Frankreichs und Österreichs EU-Ausschüsse wollen enger kooperieren   

erstellt am
03  05. 10

Europas BürgerInnen verlangen ein besseres EU-Krisenmanagement
Wien (pk) - Der Vorsitzende des Europaausschusses der Französischen Nationalversammlung Pierre Lequiller besuchte am Nachmittag des 30.04. das Parlament, wurde vom Zweiten Präsidenten des Nationalrates Fritz Neugebauer herzlich begrüßt und gemeinsam mit dem Obmann des Außenpolitischen Ausschusses Josef Cap zu einer thematisch weit gesteckten Aussprache mit Nationalratsabgeordneten gebeten.

Ausgangspunkt des gut eineinhalbstündigen Meinungsaustauschs war die Umsetzung des Vertrages von Lissabon in Österreich und Frankreich, insbesondere im Hinblick auf die Rolle der nationalen Parlamente bei der Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips, wie dies bei der diesbezüglichen Konferenz in St. Pölten während der österreichischen EU-Präsidentschaft besprochen worden war. Pierre Lequiller betonte die Absicht Frankreichs, nicht nur dem Buchstaben dieses Vertrages zu folgen, sondern den Geist von Lissabon zu realisieren, wobei die nationalen Parlamente eine ausschlaggebende Rolle spielen werden, zeigte sich Lequiller überzeugt. Der französische Politiker sprach sich auch für eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament aus und erinnerte an die Erfahrungen Frankreichs mit den Beratungen über die Dienstleistungsrichtlinie: Es ist gut wenn sich das Europaparlament und die nationalen Parlamente frühzeitig mit EU-Vorhaben befassen.

Der Gast aus Frankreich unterstrich auch das Interesse seines Landes an einer engen Zusammenarbeit mit Österreich, bei der Umsetzung der Subsidiarität, aber auch inhaltlich. In diesem Sinne lud der Vorsitzende des Europaausschusses der Französischen Nationalversammlung den EU-Unterausschuss des Hauptausschusses zu einem Besuch bei der Nationalversammlung ein, eine Einladung, die Präsident und Ausschussobmann Fritz Neugebauer gerne annahm und sogleich vorschlug, den Arbeitsbesuch in Paris thematisch gut zu strukturieren.

Pierre Lequiller ortete viele gemeinsame politische Positionen zwischen Österreich und Frankreich, etwa die Vision einer politischen Union in Europa und die gemeinsame Überzeugung der Notwendigkeit einer raschen Reaktion auf die griechische Krise, Gemeinsamkeiten in Fragen der EU-Erweiterung sowie in der Landwirtschafts- und Energiepolitik. Auf seine Frage nach der Zukunft der WEU erfuhr Präsident Neugebauer von Überlegungen in Frankreich, diese Organisation, die keine Daseinsberechtigung mehr habe, künftig einzusparen.

Der Obmann des Außenpolitischen Ausschusses Josef Cap betonte seinerseits die Übereinstimmungen zwischen Frankreich und Österreich in Fragen der EU-Erweiterung. Angesichts der Krise in Griechenland sah Cap die EU gefordert, den Bürgern Antworten auf die Frage zu geben, wie es künftig bei der Aufsicht über die Finanzmärkte und bei den Ratingagenturen weitergehen solle. "Es ist den Menschen nicht zumutbar, Geld ohne Aussicht in Bewegung zu setzen, dass es verzinst wieder zurückkommt", formulierte Cap. Ohne eine befriedigende Antwort auf diese Frage drohe der EU laut Cap eine Legitimationskrise.

Pierre Lequiller schloss sich Caps Ausführungen an und trat ebenfalls für die Lösung der von Cap genannten Probleme auf europäischer Ebene ein. Viel sei bereits geschehen, es müsse aber noch mehr unternommen werden. Denn an der Krise Griechenlands sei die EU nicht unschuldig, denn sie hätte die Entwicklung früher erkennen müssen.

Abgeordneter Johannes Hübner (F) problematisierte eine EU-Subventionspolitik, die in der Vergangenheit große Geldsummen in gerade jene Länder geleitet habe, die nun besonders stark von der Krise betroffen seien. Hübner schlug vor, die Subventionspolitik in die nationale Souveränität zurückzuführen, denn es sei nicht sinnvoll, dass Nettozahler wie Deutschland oder Frankreich viel Geld in den EU-Topf einzahlten, um einen großen Teil davon über den Umweg einer teuren EU-Bürokratie wieder in das eigene Land zurückfließen zu lassen.

Pierre Lequiller hielt demgegenüber den europäischen Kohäsionsfond und die europäische Subventionspolitik für wichtig. Diese Politik fördere die Solidarität in Europa, ihre positiven Ergebnisse seien etwa an der Verbesserung der Kommunikationsstrukturen in Spanien oder an der Entwicklung Osteuropas ablesbar. Er sei für die Beibehaltung des Kohäsionsfonds, hielt es aber für möglich, dass Regionen, die heute noch Subventionen erhalten, sich aber mittlerweile gut entwickelt hätten, in der nächsten Haushaltsperiode nicht mehr zu den Subventionsempfängern zählen werden.

Abgeordnete Ursula Plassnik (V) griff den Vorschlag gerne auf, neue Formen der Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern aufzunehmen. Man sollte in der Subsidiaritätspolitik weniger auf Pointilismus setzen, sondern Zukunftsthemen ansprechen, etwa bei der Unterstützung von Beitrittskandidaten, bei der Korruptionsbekämpfung oder bei der Weiterentwicklung des EU-Krisenmanagements. Dafür verlangten die Menschen europäische Lösungen, zeigte sich Plassnik überzeugt und erntete nachdrückliche Zustimmung des französischen Gastes. Es gehe um "positive Subsidiarität", formulierte Lequiller, die nationalen Parlamente sollten ihre Stimme für gemeinsame Initiativen erheben, für ein europäisches Krisenmanagement etwa oder für eine Politik, die Krisen wie jetzt in Griechenland künftig ausschließen könne. Klarere Worte hielt der französische Gast auch zur EU-Erweiterungspolitik für wünschenswert, er begrüße einen Beitritt Kroatiens und sehe die Balkanländer als potentielle Beitrittskandidaten an, mit anderen Ländern wolle er aber über andere Formen der Kooperation verhandeln.

Abgeordneter Andreas Karlsböck (F) lobte die erfolgreiche Familienpolitik Frankreichs, die sich in einer hohen Geburtenrate niederschlage, sowie auch die französische Bildungspolitik. Die Bologna-Ziele für die Universitäten seien zwar prinzipiell positiv, aber schwierig umzusetzen, klagte Karlsböck und brachte die österreichischen Probleme mit der studentischen Migration zur Sprache.

Pierre Lequiller berichtete, sein Land habe keine Probleme mit der Umsetzung der Bolognastrategie, sehe sich aus Qualitätsgründen aber zu einer Universitätsreform veranlasst. In der hohen Geburtenrate Frankreichs komme ein hohes Vertrauen der Franzosen in die Zukunft zum Ausdruck, worüber er sehr glücklich sei. Viel zu tun gebe es allerdings noch in der französischen Frauenpolitik, einerseits beim Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und andererseits bei der Verbesserung der politischen Partizipation der Frauen, teilte Pierre Lequiller seinen Gesprächspartnern auf eine diesbezügliche Frage Ursula Plassniks mit.
     
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