Going for Growth 2010   

erstellt am
10  03. 10

Berlin (oedc) - Die OECD-Länder unterlagen einer Finanzkrise, die zur schwersten Rezession seit der Großen Depression geführt hat. Regierungen und Zentralbanken trafen umgehend umfassende Vorkehrungen um das Finanzsystem zu retten, und zahlreiche politische Maßnahmen wurden getroffen, die insgesamt den Weg für einen schrittweisen Wiederaufschwung geebnet haben.

Da sich der Markt wieder erholt, muss erneut beurteilt werden, ob die aufgrund der Krise getroffenen Maßnahmen das nachhaltige Wachstum weiter fördern werden. Im Vorjahresbericht wurden Strategien zur Unterstützung der kurzfristigen Nachfrage genannt, die gleichzeitig helfen sollten, ein robustes langfristiges Wachstum sicherzustellen. Das Einführungskapitel ("Auf die Krise reagieren", Kapitel 1) prüft eingehend die derzeitigen politischen Maßnahmen in allen OECD-Ländern. Drei wesentliche Maßnahmen heben sich hervor:

  • Die OECD-Länder haben bislang die wichtigsten politischen Fehler von manchen vergangenen Krisen vermieden wie strenge protektionistische Maßnahmen oder eine schädliche Arbeitsmarktpolitik wie Vorruhestandsregelungen. Es wurden andere Maßnahmen ergriffen, die dabei helfen werden, die langfristigen negativen Auswirkungen der Krise auf Lebensstandard und Wohlstand zu reduzieren z.B. in den Bereichen Forschung & Entwicklung, Infrastruktur, Lohnnebenkosten und Arbeitsmarktpolitik.
  • Trotz der Besserung bleiben bedeutende Risiken. Aufgrund der voraussichtlich für einige Zeit hoch bleibenden Arbeitslosigkeit werden Regierungen gezwungen sein, Arbeitsmarktmaßnahmen beizubehalten oder zu treffen, die, sofern sie greifen, die Arbeit verringern könnten. Desgleichen könnte die dringend benötigte Konsolidierung der Staatshaushalte das langfristige Einkommen je nach Größe und Zusammensetzung der Steuer- und Ausgabenanpassung beeinträchtigen.
  • Die Notwendigkeit von Strukturreformen wurde durch die Krise noch verschärft. Das gilt insbesondere für die Notwendigkeit, die Finanzregulierung umzugestalten. Reformen werden aber auch in anderen Bereichen benötigt, wie dem Arbeits- und Produktmarkt, wo sie den Aufschwung beschleunigen könnten, den Staatshaushalten dergestalt bei der Konsolidierung helfen könnten, dass ein langfristiges Wachstum gewährleistet wird, und in manchen Fällen zur Reduzierung des Leistungsbilanzdefizits beitragen könnten. Vor dem Hintergrund des Reformbedarfs infolge der Krise beurteilt die Reformübersicht (Kapitel 2) den Fortschritt, den jedes Land in den letzten fünf Jahren auf einer Reihe von strukturpolitischen Gebieten erzielt hat, in denen Regierungsmaßnahmen das langfristige Wachstum fördern könnten. Die Ländernoten (Kapitel 3) in der diesjährigen Ausgabe enthalten auch Prioritäten, die während des Aufschwungs am meisten erforderlich erscheinen. Trotz des Ausmaßes und der Dauer der Krise haben sich die Unterschiede im Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt nicht sehr verändert und erklären sich bis zu einem gewissen Grad aus strukturpolitischen Faktoren, welche die Grundlage für die Identifizierung von strukturpolitischen Prioritäten in Going for Growth bilden. Die von 2005 bis 2009 durchgeführte Bestandsaufnahme ergab folgende Reformmuster:
  • Seit 2005 folgen die OECD-Länder den politischen Prioritäten von Going for Growth. Zwei Drittel von ihnen haben jedes Jahr in mindestens einem der wichtigsten Bereiche gesetzliche Maßnahmen getroffen.
  • Gleichzeitig waren die Reformen in ihrer Art eher inkremental als radikal und die meisten waren nicht ehrgeizig genug, um eine Aufhebung der entsprechenden Prioritäten von Going for Growth zu rechtfertigen. Zudem scheint sich das Tempo von Strukturreformen in der jüngsten Zeit verlangsamt zu haben.
  • Was die Geografie, die Größe und den Einkommensstand betrifft, bestehen große Unterschiede zwischen den Ländern, die seit 2005 in Strukturreformen am aktivsten waren, obwohl die meisten von ihnen kleine OECDLänder sind.
  • Erfahrungen mit vergangenen Reformen, die in diesem Kapitel untersucht werden, bestätigen, dass sie leichter zu unternehmen sind, wenn sie nur Nutzen nach sich ziehen und wenige oder keine kurzfristigen Kosten, und schwerer durchzuführen, wenn sie den kurzfristigen Interessen von spezifischen Gruppen wie Investoren, Landwirten oder Arbeitsmarkt-"Insidern" schaden könnten.


