simulationsumgebung entwickelt
Computersimulationen haben heute auch in der Statistik eine große Bedeutung. Die TU-Statistikerinnen und Statistiker haben ihre eigene Simulationsumgebung entwickelt, die Software mit Namen "R". Seit 1995 wird an dieser frei verfügbaren Open-Source-Software gearbeitet. "Open Source heißt, dass im Prinzip jeder mitprogrammieren kann, deshalb werden neue statistische Techniken schnell implementiert, und die Nutzung der Software ist zudem kostenlos", erklärt Templ. Heute wird "R" bereits weltweit genutzt. Seit 1996, also schon seit den frühen Anfängen, gehören auch Forschende der TU Wien und der Wirtschaftsuniversität Wien zum Kernentwicklungsteam. Und auch die EU-Kommission schätzt "R" mittlerweile als Statistikwerkzeug.

Verständliche Darstellung wichtig
Ein weiteres Gebiet, auf dem Templ und seine KollegInnen forschen, ist die visuelle Darstellung statistischer Daten. "Oft sind Grafiken, die auf Statistiken beruhen, für Nicht-Statistiker nur schwer zu verstehen", weiß er. Besonders EntscheidungsträgerInnen in der Politik sind aber auf die Verständlichkeit von Datengrafiken angewiesen. Templ: "Deshalb arbeiten wir auch an der Entwicklung von neuen Visualisierungsmethoden und an anderen Möglichkeiten, die statistische Informationen in auch für Laien verständlicher Form zu präsentieren."

Enge Kontakte zur Praxis
Neben seiner Arbeit an der TU Wien hat Templ auch eine Stelle bei der Bundesbehörde Statistik Austria. Templ betont die Besonderheit dieser Situation: "Durch unsere engen Kontakte haben wir Zugang zu hochqualitativen statistischen Daten und können so sehr effizient arbeiten." Auch mit Eurostat, der Statistikbehörde der Europäischen Kommission, arbeitet Templ intensiv zusammen. Im Zuge des 7. EU-Rahmenprogrammes für Forschung der Europäischen Kommission haben er und sein Team bereits weitere neue Projekte zum Thema Statistikforschung und Armut eingereicht.
     
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