Ist der Gratis-Kindergarten bald Geschichte?  

erstellt am
26  03. 10

Mödlhammer: Gratiskindergarten bringt uns Gemeinden in Probleme
Wien (gemeindebund) - Der steirische Landeshauptmann Franz Voves machte den Anfang und will dieses Angebot angesichts leerer Kassen überdenken. Auch Gemeindebund-Präsident Mödlhammer sagt: "Wer es sich leisten kann, sollte auch für den Kindergarten zahlen". Die mediale Aufregung ist groß.

Der Fingerzeig von LH Voves weist auf das Ende des Gratis-Kindergartens. Der steirische Landeshauptmann Franz Voves will den Gratiskindergarten angesichts der leeren Landeskassen überdenken. "Man muss mit Gratis- und Transferleistungen oberhalb des Mindestlohns sehr vorsichtig umgehen. Leistungen wie den Gratiskindergarten oder die Wohnbauförderung für alle muss man überdenken", so Voves in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung". Auch seine Parteikollegin und Bildungslandesrätin Elisabeth Grossmann kann sich Beiträge für den Nachmittag vorstellen. Seit Einführung im Herbst 2008 wurde der Gratiskindergarten immer wieder als Herzstück der steirischen Familienpolitik gepriesen - nachdem nun aber das Geld im Land knapp ist, scheint der Gratiskindergarten doch kein Muss mehr für die SPÖ zu sein.

Grossmann kann sich inzwischen einen nur mehr teilweise kostenfreien Kindergarten vorstellen: "Am Vormittag sollte das Angebot gratis sein, davon möchte ich nicht abrücken. Für die Nachmittagsstunden kann ich mir sozial gestaffelte Beiträge vorstellen, um einen Beitrag zur Qualitätssicherung zu leisten."

Mödlhammer: "Gratiskindergarten für alle ist nicht sozial"
Ähnlich äußerte sich Gemeindebund-Präsident Bgm. Helmut Mödlhammer am 25.03. in den Online-Ausgaben von "Die Presse", "Der Standard", dem ORF und der "Kleinen Zeitung" und sorgt damit für Aufregung: "Der Gratiskindergarten bringt uns Gemeinden in Probleme. Wer es sich leisten kann, soll auch dafür bezahlen", betonte Mödlhammer. Mittlerweile sei die Kinderbetreuung aber schon in fast allen Bundesländern kostenlos: "Das ist ja nicht sozial."

"Kostet ein Schweinegeld"
"All diese Versprechungen nach oben sollten eingestellt werden", fordert Mödlhammer, der davon ausgeht, dass die Bürger dafür angesichts des Sparzwangs Verständnis hätten. Abgelehnt wird vom Gemeindebund-Präsident daher auch die Forderung nach einer akademischen Ausbildung für Kindergärtnerinnen, weil damit auch höhere Gehälter verbunden wären: "Das kostet ein Schweinegeld und bringt keine Qualitätsverbesserung."


Belastungsstopp auch in anderen Bereichen
Einen "Belastungsstopp" fordert Mödlhammer für die Gemeinden auch in den Bereichen Pflege, Sozialhilfe und Gesundheit. Als Beispiel nennt Mödlhammer die vor zwei Jahren vereinbarte Arbeitszeitreduktion für die Mitarbeiter der Sozialen Dienste auf 38,5 Stunden. Das habe man beschlossen, "wissend, dass wir uns das nicht leisten können". "Künftig müssen solche Aktionen unterbunden werden. Jetzt haben wir einen hohen Standard erreicht und jetzt geht gar nichts", so Mödlhammer.

Ja zur Zusammenarbeit, Nein zur Zusammenlegung von Gemeinden
Wenig abgewinnen kann der Gemeindebund-Präsident aber der Zusammenlegung von Kleingemeinden. Verstärkte Zusammenarbeit über Gemeindegrenzen hinaus sei aber natürlich möglich. "Freiwillige Kooperation ja, Zwangskooperation bringt gar nichts", so Mödlhammer. Dass Gemeindefusionen auch weniger Gemeinderatsabgeordnete bedeuten würden, sei jedenfalls kein Argument. Schließlich würden die Mitglieder der Gemeinderäte - anders als Landtags- und Parlamentsabgeordnete - kein Gehalt, sondern nur vergleichsweise niedrige Sitzungsgelder erhalten.