Die Aspekte von Going for Growth enthalten auch spezielle aktuelle Kapitel bezüglich intergenerationeller Mobilität, aufsichtsrechtlichen Vorschriften und Bankenwettbewerb sowie die Anwendung der Going-for-Growth- Methode in Brasilien, China, Indien, Indonesien und Südafrika.

Das Kapitel über die intergenerationelle Mobilität ("Eine Familienangelegenheit", Kapitel 5) untersucht, auf welche Weise politische Reformen Hindernisse für die soziale Mobilität beseitigen und damit die Chancengleichheit unter Personen erhöhen können. Solche Reformen können die Gleichheit stärken und das Wirtschaftswachstum beschleunigen, wenn Personal auf die bestmögliche Weise eingesetzt wird. Die nachfolgenden Schlussfolgerungen stammen aus der Analyse von jüngeren länderüberschreitenden Vorlagen zu intergenerationeller Mobilität und ihrer Beziehung zur öffentlichen Politik.

  • Der elterliche, soziale und wirtschaftliche Hintergrund beeinflusst die Erziehung, das Einkommen und die Löhne der Nachfahren in praktisch allen Ländern, in denen Nachweise verfügbar sind. Allerdings sind die länderüberschreitenden Unterschiede beträchtlich. Die Einkommensmobilität von Vätern und Söhnen ist in Frankreich, Italien, Großbritannien und den Vereinigten Staaten besonders niedrig, während die Mobilität in den nordischen Ländern, Australien und Kanada höher ist.
  • Das maßgebliche Lohnniveau verbunden mit dem Aufwachsen in einer gebildeteren Familie und die entsprechende Benachteiligung durch das Aufwachsen in einer weniger gebildeten Familie schwankt auch zwischen europäischen OECD-Ländern. Sie sind in südeuropäischen Ländern und in Großbritannien besonders groß.
  • Der Einfluss der sozialen und wirtschaftlichen Stellung der Eltern auf den Erfolg von Schülern der Sekundarstufe ist in Belgien, Frankreich und den Vereinigten Staaten besonders groß, während er in manchen nordischen Ländern sowie in Kanada und Korea geringer ist.
  • Ungleichheiten in der Sekundarschulbildung führen vermutlich zu Ungleichheiten in der Hochschulbildung und den nachfolgenden Gehaltsunterschieden. Bildungspolitik wie die frühkindliche Erziehung und die soziale Mischung in Schulen oder das Vermeiden von früher Differenzierung spielen bei der Erklärung von beobachteten Unterschieden in intergenerationeller Mobilität zwischen den Ländern eine Schlüsselrolle. Auch eine umverteilende und das Einkommen sichernde Politik hängt mit einer größeren intergenerationellen Mobilität zusammen. Das Kapitel über aufsichtsrechtliche Vorschriften und Bankenwettbewerb ("Abhilfe schaffen", Kapitel 6) erforscht die Existenz möglicher Kompromisse zwischen Stabilität und Wettbewerb im Finanzsektor. Die jüngste Finanzkrise hat die Bedeutung der Stabilität im Bankensektor illustriert, wobei potentielle Wettbewerbsgewinne positive Faktoren sind. In den jüngsten Vorschlägen und Maßnahmen zur Stärkung der Aufsicht muss die Aufmerksamkeit nicht nur auf die Stabilität gelenkt werden, sondern auch auf die Erhaltung der bestehenden Gewinne aus dem Finanzmarktwettbewerb. Nachfolgend die wichtigsten Ergebnisse: o Die Beziehungen zwischen Aufsichtsindikatoren und Maßnahmen des Bankenwettbewerbs weisen nicht darauf hin, dass aufsichtsrechtliche Vorschriften eine nachteilige Wirkung auf die Wettbewerbsstärke hat. Somit muss es nicht unbedingt einen Abtausch zwischen der Stabilität des Finanzsektors und Wettbewerbszielen geben.
