Jedermanns Thron …   

erstellt am
10  03. 10

… wohin selbst der Kaiser zu Fuß ging! – Sonderausstellung 2010 auf Schloss Artstetten
Artstetten( schloss artstetten) - Jeder von uns besucht sie mehrmals täglich und verbringt notwendigerweise mehr oder weniger Zeit - auf der Toilette. Vielleicht haben Sie bei der längeren oder kürzeren Sitzung "auf jedermanns Thron" auch schon darüber sinniert, ob die Erfindung des Wasserklosetts wirklich die des Engländers Sir John Harrington im 16. Jahrhundert ist - oder gab es nicht schon vor Beginn unserer Zeitrechnung ähnliches? Wie sah das Plumpsklo mit Herz wirklich aus? Seit wann gibt es Toilettenpapier, so wie wir es kennen? Wie veränderte sich die Einstellung der Gesellschaft zur Verrichtung der Notdurft im Laufe der Jahrhunderte? Denn: Am Hof Ludwigs XIV galt es als besonderes Privileg, bei der königlichen Sitzung am Nachttopf zugegen zu sein. Die Römer hegten eine besondere Vorliebe dafür, sich in Gesellschaft mit Muße zu erleichtern und dabei über Geschäfte (!) zu sprechen - in Gemeinschaftsvitrinen (die übrigens bis ins 19. Jahrhundert gebräuchlich waren) mit bis zu 25 Marmorsitzen…

Unzählige - und zum Teil für heutige Zeiten kuriose - Leihgaben des Wiener Sanitärmuseums sowie privater Leihgeber und der Laufen Austria AG veranschaulichen die Geschichte und Entwicklung des Klosetts, in deren Mittelpunkt lange Zeit das Plumpsklo stand, bevor es - zumindest in unseren Breiten - vom Klosett mit Wasserspülung verdrängt wurde.

Die ältesten Zeugnisse sanitärtechnischer Einrichtungen finden sich in Mesopotamien und Ägypten, auf der Insel Kreta, in Asien und in den Städten der griechischen und römischen Antike. Bereits hier beweist das Sprichwort "Je mehr Kloaken, umso gesünder ist die Stadt" seine Richtigkeit.

Die Indus-Kultur gilt als die früheste städtische Zivilisation, die sich zwischen 5000 und 3000 v. Chr. auf dem Gebiet des heutigen Pakistan und Indien im Tal des Indus entwickelte. In der Zeit um 2000 v. Chr. besaßen alle (!) Häuser mindestens (!) einen mit Ziegeln gepflasterten Raum mit erhöhten Rändern, Abflussrinnen und Ausgussöffnungen, die ihn als Badezimmer kenntlich machten. In einigen von ihnen fand man auch ein Sitzklosett: zwei kleine, niedrige Mauern in Kniehöhe mit einem Schlitz dazwischen, durch den die Ausscheidungen direkt in den Ausguss des Waschplatzes fielen und mit dem gebrauchten Badewasser weggespült wurden

Seit dem Mittelalter benutzte man für das räumlich abgeschlossene Klo z.T. romantisierende Begriffe wie Heymelich Gemach, Retirade oder Appartement. Das Wort Toilette stammt vom französischen Wort toîle = Tuch ab, das man als Sichtschutz verwendete und diskret über den Nachttopf legte. Auch das heute benutzte Wort Klo oder Klosett weist auf diesen Umstand hin: Es wird vom englischen "Closed" abgeleitet, das auf einen umschlossenen, verborgenen Raum hinweist.

Die Zeitspanne vom Mittelalter bis heute ist durch einen deutlichen Wechsel der Hygiene-gewohnheiten und der Sanitärtechnik gekennzeichnet. Dabei sind starke Unterschiede zwischen den sozialen Schichten, aber auch zwischen Stadt und Land zu beobachten.

Auf dem Land ging man noch im 20. Jahrhundert auf ein einfaches Plumpsklo, benutzte im Haus den Nachttopf oder den bequemeren Nacht- oder Leibstuhl, während sich in den Städten und in vornehmen Kreisen schon längst das Wasserklosett durchgesetzt hatte.

Im Zeitablauf war der Ort "des täglichen Geschäfts" sehr wechselhaft: Es begann draußen in der freien Natur (Donnerbalken), verlagerte sich in das Haus und in die Wohnung (Nachttopf, Sitzklo, Aborterker) und kehrte schließlich nach Außen zurück (öffentliche Latrinen und Plumpsklos), bevor die Toilette mit dem wassergespülten Klosett wieder den Weg ins Haus zurückfand. Jedoch verlief diese Entwicklung nicht geradlinig: Kulturell fortgeschrittene Völker mit hohem technischen Standard und betuchte Bürger konnten sich eine bequeme und geruchsfreie Verrichtung der Notdurft im Hause eher leisten als arme und mittellose Städter und die Landbevölkerung.

Obwohl sich die Anfänge des Wasserklosetts in der Neuzeit bis in die Renaissance zu ersten Handskizzen von Leonardo da Vinci zurückverfolgen lassen, setzte sich das WC in moderner Technik erst seit Ende des 19. Jahrhunderts in den Städten durch. In der Fachsprache wird das Wasserklosett schlicht als technischer Apparat zur geruchsfreien Beseitigung der Fäkalien bezeichnet.

Toilettenpapier wurde bereits im 14. Jahrhundert in China produziert, kam in Europa aber erst etwa im 17. Jahrhundert auf. Die Selbstverständlichkeit, jederzeit ein Stückchen Papier zur Verfügung zu haben, trug ebenfalls dazu bei, dass das Schmutzige zunehmend tabuisiert wurde; zuerst in den höheren Schichten, danach in fast allen sozialen Kreisen.

Um 1880 wurde in Deutschland das erste Toilettenpapier industriell hergestellt, damals noch einfaches Papier in einzelnen Abschnitten, so wie es heute noch in Frankreich üblich ist.

Erst nach 1900, etwa zeitgleich mit der flächendeckenden Einführung des Wasserklosetts, war Toilettenpapier zu einem Artikel für den täglichen Gebrauch geworden.

1928 gründete Hans Klenk (Hakle) die erste Toiletten-Rollen-Papierfabrik Deutschlands: Eine Rolle bestand damals aus 1.000 Blatt rauem Krepppapier! Erst in den späten 1950ern kam das komfortablere, mehr lagige WC-Papier (mit rund 150 Blatt!) auf den Markt.

Für das einfache Plumpsklo begnügte man sich noch lange Zeit mit geschnittenem Zeitungspapier, das man in handlichen Abmessungen auf einen Haken an der Wand spießte. Die Crux dabei war nur, dass man die Fortsetzung des Artikels oft nicht mehr finden konnte, da sie der Vorgänger schon verbraucht hatte...

Wie hoch der durchschnittliche Jahresverbrauch weltweit ist? 100 Rollen je Einwohner sagen die Einen, ca. 50 sagen die Anderen. Einig sind sich jedoch beide Lager in der Beurteilung, dass Schweden der bessere Absatzmarkt und Spanien der schlechteste Absatzmarkt in Europa (weil sehr geringer Verbrauch) wäre.

"Jedermanns Thron" ist im Rahmen der Dauerausstellung
"Für Herz & Krone" im Erzherzog Franz Ferdinand-Museum
vom 1. April bis 1. November 2010
täglich von 9 bis 17.30 Uhr zu besichtigen.

Schloss Artstetten
Schlossplatz 1
3661 Artstetten-Pöbring
     
Informationen: http://www.schloss-artstetten.at    
     
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