Gemeinden haben die Hauptlast in der Kinderbetreuung
Im Gespräch mit Journalisten und auch der Bevölkerung stellt sich heraus, dass das Wissen um die Finanzierung und den Erhalt der Kindergärten oftmals lückenhaft ist. Die meisten Menschen gehen davon aus, dass Kinderbetreuung vorwiegend eine Sache des Bundes und der Länder ist. Das Gegenteil ist der Fall, die Gemeinden haben die Hauptlast in der Kinderbetreuung zu tragen, wie die folgenden Fakten beweisen.

Insgesamt 4.883 öffentliche Kindertagesheime
Insgesamt gibt es in Österreich 4.883 öffentliche Kindertagesheime, darunter fallen die Kindergärten, die Kinderkrippen und die Horteinrichtungen. Dazu kommen noch 3.067 private Einrichtungen, in Summe also 7.950 Kinderbetreuungseinrichtungen.

Die Zahl der reinen Kindergärten beträgt 4.863, davon sind 3.556 öffentliche Kindergärten. Von diesen 3.556 Kindergärten werden 3.525 von Gemeinden erhalten und betrieben. Nur 19 Kindergärten betreibt der Bund direkt, weiter 12 Kindergärten werden von den Ländern betrieben. Dazu kommen noch 1.307 private Kindergärten, bei denen in der Regel die Gemeinden aber auch Zuschüsse leisten müssen, um Defizite auszugleichen.

Mit Kostensteigerung von bis zu 50 Prozent zu rechnen
Deutlich sichtbar wird der Kostenaufwand der Gemeinden auch dann, wenn man sich ansieht, wieviel Geld die Gemeinden pro Kind und Jahr im Jahr 2008 ausgeben mussten. Die Zahlen liegen erst für das Jahr 2008 vor, ein Zeitpunkt in dem der flächendeckende Gratiskindergarten und das verpflichtende letzte Kindergartenjahr noch nicht eingeführt waren. Für 2009 und 2010 ist daher noch mit Kostensteigerungen von bis zu 50 Prozent der in der Folge genannten Werte zu rechnen.

Burgenland 5.196 Euro
Kärnten 4.033 Euro
Niederösterreich 4.680 Euro
Oberösterreich 3.518 Euro
Salzburg 4.352 Euro
Steiermark 5.057 Euro
Tirol 3.657 Euro
Vorarlberg 3.963 Euro
Durchschnitt Österreich 4.282 Euro

 

Frais: Gratis-Kindergarten außer Streit stellen!
Bildungseinsparung wäre die völlig falsche Reaktion auf die Krise!
Linz (sp-öo) - Die jüngsten Aussagen von Gemeindebund-Präsident Mödlhammer weist SP-Klubobmann Dr. Karl Frais entschieden zurück: "Wer jetzt wie Mödlhammer den Gratis-Kindergarten in Frage stellt, der hat die Bedeutung dieser Maßnahme nicht verstanden.

Kinderbetreuungseinrichtungen sind die erste Stufe der öffentlichen Bildungseinrichtungen. Dort und durch die Erziehung in den Familien werden die Grundsteine für die Bildungs-, Sprach- und Fähigkeitenentwicklung der Kinder gelegt. Wir haben als Sozialdemokraten viele Jahre für den Gratiskindergarten gekämpft und wir lassen nicht zu, dass durch das Diktat der knappen Kassen dieser bildungspolitische Meilenstein wieder zerschlagen wird. Das notwendige Geld dafür muss bei den Verursachern der großen Wirtschafts- und Finanzkrise geholt werden - wenn sich Mödlhammer dafür einsetzt, dann kann er mit der Unterstützung der SPÖ rechnen!" Frais ist überzeugt, dass der Gratis-Kindergarten nicht nur verteidigt, sondern sogar ausgebaut werden muss: "Fakt ist, dass wir verstärkt in Richtung Ganztagsangebote gehen müssen. Die Lebenssituation der Menschen in unserem Land erfordert immer mehr Ganztagsbetreuungsplätze und wir sind es den Zukunftschancen unserer Kinder schuldig, dass wir ihnen diesen Zugang zur Bildungseinrichtung Kindergarten ermöglichen. Jetzt aber in die Gegenrichtung zu gehen und sich vom Gratiskindergarten zu verabschieden, wäre der völlig falsche Weg und würde sich mittel- bis langfristig auch für die Gemeinden sehr negativ auswirken."