  • Manche Bereiche der Aufsicht, insbesondere die Stärke der Bankenaufsicht, wurden sogar mit mehr Bankenwettbewerb in Verbindung gebracht, wahrscheinlich, weil eine starke Aufsicht dabei hilft, das Spielfeld zwischen den Wettbewerbern zu ebnen.
  • Nur in ein paar spezifischen Bereichen wie Einfuhr- und Eigentumsbeschränkungen scheinen Maßnahmen zur Stärkung der Aufsicht den Wettbewerb zu schwächen.
  • Die Wirkung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften auf den Bankenwettbewerb scheint von der Intensität der Aufsicht abzuhängen. So scheint es zum Beispiel, dass strenge Kontrolleure die wettbewerbsfeindliche Wirkung von strikten Einfuhr- und Eigentumsvorschriften mildern.
  • Das Schlusskapitel (Kapitel 7) wendet den Rahmen von Going for Growth der OECD auf Brasilien, China, Indien, Indonesien und Südafrika - hier zusammen als "BIICS" bezeichnet - an, welche die wirtschaftlich stärksten Länder ihrer jeweiligen Region sind. Im Brennpunkt des Kapitels steht die Frage, wie hohe Wachstumsraten erreicht oder beibehalten werden können und dadurch der auf den OECD-Bereich bezogene Lebensstandard langfristig aufgeholt werden kann. Die Analyse des Kapitels schlägt einige gemeinsame Bereiche für Reformen in BIICS vor: o Die rasche Verbesserung beim Zugang zur Bildung hat zu Sekundarschulabschlussraten geführt, die denen der jüngeren Jahrgänge in den OECD-Ländern gleichen (in Indien weniger), was für die nächsten Jahrzehnte auf ein nachhaltiges Produktivitätswachstum hinweist. Dagegen führen viele Aspekte der Marktregulierung in BIICS zu weniger Wettbewerb verglichen mit der oberen Hälfte der OECD-Länder.
  • Der Fortbestand umfangreicher informeller Sektoren in den meisten BIICS-Ländern und der extrem niedrige Einsatz von Arbeitskräften in Südafrika rechtfertigt eine vielschichtige Strategie, wobei der Fokus auf einer Vereinfachung der Beschäftigung in formellen Sektoren liegt. Wichtige diesbezügliche politische Reformen enthalten die Verbesserung des Humankapitals und die Flexibilität des Arbeitsmarktes, eine Vereinfachung des Steuersystems sowie die Vereinfachung der beschwerlichen Marktregulierung.
  • Eigentumsrechte und Rechtsinstitutionen könnten in BIICS gestärkt werden, vor allem in China und Indonesien. Außerdem gibt es in diesen beiden Ländern sowie in Brasilien viel Spielraum für die Verbesserung des Rahmens zur Durchsetzung politischer Ziele.
  • Finanzmärkte sind in BIICS typischerweise weniger ausgeprägt als in der oberen Hälfte der OECD-Länder. Sie beziehen Finanzen weniger mit ein und spielen eine begrenzte Rolle in der Finanzvermittlung. Eine Politik zur finanziellen Vertiefung einschließlich einer verbesserten Regulierung könnte die Größe der Unternehmen, die Anhäufung von Kapital und die Produktivität steigern.


Die Anwendung des Going-for-Growth-Rahmens in BIICS ist schwieriger als in OECD-Ländern, da derzeit nicht in allen diesen Ländern das gesamte Sortiment an Politik- und Leistungsindikatoren verfügbar ist. Mit ihren bedeutenden Unterschieden gegenüber einigen OECD-Ländern steigert die Aufnahme von BIICS in Going for Growth die Heterogenität der länderweiten Abdeckung. Trotzdem illustriert die Studie die Flexibilität und Robustheit des Going-for-Growth-Rahmens, der als Teil der Integration der neuen Länder in der Studie der nachfolgenden Jahre weiterentwickelt wird.

     
Informationen: http://www.oecd.org/    
     
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