Neuronen durch Licht gesteuert   

erstellt am
10  03. 10

Heisenberg-Professor Alexander Gottschalk gehört zu den Pionieren der Optogenetik, einem neuen Forschungszweig der Neurobiologie
Frankfurt (universität) - Neuronale Netzwerke, insbesondere bei Säugetieren und Menschen, stellen die bei weitem kompliziertesten Systeme des Universums dar. Ein einzelnes der 100 Milliarden (1011) Neurone des Menschen kann mit bis zu 10.000 anderen Neuronen verschaltet sein. In seiner Gänze wird man dieses enorm komplexe System kaum verstehen können. Doch ist es möglich, die Gehirnfunktion als das Zusammenspiel zahlreicher kleiner, 'elementarer' Schaltkreise zu verstehen. Prof. Alexander Gottschalk, seit Anfang März Heisenberg-Professor an der Goethe-Universität, untersucht die Funktion elementarer Nervenschaltkreise in einem einfachen Modellsystem, dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans. In Zusammenarbeit mit der Gruppe von Prof. Ernst Bamberg am Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt hat er über gentechnische Methoden licht-aktivierbare Proteine aus Grünalgen beziehungsweise Bakterien in das Nervensystem des Wurmes 'verpflanzt'. Auf diese Weise gelang es, diese Nervenzellen durch Beleuchtung von außen zu aktivieren oder zu hemmen, so dass man Rückschlüsse auf ihre Funktionen ziehen kann.

Die Arbeiten Gottschalks haben maßgeblich zur Entwicklung eines neuen Forschungsgebiets in der Neurobiologie beigetragen, der sogenannten Optogenetik. Seine und ähnliche Ansätze zur Steuerung von Nervenzellen mit Licht werden inzwischen in zahllosen Laboren der Welt angewendet. Sie ziehen viele Studierende und begabte Nachwuchswissenschaftler an. Dabei hat das Labor von Gottschalk als erstes überhaupt die Anwendbarkeit (und Anwendung) optogenetischer Methoden in einem lebenden Tier zeigen können. C. elegans, ein mikroskopisch kleiner, durchsichtiger Fadenwurm, besitzt gerade mal 302 Nervenzellen, die durch Elektronenmikroskopie genau kartiert wurden. Obwohl der Wurm mit seinen circa 7.000 Synapsen weniger 'Verschaltungen' aufweist, als ein einzelnes menschliches Pyramidal-Neuron, findet man doch große Ähnlichkeiten zum Säuger, wenn man das Zusammenwirken der Neuronen betrachtet. So finden sich im Fadenwurm Interaktionen in Nervenzellen zur Geruchswahrnehmung, die analog zu Schaltkreisen in der Säuger- Retina funktionieren.

Die bei C. elegans erprobten Prinzipien der Nervensteuerung durch Licht könnten in absehbarer Zeit vielleicht auch beim Menschen anwendbar sein, zum Beispiel, um bei besonders starken Formen der Epilepsie oder der Parkinson'schen Krankheit Nervenzellen, die 'aus dem Ruder' laufen, mit Hilfe von Licht ruhigzustellen. "Das klingt futuristischer als es ist", versichert Gottschalk, denn bereits heute implantiere man zum gleichen Zweck Elektroden ins Hirn der Patienten - mit dem deutlichen Nachteil, dass man nicht bestimmen könne, welche Nervenzellen beeinflusst werden. Dadurch sind unerwünschte Nebeneffekten möglich. "Mithilfe der Optogenetik ließen sich ganz gezielt nur die erwünschten Neuronen ansteuern, ausserdem sind Lichtfasern viel dünner und weniger invasiv als Drahtelektroden", so Gottschalk. Weitere medizinische Anwendungen der Optogenetik stellen Versuche dar, durch Expression des Algenproteins ChR2 im Auge bestimmte Formen von Blindheit zu kurieren, bei denen die Photorezeptorzellen degenerieren (Retinitis pigmentosa). Auch elementare Mechanismen der Kommunikation zwischen Neuronen mithilfe chemischer Botenstoffe (Neurotransmitter) ähneln sich bei Fadenwurm und Säugetieren, so dass sie sich auch in C. elegans (und dort um Einiges einfacher) untersuchen lassen. Gottschalks Arbeitsgruppe kann Nervenzellen mit Licht sehr präzise und mit geringem experimentellem Aufwand stimulieren. Auf diese Weise können molekulare Defekte in der Neurotransmissionsmaschinerie der Nervenzellen von genetischen Mutanten exakt charakterisiert werden. Die Gruppe benutzt weiterhin biochemische Methoden, um Proteinkomplexe und Organellen aus dem Nervensystem des Fadenwurms zu isolieren und dabei neue Proteine zu entdecken, die für die Nervensystemfunktion bedeutsam sind.

Alexander Gottschalk hat seit dem 1. März eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Heisenbergprofessur inne. Er arbeitet am Institut für Biochemie der Goethe-Universität in Bereich 'molekulare Zellbiologie und Neurobiochemie' und ist zudem Adjunct Investigator im Exzellenzcluster Makromolekulare Komplexe. Nach einem Grundstudium der Chemie in Frankfurt (bei einigen Professoren, die heute seine Kollegen sind), führte ihn sein wissenschaftlicher Werdegang über Marburg, Edinburgh (UK) und San Diego (USA) 2004 zurück an die Goethe-Universität. Dort war er zunächst sechs Jahre lang Juniorprofessor für molekulare Membranbiologie am Institut für Biochemie. Prof. Gottschalk ist mit einer Apothekerin verheiratet, das Paar hat drei Töchter (sieben, sechs und ein Jahr/e alt).
     
Informationen: http://www.uni-frankfurt.de    
     
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