ORF-Gesetz soll umfassend novelliert werden   

erstellt am
03  03. 10

Gesetzesvorlage im Parlament
Wien (pk) - Die Regierung schlägt in Form eines umfangreichen Gesetzespakets eine Änderung des ORF-Gesetzes und weiterer Mediengesetze sowie begleitende Verfassungsänderungen vor. Unter anderem will sie den öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF präzisieren und dessen Finanzierung EU-konform gestalten, eine unabhängige Medienbehörde einrichten, Web-TV und Video-Abrufdienste in das Privatfernsehgesetz integrieren, gesetzliche Grundlagen für digitales terrestrisches Radio schaffen und einige noch offene Punkte der EU-Mediendiensterichtlinie in den einschlägigen Gesetzen berücksichtigen. Auch das Recht auf Kurzberichterstattung über von einem Sender exklusiv ausgestrahlte Sport- und andere Übertragungen soll adaptiert werden.

Konkret sieht der Gesetzentwurf der Regierung vor, die derzeit beim Bundeskanzleramt eingerichtete KommAustria in eine unabhängige Regulierungsbehörde für den Rundfunkbereich umzuwandeln und ihr gleichzeitig zusätzliche Aufgaben zu übertragen. So soll sie künftig etwa neben den bisherigen Regulierungsaufgaben auch für die Rechtsaufsicht über den ORF und die Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Fernseh-Exklusivrechtegesetz zuständig sein. Auch die Vergabe der Mittel nach dem Presseförderungsgesetz und dem Publizistikförderungsgesetz werden in ihre Agenden fallen. Die fünf Mitglieder der KommAustria – ein Vorsitzender, ein Stellvertreter und drei weitere Mitglieder – sollen vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Regierung für die Dauer von sechs Jahren bestellt werden. Entscheidungen sollen grundsätzlich in Dreier-Senaten erfolgen, in bestimmten Angelegenheiten sind aber auch Einzel-Entscheidungen vorgesehen. Zweite Instanz bleibt der Bundeskommunikationssenat.

Im ORF-Gesetz ist unter anderem geplant, die Bestimmungen über die Produktplatzierung (product placement) neu zu regeln und den öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF im Bereich der Online-Dienste und der Spartenprogramme neu zu formulieren. In diesem Zusammenhang wird der ORF etwa zur Einführung eines Qualitätssicherungssystems verpflichtet. Außerdem erhält er den dezidierten gesetzlichen Auftrag, ein begleitendes Online-Angebot bereitzustellen und – nach Maßgabe der wirtschaftlichen Tragbarkeit – ein eigenes Sport-Spartenprogramm und ein eigenes Informations- und Kultur-Spartenprogramm auszustrahlen. Anzeigenportale, Branchenverzeichnisse, Kontakt- und Tauschbörsen, Business-Networks, Erotikangebote, Glücksspiele, Wetten und viele weitere Online-Angebote bleiben dem ORF hingegen ausdrücklich untersagt.

Um unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, ist künftig ein Vorprüfungsverfahren für neue ORF-Angebote vorgesehen. Dabei soll der öffentlich-rechtliche "Mehrwert" der geplanten neuen Angebote, etwa neuer Spartenprogramme oder neuer Online-Dienste, unter die Lupe genommen werden. Zuständig für die so genannte "Auftragsvorprüfung" soll die KommAustria sein, die Bundeswettbewerbsbehörde kann Stellungnahmen abgeben.

Durch weitere gesetzliche Adaptierungen soll außerdem sichergestellt werden, dass der ORF Einnahmen aus Programmentgelten ausschließlich zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags heranzieht. Um eine gewisse Flexibilität zu gewährleisten, sind dabei in beschränktem Ausmaß Rücklagenbildungen möglich. Gleichzeitig wird die Kontrolle der wirtschaftlichen Gebarung des ORF verstärkt. Spezialbestimmungen wie das Verbot des Erwerbs von Senderechten zu überhöhten Preisen sollen gewährleisten, dass dem öffentlich-rechtlichen Auftrag gewidmete Mittel nicht wettbewerbsverzerrend eingesetzt werden.

Die dem ORF entgehenden Programmentgelte durch Gebührenbefreiungen will die Regierung dem ORF in den nächsten vier Jahren zumindest teilweise abgelten, und zwar in den Jahren 2010 und 2011 mit je 50 Mio. € und in den Jahren 2012 und 2013 mit je 30 Mio. €. Voraussetzung dafür sind allerdings der Fortführung des Film-Fernsehabkommens, der Fortbestand des Radiosymphonieorchesters (RSO), der kontinuierliche Ausbau des Anteils österreichspezifischer Fernsehfilme, -serien und -dokumentationen in Form von Eigen-, Ko- und Auftragsproduktionen am Gesamtprogramm, die verstärkte Ausstrahlung barrierefrei zugänglicher Sendungen sowie ein striktes Sparprogramm des ORF zur Reduzierung von Strukturkosten. Außerdem muss der ORF im Jahr 2011 – nach erfolgter "Auftragsvorprüfung" – das Informations- und Kulturspartenprogramm starten.

In das ORF-Gesetz aufgenommen wird auch eine Reihe von Verpflichtungen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern. Dazu zählt etwa die Ausarbeitung eines Gleichstellungsplans und der vorübergehende Vorrang von Frauen beim beruflichen Aufstieg und bei der Aus- und Weiterbildung. Außerdem wird eine ausgewogene Vertretung beider Geschlechter in Organen und Gremien des ORF eingemahnt.

Zusätzliche Mittel soll aber nicht nur der ORF erhalten, auch für Privatsender ist eine Aufstockung der Fördermittel vorgesehen. So wird die Dotierung des Fonds zur Förderung von privaten Rundfunk-Sendern bis 2013 stufenweise von 5 auf 15 Mio. € angehoben. Die Fördermittel für nichtkommerziellen Rundfunk steigen im gleichen Zeitraum schrittweise von einer auf drei Mio. €.

Weitere Punkte des Gesetzespakets betreffen die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen für die Vergabe und die Zulassung von Multiplex-Plattformen für digitalen terrestrischen Hörfunk und die Streichung der auf analoges Fernsehen abgestimmten Bestimmungen im Privatfernsehgesetz. Das Privatfernsehgesetz umfasst künftig außerdem auch andere audiovisuelle Mediendienste wie Web-TV und Abrufdienste (Video-on-Demand) und wird in diesem Sinn in "Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz" umbenannt. Für einen Beschluss des Gesetzespakets ist eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat erforderlich.
     
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