Es war schon zu Zeiten von Schwarz-Blau üblich, Bildungs- und Sozialabbau mit knappen finanziellen Ressourcen zu begründen. "Wenn bei Bildung und Soziales gespart wird, dann kommt das auf lange Sicht teuer - nämlich durch mehr Bildungsverlierer und verringerte Chancen am Arbeitsmarkt. Deshalb dürfen die Kosten der Krise nicht bei Familien oder Bildung eingespart werden, sondern müssen bei den Verursachen lukriert werden - im Finanz-, Banken- und Spekulantensektor, wo die Milliardenboni für Manager und Vorstände schon wieder ungehemmt fließen", fordert der SP-Klubchef.

 

Mikl-Leitner: In Niederösterreich bleibt Gratis - Kindergarten am Vormittag
Offensichtlich haben sich andere Bundesländer den Mund zu voll genommen
St. Pölten (nöi) - In Niederösterreich bleibt der Kindergarten am Vormittag gratis und am Nachmittag mit sozial gestaffelten 80 Euro für Jedermann und Jedefrau leistbar. So gibt es Förderungen, wenn sich eine Familie die 80 Euro nicht leisten kann. Mit diesem Modell schreibt Niederösterreich schon seit Jahrzehnten Erfolgsgeschichte. Offensichtlich haben die politischen Verantwortlichen in anderen Bundesländern, wie zum Beispiel in der Steiermark, den Mund zu voll genommen und im Wahlkampfrausch den Menschen mehr versprochen, als sie halten können. In Niederösterreich können sich die Eltern darauf verlassen, dass wir das halten, was wir versprechen. So haben wir auch mit der Einführung des verpflichtenden Kindergartenjahres überhaupt keine Probleme und jedes Kind kann den Kindergarten gratis besuchen, freut sich VP-Familienlandesrätin Mag. Johanna Mikl-Leitner.

Mikl-Leitner weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Niederösterreich in den letzten 2 Jahren 12.000 zusätzliche Kinderbetreuungsplätze geschaffen hat und damit garantiert, dass jedes Kind einen Kindergartenplatz hat. Im Rahmen dieser noch niemals da gewesenen Kindergartenoffensive wurden 270 Millionen Euro investiert. Das heißt, wir haben damit auch einen enormen wirtschaftlichen Impuls ausgelöst und für 1.200 Menschen einen hoch qualifizierten Job in der Kinderbetreuung geschaffen. "Die Diskussion in den anderen Bundesländern ist sehr traurig, weil sie zeigt, dass hier auf dem Rücken von Kindern und Familien Wahlkampf betrieben wurde", betont Mikl-Leitner.

 

 Kogler: Kein Aufweichen eines Eckpfeilers der Bildung
Voves und Mödlhammer auf Sozialabbau-Trip
Wien (grüne) - "Es kann kein Aufweichen beim Gratiskindergarten geben", erklärte der stellvertretende Klubobmann der Grünen, Werner Kogler zu den jüngsten Wortmeldungen des steirischen Landeshauptmanns Voves und des Gemeindebundpräsidenten Mödlhammer. "Bildung beginnt im Kindergarten, allen voran der Spracherwerb. Der kostenlose Bildungszugang muss daher im Kindergarten beginnen. Nur so können wir gewährleisten, dass alle Kinder gleiche Chancen haben, gleichgültig aus welchen Einkommens- oder Lebensverhältnissen sie kommen ", so Kogler. "Wie die SPÖ sich vom Prinzip des gleichen Zugangs zur Bildung verabschieden kann, ist völlig unverständlich und ein Armutszeugnis sonder gleichen."

Mödlhammer ist für Kogler als Gemeindebundpräsident ein besonderer Fall: "Besonders Mödlhammer, der sich schützend vor Zocker- und Pleitebürgermeister stellt, die Kontrolle von Gemeindefinanzen verweigert, hat hier keinen Auftrag zum Dazwischenkeppeln. Hier verschwinden in zahllosen Gemeinden die Millionen und nicht in ein paar zehntausend Euro im Jahr für Kinderbetreuung", so Kogler. "Mödlhammer täte gut daran, sich um seine Rolle in der Kommunalkredit als Aufsichtsrat zu kümmern, wo er als solcher für das Milliardendesaster mitverantwortlich ist."
     

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